SAA: Neue SES-Richtlinie

In komplexeren Bauwerken oder bei Gebäuden, in welchen sich ortsunkundige oder nicht instruierte Personen aufhalten, wird eine Räumung oft durch sogenannte Evak-Anlagen unterstützt. Wenn diese Systeme die geltende SES-Richtlinie erfüllen, dann spricht man fachtechnisch von Sprachalarm­anlagen (SAA) oder elektroakustischen Notfallwarnsystemen (ENS).

Neue SES-Richtlinie
Bild: SES

Die beiden Begriffsdefinitionen SAA (Sprachalarmanlagen) und ENS (elektroakustische Notfallwarnsysteme) trifft man in der SES-Richtlinie immer wie­der an und es ist wichtig, die Unterscheidung nach SES (Verband Schweizerischer Errichter von Sicherheitsanlagen) zu verstehen.

Generell handelt es sich bei beiden Bezeichnungen um elektroakustische Lautsprecheranlagen, welche im Notfall oder im Normalbetrieb über Lautsprecher und/oder andere Signalgeber Personen im Gebäude informieren und diese im Notfall zur Selbstrettung bzw. zum richtigen Verhalten animieren. Lediglich die normativen und sicherheitstechnischen Ansprüche unterscheiden diese Anlagetypen. SAA haben den höchsten Sicherheitsanspruch. Sie müssen den EN-54-­Normreihen entsprechen und sind in der Regel Teil einer Brandmeldeanlage (BMA). Das bedeutet, dass eine SAA ein Teil der BMA-Funktionen übernimmt, konkret ist dies die Funktion der akustischen Schallgeber (Alarmhorn). Bei SAA muss gemäss SES-Richtlinie eine sogenannte Sicherheitsstufe definiert werden, welche angibt, wie hoch die Ausfallsicherheit sein muss.

Neue SES-Richtlinie
CH-Normanwendung für SAA, ENS Stand der Technik und ENS nach SN EN 50849.

Die Begriffsdefinition «Beschallungsanlage» beschreibt ein System, welches keine konkreten Sicherheitsanforderungen erfüllen muss und somit das Schutzziel nicht unbedingt erreicht. Aus diesem Grund wird in der SES-Richtlinie dieser Anlagetyp nicht weiter behandelt.

Erstveröffentlichung der SES-Richtlinie für SAA & ENS im Jahr 2017

Der Sicherheitsbereich der SAA und ENS ist seit 2015 Teil des SES-Verbandes. Ursprünglich war dieser Bereich bei der Arbeitsgruppe BMA angesiedelt, gewann aber immer mehr an Bedeutung. Aus diesem Grunde wurde eine eigene Technische Arbeitskommission (TAK) gegründet, welche sich der Ersterstellung der SES-Richtlinie für SAA & ENS angenommen hat. Rund zwei Jahre später folgte dann die Erstveröffentlichung der SES-Richtline für diesen Bereich. Die zuständigen Kommissionen der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF) genehmigten und anerkannten die Richtlinie kurz darauf als «Stand der Technik»-Papier.

Die Einführung einer eigenen Richt­linie für das Gewerk sorgte im Markt für grosse Erleichterung. Dadurch konnten von nun an Qualitätsanforderungen eingehalten werden.

Neue SES-Richtlinie
Möglicher Ablauf einer Alarmierung. Bild: Siemens Schweiz AG

Überarbeitung der SES-Richtlinie nach rund drei Jahren

Nach der Veröffentlichung wurde schnell klar, dass die Richtlinie für die Branche einen grossen Mehrwert hat. Sie wurde mehr und mehr auch von Planern and anderen beteiligten Unternehmen bei Ausschreibungen und Projekten zur Hand genommen. Sie schafft eine bessere Klarheit, wie Systeme zu projektieren und umzusetzen sind, und dient seither sowohl den Behörden, Planern, Fachverantwortlichen sowie den Errichtern und Betreibern als Leitfaden. Es wurde aber auch klar, dass gewisse Punkte bezüglich der Interpretation zu viel Spielraum lies­sen oder nicht detailliert genug erklärt wurden, worauf von der TAK entschieden worden ist, die Richtlinie zu überarbeiten.
Bevor die Überarbeitung begann, wurde ein SES-Abnahmeprotokoll veröffentlicht, welches als Leitfaden bei der Abnahme von Systemen genutzt werden kann. Seither ist es für Planer und Errichter einfacher, die Qualität von Systemen prüfen zu lassen. Sie können ohne grösseren Aufwand auf das Dokument verweisen oder dies vom Errichter verlangen.

Im Juni 2021, rund drei Jahre nach der Erstveröffentlichung, war es dann so weit, und die zweite Version der SES-Richtlinie für SAA & ENS wurde veröffentlicht und von der VFK als «Stand der Technik»-Papier anerkannt. Dabei ist die enge Zusammenarbeit zwischen SES und VKF zu erwähnen, welche dazu geführt hat, dass das Dokument für alle Beteiligten den gewünschten Inhalt hat.

Was hat sich an der überarbeiteten Richtlinie geändert?

Die Richtlinie wurde besser strukturiert und die beiden Anlagentypen SAA und ENS in eigene Kapitel unterteilt. Zudem wurden einzelne Punkte klarer definiert. Zwei Änderungen sind dabei besonders hervorzuheben:

  • Der Anlagetyp SAA blieb generell gleich, jedoch wurde der Anlagetyp ENS in zwei Kategorien unterteilt:
    «ENS nach SN EN 50849»: entspricht der ursprünglichen Beschreibung eines ENS aus der Richtlinie 2017. Mit diesem An­lagetyp ist die Alarmierung im Brandfall nicht zulässig.
  • «ENS nach SES-Richtlinie»: Bei diesem Anlagetyp ist die Alarmierung eines Brandfalls zulässig, sofern dieser nicht automatisch durch die Brandmelde­- anlage (BMA) erfolgt. Das System darf also keine Funktionen der BMA übernehmen. Zudem wurden wenige Sicherheitsanforderungen gegenüber dem Typen nach SN EN 50849 erweitert.

Es wurden zwei Grafiken ergänzt, die zeigen, bei welchen Gebäudetypen welche Anlagetypen verwendet werden sollen. Nach Rücksprache mit der VFK wurde entschieden, dass diese Information in der SES-Richt­linie ab­gebildet werden soll und die VKF-Richtlinie (BR 12-15), welche das Thema Evak behandelt, nicht angepasst wird.

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Anlagetyp und Nutzung

Weiteres Vorgehen der Technischen Arbeitskommission SAA & ENS

Seit der Veröffentlichung der überarbeiteten Version hat diese in der Branche weiter an Bedeutung gewonnen und wird vermehrt bei Submissionen sowie Projekten verwendet. Es konnte auch festgestellt werden, dass der Expertenkreis dieses Fach­bereiches stetig zunimmt. Während den vergangenen Monaten hat die TAK verschiedenste sehr wertvolle Rückmeldungen zur neuen SES-Richtlinie gesammelt, welche nun sorgfältig geprüft werden.

Im Anschluss an die Auswertung sollen die wichtigsten Fragen im Rahmen von FAQ behandelt werden. Denkbar wäre auch eine Präzisierung in der Richtlinie, sofern der Änderungsumfang im Rahmen der Möglichkeiten liegt.

Durch diese Massnahmen möchte die TAK im Bereich SAA & ENS die Klarheit und Verständlichkeit weiter steigern und die Richtlinie noch stärker als Standard etablieren.

Schulung an der STFW

Seit 2020 ist das Thema «Evak und Sprach­alarmierung» an der Schweizerischen Technischen Fachschule Winterthur (STFW) in Form eines eintägigen Grundkurses vertreten. Der Kurs vermittelt den Teilnehmenden das Grundlagenwissen dieses Fachbereiches sowie weiterführende Informationen im Bereich Planung, Projektierung, Ausführung und Wartung von Systemen und bezieht sich jeweils auf die gültige SES-Richtlinie des Bereiches. Der Kurs eignet sich deshalb ausgezeichnet für alle Personen, welche in ihrer Tätigkeit mit dem Fachbereich SAA & ENS in Berührung kommen. Fragen aller Art werden kompetent und nach aktuellem Wissensstand von den fach­kundigen Referenten beantwortet.

SES-Merkblatt

Ein kürzlich erschienenes Merkblatt zu «Alarm- und Störungsabläufen von Brand­meldeanlagen» wurde in Zusammenarbeit zwischen der TAK BMA und TAK SAA erstellt und beschreibt, inwiefern eine SAA die Funktionen der BMA übernehmen kann. Auch die Überwachung der Funktionen und die generelle Kommunikation zwischen den beiden Systemen wird erläutert.

Dieser Fachartikel erschien in der gedruckten Ausgabe SicherheitsForum 3-2022.

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