Erdbeben – neues Gefährdungsmodell für die Schweiz

Der Schweizerische Erdbebendienst an der ETH Zürich hat nach zehn Jahren intensiver Forschung ein aktualisiertes Erdbebengefährdungsmodell erstellt. Dieses bestätigt: Erdbeben sind eine ernstzunehmende Gefahr für die Schweiz.

Die alte (oben) und neue Gefährdungskarte. Quelle: SED

Jedes Jahr registriert der Schweizerische Erdbebendienst (SED) über 500 Erdbeben in der Schweiz. Das letzte mittelstarke Erdbeben liegt gut drei Jahre zurück: Bei Zug ereignete sich 30 km tief im Erdinnern ein Beben der Magnitude 4,2. Dieses wurde in weiten Teilen der Zentral- und Ostschweiz von zehntausenden von Menschen deutlich verspürt. Das Beispiel macht klar, dass sich in der Schweiz immer wieder mittelstarke Erdbeben ereignen. Es kann aber auch jederzeit und überall in der Schweiz zu einem starken oder gar katastrophalen Beben kommen. Wie oft und wie stark die Erde an bestimmten Orten künftig beben könnte, ist einer der Forschungsschwerpunkte des Schweizerischen Erdbebendienstes.

Unterschiedlich gefährdete Regionen

Abschätzungen zeigen: Erdbeben sind die Naturgefahr mit dem grössten Schadenspotenzial in der Schweiz. Im Auftrag des Bundes überwacht der SED die Erdbebentätigkeit und schätzt die Erdbebengefährdung in der Schweiz ein. In regelmässigen Abständen publiziert er zudem ein Modell, das mögliche künftige Erdbeben und die damit einhergehenden Bodenbewegungen beschreibt. Das nun veröffentlichte, aktualisierte Erdbebengefährdungsmodell basiert auf verbesserten Vorhersagemodellen, neuen und sehr viel genaueren Daten sowie überarbeiteten Einschätzungen historischer Quellen. Es löst das Modell aus dem Jahr 2004 ab und erlaubt eine wesentlich solidere Abschätzung der Gefährdung.

Fachpersonen und Behördenvertretern dient das neue Modell als Grundlage, um Entscheide im Bereich der Erdbebenvorsorge und des Risikomanagements zu treffen. Gesamthaft hat sich die Einschätzung der Gefährdung für einzelne Regionen seit 2004 nur leicht verändert: Das Wallis bleibt das Gebiet mit der höchsten Gefährdung, gefolgt von Basel, Graubünden, dem St. Galler Rheintal und der Zentralschweiz. Einzig der Kanton Graubünden, insbesondere das Engadin, ist gemäss der Einschätzung des SED stärker gefährdet als bisher angenommen. Diese leicht erhöhte Einstufung erklärt sich vor allem durch eine angepasste Beurteilung der vergangenen Beben.

Verschiedene Karten – verschiedene Aspekte

Neben der klassischen Gefährdungskarte, die anhand von Beschleunigungswerten abbildet, wo und wie häufig Erdbeben einer bestimmten Stärke zu erwarten sind, lanciert der SED dieses Jahr zwei weitere Produkte. Sie ermöglichen der Bevölkerung einen einfacheren Zugang zu den relevanten Informationen:

So veranschaulicht eine der beiden neuen Karten, welche Auswirkungen Erdbeben verschiedener Grössenordnungen nach sich ziehen. Die andere Karte bildet ab, wie oft sich Erdbeben ab einer bestimmten Magnitude ereignen. Alle Produkte lassen sich in einem interaktiven Webtool erkunden.

Ebenfalls augenfällig ist das neue Farbkonzept der Gefährdungskarte: die «harmlosen» Farben, Grün und Blau, welche die Karte von 2004 dominierten, wurden durch gelbe, orangefarbene, rote und violette Farbtöne ersetzt. Diese neue Einfärbung spiegelt die tatsächliche Erdbebengefährdung in der Schweiz besser wider: Prinzipiell ist in jeder Region der Schweiz jederzeit ein starkes Erdbeben möglich.

Schutzmassnahmen treffen

Eine wichtige Grösse bei der Berechnung der Erdbebengefährdung sind die zu erwartenden Bodenbeschleunigungen. Forschende haben in den letzten Jahren im Nahbereich von grösseren Beben im In- und Ausland zahlreiche neue Daten erhoben. Die nachträglichen Auswertungen zeigten auf, dass sich der Boden bei einigen Beben stärker bewegt als bisher angenommen. Aufgrund dieser Erkenntnis hat der SED die zu erwartenden Bodenbewegungen entsprechend angepasst. Diese Werte sind insbesondere für Bauingenieure bedeutend, um Gebäude und Infrastrukturen erdbebengerecht auszulegen.

Neben Ingenieuren ist die Gefährdungskarte auch für Behörden, Versicherungen und Forschende ein wichtiges Instrument. Sie dient diesen Interessengruppen in erster Linie als Grundlage, um Entscheide im Bereich der Erdbebenvorsorge und des integralen Risikomanagements zu treffen. Zudem gründen die Normen für eine erdbebengerechte Bauweise auf der Gefährdungskarte.

Erdbebengefährdung online:

  • Karten: Entdecken und vergleichen Sie Karten der Auswirkungen, Gefährdung und Magnituden mit anderen Parametern und Zeiträumen im Webtool.
  • Hintergrund: Weiterführende Informationen sowie ein ausführlicher wissenschaftlicher Bericht zum Erdbebengefährdungsmodell hier.
  • Fachpersonen finden weiterführende Informationen sowie spezifische Daten und Kennwerte hier.
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