Neues Ausschaffungsrecht gilt ab 1. Oktober 2016
Wenige Tage nach der gescheiterten SVP-Durchsetzungsinitiative hat der Bundesrat heute die Gesetzesbestimmungen zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative auf den 1. Oktober 2016 in Kraft gesetzt. Die neuen Bestimmungen bringen strengere Regelungen bei der Ausschaffung straffälliger Ausländerinnen und Ausländer. Dank einer Härtefallklausel können die Gerichte aber besonderen Situationen beispielsweise von Secondos Rechnung tragen.
Das Parlament hatte am 20. März 2015 die Änderung des Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes zur Umsetzung der Volksinitiative „für die Ausschaffung krimineller Ausländer“ verabschiedet; die Referendumsfrist lief am 9. Juli 2015 unbenutzt ab. Vor der Inkraftsetzung der neuen Gesetzesbestimmungen musste der Bundesrat den Ausgang der Abstimmung über die Durchsetzungsinitiative abwarten.
Vorbereitungen in den Kantonen und beim Bund
In einer Umfrage zur Inkraftsetzung der neuen Gesetzesbestimmungen sah letztes Jahr die Hälfte der Kantone keinen oder nur einen geringen Anpassungsbedarf. Die andere Hälfte der Kantone sowie die Schweizerische Staatsanwälte-Konferenz (SSK) rechneten hingegen mit umfangreichen Umstrukturierungen namentlich im Bereich der Polizei, der Staatsanwaltschaften, der Gerichte und der Migrationsämter sowie Anpassungen der entsprechenden Organisations- und Vollzugserlasse. Sie machten deshalb eine genügend lange Vorbereitungszeit von über einem Jahr geltend.
Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die Bevölkerung eine rasche Umsetzung der Ausschaffungsinitiative erwartet. Zudem ist bezüglich des Zeitbedarfs der Kantone zu beachten, dass die neuen Gesetzesbestimmungen über die Landesverweisung aufgrund des Rückwirkungsverbots nur bei Straftaten gelten, die nach dem Inkrafttreten am 1. Oktober 2016 begangen werden. Es wird daher voraussichtlich einige Monate dauern, bis die ersten Gerichtsurteile mit einer Landesverweisung rechtskräftig sind. Diese Zeit wird den Kantonen zusätzlich zur Verfügung stehen, um ihre Erlasse anzupassen.
Die Inkraftsetzung der neuen Gesetzesbestimmungen erfordert auch die Anpassung zahlreicher Verordnungen auf Stufe Bund. Da die Kantone von diesen Änderungen teilweise direkt betroffen sind, ist zu diesen Verordnungen eine Vernehmlassung mit verkürzten Fristen geplant. Diese Verordnungen können dennoch erst auf den 1. Januar 2017 in Kraft treten. Das gestaffelte Inkrafttreten ist möglich, weil die betreffenden Verordnungen vor allem den Vollzug der Landesverweisung betreffen und es mehrere Monate dauern wird, bis die ersten rechtskräftigen Urteile mit einer vollziehbaren Landesverweisung vorliegen.
Zudem muss das Schweizerische Strafregister angepasst werden, damit die Urteile mit einer Landesverweisung eingetragen und gemäss den gesetzlichen Vorgaben verwaltet werden können. Mit den neuen Gesetzesbestimmungen und der Anpassung der entsprechenden Verordnungen wird auch die gesetzliche Grundlage für die Umsetzung der Motion Müri (13.3455) geschaffen, die eine Vollzugsstatistik über die Ausschaffung von kriminellen Ausländern verlangte.
Strengere Regelung, aber begrenzter Ausweisungsautomatismus
Die neuen Gesetzesbestimmungen zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative sehen im Vergleich zu heute eine deutlich strengere Regelung für die Ausschaffung krimineller Ausländerinnen und Ausländer vor. Eine obligatorische Landesverweisung wird vom Strafgericht angeordnet, wenn es eine ausländische Person wegen klar definierter Delikte verurteilt. Sie dauert 5 bis 15 Jahre, im Wiederholungsfall 20 Jahre oder lebenslänglich. Der Deliktskatalog erfasst insbesondere Verbrechen, bei denen Menschen getötet, schwer verletzt oder an Leib und Leben gefährdet werden, schwere Sexualstraftaten sowie alle schweren Verbrechen gegen das Vermögen.
Das Gericht kann ausnahmsweise von der obligatorischen Landesverweisung absehen, wenn diese für den Ausländer einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen. Dabei ist der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen, die in der Schweiz geboren oder aufgewachsen sind.
Bei allen übrigen Verbrechen und Vergehen des Strafgesetzbuches und des Nebenstrafrechts kann das Gericht ebenfalls eine Landesverweisung verhängen. Diese erfolgt nicht obligatorisch, sondern aufgrund einer eingehenden Prüfung des Einzelfalls. Diese Landesverweisung dauert zwischen 3 und 15 Jahren.