Fluchttüren im Härtetest
Der neue Gotthard-Basistunnel muss höchste Sicherheitsanforderungen erfüllen. Das beginnt bei den grossen Toren, die den Bahntunnel in Brandabschnitte einteilen, und den 350 Türen in den „Querschlägen“, die im Brandfall eine Evakuierung sicherstellen. Diese Türen müssen über 7 Tonnen Winddruck aushalten und zudem auch einem 90-minütigen Brand widerstehen. Das geht nicht ohne Sicherheitsprüfungen des Materials.
Was passiert, wenn ein Zug mit fast 250 km/h nur wenige Zentimeter an einer Tür vorbeirast? Die Türen müssen alle zwei Sekunden einen Wechsel von Luftdruck und Luftsog aushalten. Dieser entsteht aufgrund der schmalen Lücken zwischen den Wagons und belastet die 1,6 breiten und 2,2 Meter hohen Türen mit über 7 Tonnen Druck. Damit trotz dieser extremen Belastungen die Öffnungsfähigkeit der 350 Türen in den 175 Querschlägen des Tunnels jederzeit sichergestellt ist, mussten neue Konstruktionen und Prüfverfahren entwickelt werden, wie die ift Rosenheim schreibt. Deshalb kamen bereits im Sommer 2008 die Ingenieure der AlpTransit Gotthard AG, der Torherstellers Elkuch Bator und die Experten des ift Rosenheim zusammen, um entsprechende Prüf- und Überwachungsverfahren zu entwickeln, die diese extremen Bedingungen im Tunnel simulieren können.
Dauerlastprüfung
Die Türen habe man auf Herz und Nieren prüfen lassen, so die Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstelle. Ähnliche Aufgabenstellungen habe man schon bei den Prüfungen der ICE-Verglasungen oder diverser Dachverglasungen von Autobahn-Einhausungen und diverser Tunnel gelöst.
Die Dauerlastprüfung mit insgesamt 500‘000 Druck- und Sogstössen bei einer Frequenz von zwei Sekunden musste bei einer Umgebungstemperatur von 40 Grad erfolgen, die auch im Gotthard-Tunnel vorherrscht. Während der Prüfung konnten die enormen Belastungen gut beobachtet werden. Die 110 mm dicken Türflügel aus Edelstahl bogen sich zwar sichtbar durch, waren aber auch nach der 14-tägigen Dauerlastprüfung ausreichend dicht und liessen sich mit dem geforderten Kraftaufwand von maximal 10 kg öffnen. Auch die 8,5 m breiten und 4 m hohen Tunneltore mussten besondere Anforderungen erfüllen, denn diese unterteilen den Tunnel in mehrere Brandabschnitte. Deshalb durften sie trotz eines hohen Luftdrucks nur eine minimale Leckrate für den Luftdurchgang aufweisen, um den Durchtritt von Rauch zu verhindern.
90 Minuten Tunnelbrand widerstehen
Dieser grosse Prüfaufwand sei nötig gewesen, da die Tunneltüren ein zentraler Bestandteil des Sicherheitskonzeptes sind: denn die Querschläge dienen als Fluchtwege bei Zugstörungen sowie zur Evakuierung bei Unfällen – im Extremfall also auch bei Brandkatastrophen. Die Türen gewährleisten im Normalbetrieb nicht nur die Abschottung, sondern müssen einem Tunnelbrand 90 Minuten widerstehen, um ein Übergreifen des Feuers in den Querschlag und damit in die Parallelröhre zu verhindern. Trotz dieser extremen Belastung muss die Tür im Bedarfsfall jederzeit manuell und intuitiv von beiden Seiten mit maximal 10 kg Kraftaufwand innerhalb von fünf Sekunden zu öffnen sein.
Die Vorgehensweise bei dieser Projektabwicklung sei zwar kosten- und zeitintensiv, stelle aber sicher, dass die Türen im Extremfall und bei ordnungsgemässer Wartung ihren Sicherungszweck auch noch nach 25 Jahren erfüllen würden, betont die ift Rosenheim.