Zu viel Fluorid im Grundwasser Indiens
Fluorid kommt natürlicherweise im Grundwasser vor. In geringen Mengen ist das kein Problem, doch in Indien übersteigt die Konzentration vielerorts den für die Gesundheit unbedenklichen Grenzwert. Betroffen sind über hundert Millionen Menschen, schätzen Forschende der Eawag aufgrund von neuen Computermodellen.
Viele indische Seen und Flüsse sind verschmutzt. Daraus zu trinken, macht krank. Deshalb pumpen immer mehr Menschen in Indien immer grössere Mengen an Wasser aus der Tiefe – vermeintlich sauberes Grundwasser. Aber vielerorts ist auch dieses belastet, und zwar mit Fluorid. Zu viel davon schadet der Gesundheit und ruft bei Betroffenen Wachstumsstörungen, Zahnschäden und Knochendeformationen hervor. Grösstenteils gelangt Fluorid durch natürliche Verwitterung in den Untergrund und reichert sich so im Grundwasser an. Ab einer Konzentration von 1,5 Milligramm pro Liter spricht die Weltgesundheitsorganisation WHO von einer kritischen Menge. Nun haben Forschende der Eawag um den Geophysiker Joel Podgorski in Zusammenarbeit mit Fachleuten aus Indien aufgezeigt, dass auf dem asiatischen Subkontinent rund 120 Millionen Menschen in Gebieten wohnen, wo das Grundwasser diesen Grenzwert überschreitet. Die Studie erschien diese Woche im Fachjournal «Environmental Science and Technology». Sie wurde von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) mitfinanziert.
Über 13’000 Fluoridmessdaten als Ausgangslage
Um das Ausmass der fluoridbelasteten Grundwasservorkommen in Indien zu ermitteln, haben die Forschenden anhand von 13’000 vorhandenen Fluoridmessdaten ein Computermodell entwickelt. Diese Daten sammelten Mitarbeitende des indischen Central Ground Water Board zwischen 2013 und 2015 im ganzen Land. Ins Modell flossen zusätzlich Informationen über die Geologie, Topografie, Temperatur und Niederschlagsmengen. Daraus entstand ein geostatistisches Vorhersagemodell, das aufzeigt, wo auf dem asiatischen Subkontinent die Gefahr gross ist, dass die Grenzwertkonzentration von Fluorid im Grundwasser überstiegen wird.
Demnach befinden sich vor allem im Westen und Süden des Landes viele Gebiete, die mutmasslich fluoridvergiftetes Wasser fördern. Dieses Resultat kombinierten die Forschenden mit aktuellen Bevölkerungszahlen und berechneten, dass fast jeder zehnte Inder von zu hohen Fluoridkonzentrationen betroffen sein könnte. Geophysiker Podgorski betont, dass die Karte nicht direkt zur Bestimmung von sicheren und unsicheren Brunnen dienen kann, dafür sei sie zu wenig hoch aufgelöst. Aber die Gefahrenkarte erlaubt den örtlichen Behörden, in den Risikogebieten gezielte Analysen durchzuführen.
Nicht nur Fluorid, sondern auch geologisch angereichertes Arsen ist im indischen Grundwasser ein grosses Problem. Deshalb möchten die Forschenden ebenfalls eine Gefahrenkarte für diese Substanz erstellen. «Mit einer Gefahrenkarte allein ist natürlich noch niemandem geholfen, doch die Behörden haben dadurch eine äusserst wichtige Grundlage für zielgerichtete Untersuchungen sowie zur Entwicklung von zukünftigen Wasserstrategien», sagt Podgorski.
Eawag: Wasserforschungsinstitut des ETH-Bereichs