Kabel oder Schiene? Planung einer Rechenzentrumsinfrastruktur

Bei jeder Planung einer neu einzurichtenden oder zu erweiternden Rechenzentrumsinfrastruktur stellt sich die Frage, wie die räumliche ­Stromverteilung am verlässlichsten, kosteneffizientesten und sichersten bewerkstelligt werden kann.

Kabel oder Schiene? Planung einer Rechenzentrumsinfrastruktur

In der Vergangenheit entschieden sich die meisten Rechenzentrumsbetreiber für eine kabelbasierte Lösung, die über Trassen an der Rechenzentrumsdecke oder im Doppelboden installiert wird und von dort aus die Hardware in den Racks über PDU-(Power Distribution Units-) Kabel mit Strom versorgt. Genau genommen wurde dann nicht entschieden, sondern aus Mangel an technischen Alternativen der Standard-Lösungsweg mit den Kabelleitungen beschritten. Systeme zur Stromdistribution per Schiene waren zwar auch schon vereinzelt am Markt vertreten, aber diese ursprünglich nur für den Einsatz in Industrieumgebungen gedachten Lösungen warteten damals noch mit diversen Handicaps auf: Zum Beispiel waren die Abgangskästen an den Stromschienen so grosszügig dimensioniert, dass sich diese zwar bequem in zehn oder auch 15 Meter hohen Produk­tionshallen unterbringen liessen, sich jedoch kaum für den Einsatz in Rechenzentren mit niedrigen Decken, dichtgestellten Racks und Doppelboden eigneten. Pro­bleme bereiteten ferner die verschraub­ten Verbindungsstellen zwischen den einzelnen Stromleisten. Bei Temperaturschwankungen über dem Kalt- oder Warmgang lockerten sich die Verbinder oder lösten sich sogar komplett. Um diesen Fehler zu beheben, war es notwendig, die Stromzufuhr zu unterbrechen – was sich bei der Stromversorgung von Racks, in denen Produktivserver laufen, natürlich nicht so besonders gut machte.

Zudem erforderte die Einrichtung eines jeden Abgangskastens, etwa für die Stromversorgung eines neu hinzugekommenen Racks, einen zeitlich ausreichenden Planungsvorlauf sowie kalkulierte Downtime für den Einsatz eines Elektrikers. Heute stellen speziell für den Einsatz im Data Center konzipierte, schienenbasierte Stromverteilungssysteme nicht nur eine echte Alternative zu den Verkabelungslösungen dar, sondern sind diesen sogar hinsichtlich Wirtschaftlichkeit, Anwenderfreundlichkeit und Flexibilität überlegen.

Die Elemente der Stromschiene auf einen Blick

Das Funktionsprinzip von Stromschienenverteilern

Eine Stromverteilung per Schiene erfolgt zum Beispiel bei einer Lösung namens Starline über modular erweiterbare Schienenprofile, die an der Gebäude­decke oder im Doppelboden befestigt werden. Miteinander verbunden sind die einzelnen Aluminiumprofile über schrauben- und bolzenfreie Steckverbinder, die von der Länge her so dimensioniert sind, dass eine optimale Wärmeableitung gegeben und daher eine temperaturbedingte Lockerung oder gar ein Lösen der Verbindungselemente ausgeschlossen ist. Die Stromeinspeisung selbst erfolgt an nur einer zentralen Stelle und versorgt das gesamte Schienensystem, je nach Anforderung, mit Stromstärken von 100, 225, 250, 400 oder 800 Ampere und mit einer Spannung von bis zu 415 Volt.

Überall, wo in einer IT-Umgebung Strom benötigt wird, zum Beispiel an jedem Server-Rack, lässt sich einfach ein Abgangskasten als Verteilereinheit in das Schienenprofil einpassen. Die Montage erfolgt über nur zwei Handgriffe, nämlich das Einstecken der Kupplung des Abgangskastens in das Gehäuse des Schienenprofils und eine abschliessende 90-Grad-Drehung. – Dieses simple Verfahren dürfte allen geläufig sein, die schon einmal mit Fischertechnik-Bausteinen hantiert haben. Dann stehen über den Abgangskästen ein- oder auch dreiphasige Stromanschlüsse zur Verfügung, über die Schrank-PDU-Stromleisten angeschlossen werden können, mittels derer sich die gesamte Hardware in einem Rack mit Strom versorgen lässt.

Stromversorgung von Racks per Abgangskästen oder Kabel

Die Anbringung der Abgangskästen kann an jeder beliebigen Stelle entlang der Starline-Stromschiene erfolgen, was sich als erheblicher Vorteil gegenüber den Kabel-Paneelen erweist, da diese nur an vordefinierten Fixpunkten und in konstantem Abstand zueinander montiert werden können. Demnach richtet sich die Positionierung der Racks bei den kabelbasierten Lösungen nach den Vorgaben der Strominfrastruktur. Dieser Umstand führt natürlich zu Einbussen in Bezug auf die Stellmöglichkeiten von Racks und deren Dichte sowie bei Erweiterungen, Rückbauten und für die Flexibilität einer IT-Umgebung insgesamt. Noch entscheidender ist aber, dass die Montage neuer Abgangskästen bei Stromschienenverteilern nur Minuten dauert und nicht wie bei Kabelsystemen Wochen in Anspruch nehmen kann. Dieser enorme zeitliche Unterschied liegt nicht allein darin begründet, dass die Herstellung einer Kabelabzweigung durch einen Elektriker in der Regel ein bis zwei Tage dauert. Die meiste Zeit beansprucht der Planungsvorlauf: Denn um eine Abzweigung für eine Schrank-PDU herzustellen, muss die gesamte Stromversorgung der über das entsprechende Kabel-Paneel gespeisten Racks als geplante Downtime unterbrochen und dann langsam wieder angefahren werden. Hier trumpfen die Schienensysteme auf, da eine Erweiterung mit zusätzlichen Abgangskästen einfach per Einstecken in die Schiene und 90-Grad-Dreh bei laufender Stromversorgung und so zu jeder Zeit durchgeführt werden kann.

Racks werden über die Abgangskästen der Schiene direkt mit Strom versorgt.

Performance-Vergleich in hochdichten und unternehmenskritischen RZ-Umgebungen

Weitere Vorzüge einer Stromversorgung über Schiene sind insbesondere beim Einsatz in Mission-Critical-Sektoren wie Entwicklungs- und Testumgebungen festzumachen. Diese leiden oftmals unter beengten räumlichen Verhältnissen, in denen das gesamte IT-Equipment dicht gedrängt steht. Zudem werden die Systeme häufig um- und neukonfiguriert sowie ganze Racks umgesetzt, um «Real-World»-IT-Szenarien nachbilden zu können, in denen unter Livebedingungen entwickelt und getestet wird. Kabel-Paneele können hier weder mit dem erforderlichen Konfigurationstempo noch baulich und auch nicht vom technischen Design her Schritt halten, da diese, wie schon erwähnt, hinsichtlich der Zahl der verfügbaren Schrank-PDUs limitiert und an feste Abzweigmarken gebunden sind. Dazu kommt der hohe Zeitbedarf, um an neuer Stelle eine Schrank-PDU einzurichten, der ja immer gleichbeutend mit der Länge der geplanten Downtime ist. Und Installationszeiten von bis zu einer Woche sind gerade für international aufgestellte Unternehmen, die rund um die Uhr nach dem «Follow-the-sun»-Prinzip entwickeln und forschen, ein absolutes Knock-out-Kriterium.

Daher empfiehlt sich der Einsatz eines Schienensystems in derartigen Bereichen nicht nur aufgrund der Option, Abgangskästen ohne eine Unterbrechung der Stromversorgung in Minutenschnelle hinzufügen und auch wieder umsetzen zu können: Die Abgangskästen sind in der Regel so konzipiert, dass eine Einheit gleich mehrere Outlets für den Anschluss von Schrank-PDUs bietet, die entsprechend auch gleichzeitig mehrere Racks mit Strom versorgt. Auf diese Weise können, etwa in dicht bestückten Test- oder Demo-Umgebungen, einerseits die Racks mit Ampere-Raten von 16, 20, 32 oder 63 gespeist, andererseits im gleichen Zuge aber auch 230-VAC-Geräte mit Energie beschickt werden. Damit die Stromverteilung nicht nur flexibel und variabel, sondern auch geschützt erfolgen kann, verfügen die Abgangskästen in der Regel über Stromunterbrecher und eine mehrfache physische Sicherung. Eine gerade im Mission-Critical-Sektor obligatorische Redundanz bei der gesamten Power-­Distribution-Infrastruktur lässt sich einfach durch ein zur Hauptschiene ­parallel geführtes, zweites Schienensystem aufbauen.

Kosten und Wirtschaftlichkeit

Bei einer Kostenbetrachtung beider Stromverteilungssysteme punkten zunächst die Kabel-Paneel-Lösungen im Hinblick auf die reinen Materialkosten bei einer Erstinstallation. Denn, ganz profan gesagt, Kabel sind naturgemäss günstiger als Aluminiumprofile. Diesen Vorsprung holen die Schienensysteme wieder auf und ziehen an den Kabel-Paneelen vorbei, sobald die Kosten für die Einrichtung einer Strominfrastruktur inklusive der Abzweigungen für die Schrank-PDUs und deren Betrieb und Wartung für die Dauer von einem Jahr mit ins Kalkül gezogen werden: Je nach Grösse und Komplexität der Stromverteilung fallen bei Schienensystemen zwischen 30 und 50 Prozent weniger Installations- und Wartungskosten als bei konventionellen Kabellösungen an. Sukzessive ausgebaut wird der Kostenvorteil der Schienenlösungen zudem bei jeder vorgenommenen Erweiterung. Aufgrund dieser Einsparpotenziale ergibt sich mittel- bis langfristig ein geschätzter TCO-(Total Cost of Ownership-) Vorteil von 20 bis 30 Prozent gegenüber Kabelsystemen. Dieser Vorteil kann noch höher ausfallen, wenn die hohe Lebensdauer und Wiederverwendbarkeit der Schienensysteme mit einberechnet werden – und sekundäre positive Kosteneffekte, die beispielsweise durch den Wegfall von meterdicken Kabelbäumen im Doppelboden und einer damit einhergehenden Optimierung des Kühlluftstroms und Kaltluftdrucks sowie letztendlichen Erhöhung der Kühlungs­effizienz insgesamt entstehen.

Fazit

Die Stromverteilung im Rechenzentrum per Schiene stellt heute nicht nur eine echte Alternative zu kabelbasierten Systemen dar, sondern hat sich aufgrund der dargelegten technologischen und funk­tionalen Vorteile zu einer Lösung der ersten Wahl entwickelt. Und der besondere Clou ist: Der Wert und die Effizienz einer Schienenstromverteilung lassen sich durch eine ergänzende Lösung für das Energie-Monitoring noch weiter steigern. Von Anfang an in Abgangskästen oder Endeinspeisungen eines Stromschienenverteilers integriert oder auch nachgerüstet, erfassen funkbasierte Messmodule auf der räumlichen Verteilungsebene vitale Stromwerte, wie etwa Volt, Ampere, Watt, Stromverbrauch, Frequenz, Leistungsfaktor, Scheinleistung oder Verbrauchsspitzen, und stellen diese RZ- oder Facility-Experten per lokalem Display, über eine dedizierte Benutzerschnittstelle oder die DCIM- oder BMS-Anwendung von Drittanbietern zur Verfügung. So lässt sich der Strom über die Schiene nicht nur sicher und zuverlässig distribuieren, sondern gleichzeitig haben RZ-Profis das nötige Werkzeug an der Hand, um Lasten optimal zu verteilen, Verbräuche effizienter zu gestalten, Energie einzusparen und ihr Rechenzentrum vor strombedingten Systemausfällen zu schützen.

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