Junge Mitarbeitende sind eher korrupt
Obwohl Fortschritte bei der Bekämpfung von Korruption und Betrug zu verzeichnen sind: Im Durchschnitt aller 41 untersuchten Länder gehen 51% der befragten Mitarbeitenden davon aus, dass in ihrem Land bestochen und betrogen wird, wenn Geschäfte getätigt werden. Dieser Wert bleibt im Vergleich zu der letzten Befragung 2015 unverändert. An der Spitze stehen Länder wie Ukraine oder Griechenland, am besten schneidet erneut Skandinavien ab.
Viele der befragten Mitarbeitenden aller Hierarchiestufen sind bereit, für ihre Karriere und zum vermeintlichen Wohl des Unternehmens zu unlauteren Mitteln zu greifen. Dies geht aus einer Studie des Beratungsunternehmens EY hervor. So sagen 21% von sich, dass sie für das eigene berufliche Fortkommen und eine höhere Bezahlung unethisch handeln würden, in Westeuropa sind es 14%. 5% aller Befragten können sich vorstellen, der Unternehmensführung Falschinformationen zu geben, um ihre eigene Karriere oder Bezahlung zu verbessern, in Westeuropa liegt dieser Anteil bei 4%. 10% aller Befragten würden absichtlich die Finanzzahlen falsch darstellen, um vorgegebene Ziele zu erreichen (Westeuropa 6%). Zu Bargeldzahlungen, um Aufträge zu erhalten, würden sich insgesamt 17% (Westeuropa 10%) der Befragten hinreissen lassen.
Misstrauen weit verbreitet
Ist das Unternehmen in grosser Gefahr, verlieren viele Manager ihre Hemmungen: 77% der Führungskräfte würden dann unethisches Verhalten rechtfertigen. Einer von fünf würde sogar das Geschäftsergebnis fälschen, wenn die Firma dadurch fortbestehen kann. Und eine von drei würde Bargeldzahlungen rechtfertigen, um Geschäfte zu gewinnen oder zu halten.
Michael Faske, Leiter Fraud Investigation & Dispute Services bei EY, kommentiert die Ergebnisse: «Die Diesel-Affäre, der Libor-Skandal, illegale Preisabsprachen oder absichtlich falsch deklariertes Fleisch; Compliance-Verstösse sorgen immer wieder für Schlagzeilen. Die Ergebnisse unserer Umfrage zeigen, dass unethisches Verhalten und hohes Misstrauen unter Kolleginnen und Kollegen typisch sind für die heutige Belegschaft von Grossunternehmen. Das gilt insbesondere für Führungskräfte und die jüngste Generation. Die Anforderungen der Regulierungsbehörden sind in der Vergangenheit zwar stetig gewachsen und auch die Unternehmen selbst haben sich strenge Compliance-Regeln gegeben. In der Wahrnehmung innerhalb der Unternehmen und auch nach aussen ändern diese Regeln jedoch nichts, wenn sie von einzelnen Mitarbeitern oder sogar von der Geschäftsführung umgangen werden.»
Schmiergeld: Junge sind eher bereit
Junge Berufstätige bevorzugen kooperative Arbeit, halten sich nicht mit Details auf, achten auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance und legen offenbar auch viel öfters unethisches Verhalten an den Tag: Innerhalb der 25-34-Jährigen ist ein viel höherer Anteil als in allen anderen Altersgruppen bereit, unethisches Verhalten zu rechtfertigen, um das Unternehmen zu retten oder ihrer Karriere Aufschub zu verleihen. Einer von vier der jungen Befragten rechtfertigt das Anbieten von Schmiergeldern, um einen neuen Auftrag zu gewinnen oder bestehende weiterzuführen. Von den über 45-Jährigen würde nur einer von zehn so handeln.
Neben der höheren Bestechungsbereitschaft hat die junge Generation auch wenig Vertrauen in ihre Kolleginnen und Kollegen. Sie glauben stärker als alle anderen Altersgruppen, dass sich diese für einen rascheren Karrierefortschritt oder mehr Lohn unethisch verhalten würden. Und über zwei Drittel der jungen Mitarbeitenden sind auch der Meinung, ihr Management würde unethisches Verhalten an den Tag legen, damit das Unternehmen fortbestehen kann.
Unternehmen und Ausbildner gefordert
«Die Resultate sind besorgniserregend. Diese jungen Menschen sind die Chefs von morgen. Werden keine Massnahmen ergriffen, um hohe ethische Standards zu setzen und problematische Verhaltensweisen auf allen Ebenen anzusprechen, wird unethisches Verhalten in Zukunft noch zunehmen. Unternehmen brauchen Programme, um sämtliche Angestellten zu motivieren, richtig zu handeln. Gräben zwischen den Generationen müssen erkannt und überwunden werden. Wichtig sind auch Schulungen und eine gezielte Sensibilisierung, um Mitarbeitende mit Bedenken zu ermutigen, sich zu melden. Aber auch Universitäten und Lehrbetriebe sind gefordert, in der Ausbildung auf diese Resultate zu reagieren», so Faske.
Die vorhandenen Präventionsprogramme bei den Firmen scheinen nicht wie gewünscht zu wirken: Zwischen den Hierarchiestufen besteht ein markanter Unterschied in der Einschätzung, darüber, ob Präventionsprogramme wirken. Fast die Hälfte der Führungskräfte glauben, dass die Bedeutung ethischer Standards in den vergangen zwei Jahren häufig kommuniziert wurde. Allerding sind nur 32% der Mitarbeitenden dieser Meinung.
Befragte unterstützen Bestrafung der Verantwortlichen
Das Geschäftsgebaren der grossen internationalen Unternehmen wird intensiver überprüft denn je. Die Öffentlichkeit fordert immer stärker, dass Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden. An der Spitze dieser Entwicklung stehen dabei die G20-Staaten, die OECD und die Weltbank. International vernetzte Regulierungsbehörden leisten das ihre dazu.
Die Mehrheit der Befragten scheint mit diesem Vorgehen zufrieden zu sein. So unterstützen 77%, dass Führungskräfte spezifisch für Fehlverhalten zur Rechenschaft gezogen werden können. Die Studie zeigt auch, dass 28% der Befragten – 8 Prozentpunkte mehr als 2015 – der Ansicht sind, dass Vorschriften positive Auswirkungen auf ethische Standards in ihrem Unternehmen haben. Dies gilt vor allem für die aufstrebenden Märkte.
Whistleblowing nicht wirkungsvoll verankert
Mitarbeitende wissen oft nicht, wo sie auf eine verdächtige Person hinweisen können oder zögern, Meldung zu erstatten. Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, bezüglich unethischen Verhaltens in ihrem Unternehmen besorgt zu sein. Fast die Hälfte der Befragten hat deswegen sogar eine Kündigung in Erwägung gezogen.
Whistleblowing ist allerdings nicht wirkungsvoll verankert: Nur 21% aller Befragten wissen, wie sie die Hotline ihres Unternehmens erreichen können. Hingegen gaben 73% an, gegebenenfalls einer Drittpartei wie einem Regulator oder einer anderen Behörde Informationen zukommen zu lassen, statt mögliche Verstösse zuerst intern zu melden und damit dem eigenen Unternehmen öffentliche Kritik und einen Vertrauensverlust zu ersparen.
Technologie nutzen im Kampf gegen Korruption
«Unternehmen müssen neue Technologien nutzen, um interne und externe Bedrohungen durch Betrug und Korruption zu identifizieren und abzuwehren. Bedrohungen durch Insider sind schwierig zu erkennen, ohne verschiedene Daten zu sammeln und zu analysieren. Unternehmen können auf Verhaltensmuster von Mitarbeitenden mit Risikopotenzial achten. Das sind etwa Unregelmässigkeiten bei Arbeitszeiten, versuchte Zugriffe auf eingeschränkte Arbeitsbereiche oder die Verwendung von unautorisierten externen Speichergeräten. Zudem sollen auch digitale Technologien zur Erkennung und Verringerung von Betrug und Korruption genutzt werden», führt Michael Faske weiter aus.
Die Studie zeigt hierbei aber Zielkonflikte zwischen Persönlichkeitsschutz und Sicherheitsbedürfnissen auf: 75% der Befragten gaben an, dass ihr Unternehmen Datenquellen wie E-Mails oder Telefone überwachen sollte. Gleichzeitig betrachten 89% der Befragten eine Überwachung dieser Datenquellen als Verletzung der Privatsphäre.
«Weltweit kehren viele Länder zum Protektionismus zurück, das Wachstum in einst hoffnungsvollen Schwellenländern bleibt unter den Erwartungen, militärische Konflikte bremsen viele Unternehmen und die Unsicherheit nimmt generell zu. Manche Manager sind dadurch offenbar versucht, zu unlauteren Mitteln zu greifen. Aber das ist eine sehr gefährliche und keinesfalls nachhaltige Strategie. Verstösse können für Unternehmen existenzbedrohende finanzielle Folgen haben und die Reputation nachhaltig schädigen. Das Ziel eines modernen und langfristig erfolgreichen Unternehmens muss es im Gegenteil sein, Vertrauen aufzubauen und langfristig in loyale Mitarbeitende und stabile Kundenbeziehungen zu investieren», sagt Michael Faske abschliessend zu den Studienergebnissen.
Über die Studie
Zwischen November 2016 und Januar 2017 wurden insgesamt 4’100 Interviews mit Mitarbeitenden in 41 Ländern in Westeuropa (1‘500, davon 100 in der Schweiz), Osteuropa (1‘700), dem Nahen Osten (500), Indien (100) und Afrika (300) durchgeführt. Eine Auswahl der grössten Unternehmen in jedem Land wurde dabei berücksichtigt. Zu den befragten Mitarbeitenden gehörten oberste Führungskräfte, das mittlere Kader sowie weitere Mitarbeitende. Die Interviews wurden anonym in der lokalen Sprache durchgeführt.
Quelle: EY Schweiz