Betrug, Bestechung usw. – eine Studie
Betrug und Korruption, Kenntnisse über Compliance-Regeln – wie sieht es damit aus? Eine Befragung unter Führungskräften.

Gemäss dem alle zwei Jahre international ausgelegten Fraud-Survey der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY) geben nur 6% der befragten Unternehmen in der Schweiz an, in einen entsprechenden Fall verwickelt gewesen zu sein. Im internationalen Vergleich liegt dieser Wert deutlich unter dem Durchschnitt von 11% der Unternehmen mit gemeldeten Fällen. Die Liste wird angeführt von den Ländern Ukraine (36%), Kenia (26%), Belgien (20%), Russland (20%), Dänemark (18%) und Deutschland (18%).
Noch tiefer als die gemeldeten Betrugs- und Korruptionsfälle ist mit 2% der Anteil der befragten Unternehmen in der Schweiz, die Bestechung und Korruption als in der Schweiz weit verbreitet einschätzen. Nur in Deutschland ist der Anteil genau so niedrig, wobei da die Realität etwas anders aussieht. In Ländern wie Brasilien (96%), Kolumbien (94%) oder Nigeria (90%) sind korrupte Methoden nach Meinung der dortigen Manager dagegen an der Tagesordnung. Im weltweiten Durchschnitt liegt der Anteil bei 38%.
Einladungen und persönliche Geschenke vielerorts akzeptiert
Lediglich 4% der Befragten aus der Schweiz würden Zahlungen von Bestechungsgeldern zur Abwendung von wirtschaftlichem Abschwung billigen. Eher gutheissen würden Schweizer Unternehmen die Abgabe von persönlichen Geschenken (6%) oder die Unterhaltung von Kunden, Vermittlern oder Geschäftspartnern mittels Einladungen oder Ähnlichem, was in immerhin 16% der Unternehmen akzeptiert wird.
Die befragten Schweizer Unternehmen sehen Betrug und Korruption als kaum relevantes Problem für ihren zukünftigen Geschäftserfolg. Mit ebenfalls nur 6% Nennungen liegt die Schweiz auf dem letzten Platz der an der Studie beteiligten Länder. Die Schweizer Manager sehen die Gefahren viel stärker im Bereich Cyber-Risiken (50%), im komplexen und wachsenden regulatorischen Umfeld (46%) sowie in geopolitischen Risiken (28%).
Mangelnde Kenntnisse von internationalen Compliance-Regulierungen
Die Schweizer Unternehmen sind offenbar nicht sehr gut informiert über neue, international geltende Gesetze. Bezüglich der neuen EU-Datenschutzgesetzgebung geben lediglich 42% der befragten Unternehmen an, diese im Detail zu kennen. Das ist nur knapp über dem internationalen Durchschnitt von 40%. Selbst Unternehmen in nicht EU-Ländern wie Mexiko oder Nigeria geben sich in diesem Punkt mit je 50% als besser informiert aus. Noch schlechter kennen sich die Schweizer Unternehmen mit dem «United States Department of Justice’s 2017 Guidance Document on the Evaluation of Corporate Compliance Programs» aus. Nur gerade 10% geben an, dieses zu kennen und zu verstehen.
Compliance-Regeln entfalten Wirkung
„Die vergleichsweise tiefe Zahl von entdeckten Betrugsfällen in der Schweiz ist unter anderem ein Indiz dafür, dass die in den letzten Jahren eingeführten Compliance-Regeln ihre Wirkung entfalten konnten“, kommentiert Michael Faske, Leiter Fraud Investigation & Dispute Services bei EY, die Ergebnisse. „Zudem herrscht in der Schweiz ein hoher Grad an Sensibilität für Transparenz und Compliance“, so Faske weiter. Gleichzeitig würden auftretende Fälle mit einer hohen Zuverlässigkeit auch gemeldet und erfasst. In Ländern, in denen überwiegend der Zufall bei der Entdeckung von Betrugs- und Korruptionsfällen massgebend sei, liege die Dunkelziffer von Compliance-Fällen bedeutend höher als in Ländern mit einer stärker ausgeprägten Compliance-Kultur.
Dennoch gebe es auch für Schweizer Unternehmen keinen Grund, sich zurückzulehnen: „Der Kampf gegen Betrug und Korruption muss auch in der Schweiz fortlaufend geführt und Teil der Firmenkultur werden – auch wenn die Quote tief ist. Mitarbeiter müssen regelmässig geschult und sensibilisiert werden. Und das Management muss eine Null-Toleranz-Politik vorleben“, mahnt Faske. Dies sei gerade auch wichtig in Bezug auf die Sorgfaltspflicht bei Drittparteien, da die Firmen oftmals global aufgestellt oder zumindest vernetzt sind. Faske ist erstaunt darüber, dass 26% der Firmen keine klaren Sorgfaltspflichtsregeln zugeschnitten auf Land, Industrie und Service haben.
Jüngere eher zu unethischem Verhalten bereit
Dass ein ethisches und mit Recht und Gesetz zu vereinbarendes Geschäftsgebaren keine Selbstverständlichkeit ist, zeigt insbesondere die höhere Bereitschaft der jüngeren Generation zu unethischem Verhalten: Jeder fünfte Befragte unter 35 Jahren weltweit würde Geldzahlungen leisten, um das Unternehmen über einen Wirtschaftsabschwung zu retten. Unter den Managern über 35 Jahren sagt das nur jeder Achte. Ein Grund für dieses Ergebnis liegt womöglich in den anspruchsvollen Zielerreichungsvorgaben, denen junge Manager in ihren Betrieben ausgesetzt sind, und diese oft mit unlauteren Mitteln zu erreichen versuchen.
Nicht alle CH-Firmen verfügen über klare Strafen
Die Schweiz hinkt im internationalen Vergleich – trotz der hohen Aufdeckungsquote – noch bei der Ahndung von Verstössen hinterher: Nur bei sechs von zehn Unternehmen gibt es klare Strafen bei einem Verstoss gegen die unternehmenseigene Compliance-Politik. International ahnden knapp acht von zehn Unternehmen derartige Verstösse.
So wurden in den vergangenen zwei Jahren in lediglich 34% der Schweizer Unternehmen Mitarbeiter, die sich nicht an die Compliance-Regeln hielten, bestraft. Weltweit ist der Anteil mit 57% deutlich höher. Besonders kompromisslos zeigten sich die japanischen und US-amerikanischen Unternehmen, von denen 80 beziehungsweise 76% Mitarbeiter mit konkreten Konsequenzen zur Rechenschaft zogen.
„Die Unternehmenskultur fördert ehrliches Geschäftsgebaren. Doch es braucht auch die andere Seite: Eine klare Verfolgung, falls es zu Verstössen kommt. Daran lässt sich erst erkennen, wie ernst es die Geschäftsführung mit der Compliance nimmt. Unternehmen sollten sich hier klare Regeln geben und auch strikt auf deren Umsetzung achten“, so Faske abschliessend.
Für die EY-Studie wurden über 2550 Führungskräfte (CEO, CFO, Leiter der Revision, der Rechtsabteilung und des Compliance-Managements usw.) aus 55 Ländern befragt; davon 50 aus der Schweiz.