Reputation und Image schützen

Werte wie Reputation und Image sind wichtig für Unternehmen, denn fehlendes Vertrauen in Produkte und Organisationen schlägt sich rasch in den Verkaufszahlen nieder – könnte man zumindest meinen. Aufgrund dieser Ausgangslage sollte man annehmen, dass Firmen alles daransetzen, um ihre Reputation zu schützen – eine Art Versicherung in Form eines Krisenmanagements aufbauen und betreiben. Doch weit gefehlt: Viele Unternehmen sind kaum oder gar nicht auf Krisen vorbereitet.

Krisenmanagement, Krisenkommunikation
© depositphotos, nasirkhan

 

Krisen lassen sich nicht planen, die Massnahmen zur Vorbereitung jedoch schon. Es lohnt sich also, sich in «Friedenszeiten» die nötige Zeit zu nehmen, um ein Krisenmanagement aufzubauen. In der Krise ist es gerade der Faktor Zeit, der fehlt. Wer dann nicht vorbereitet ist, wird sehr schnell überrollt und zum Spielball der Medien.

Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht über neue Unternehmenskrisen berichtet wird. Ob der Dieselskandal bei VW, der Subventionsmissbrauch bei der Postauto AG oder die Affäre des ehemaligen CEO der Raiffeisen Bank, Pierin Vincenz. Dabei überrascht, dass scheinbar auch grössere Unternehmen weitgehend auf die Anwendung präventiver Massnahmen des Krisenmanagements verzichten. Gemäss einer Studie von Deloitte sind gerade einmal 37 Prozent bereit, Investitionen und Entwicklungen im Rahmen von Krisenmanagementprozessen und -fähigkeiten zu planen und umzusetzen.

Ob Fehlverhalten von Managern, Firmenübernahme oder Produktrückruf: Heute stehen Organisationen schnell am medialen Pranger. L-F. Carrel schrieb 2013 in seinem Beitrag «Herausforderung Komplexität» für die Fachzeitschrift «Herausforderung Komplexität in Qualität und Management»: «Die neue Normalität unserer Gesellschaft wird durch Krisenpermanenz geprägt, business asusual ist Vergangenheit. Fazit: Das Management muss der Führung in Krisen den ihr gebührenden Stellenwert beimessen. Durch Turbulenzen navigieren Unternehmen nur mit Erfolg, wenn Leadership in Krisen und deren Vorbereitung als Chefsache wahrgenommen wird. Im Mittelpunkt von Krisen stehen Menschen, die entweder erfolgreich entscheiden oder handeln – oder aber überfordert, verzweifelt, hoffnungslos übermüdet sind und schliesslich versagen. Deshalb geht es in Krisen nicht allein um die Führungsprozesse und -methoden, sondern zusätzlich immer auch um Führung mit Vision und Werten.»

Signale erkennen

Krisen entstehen meist nicht kurzfristig, sondern kündigen sich bereits im Vorfeld an. Diese Signale gilt es frühzeitig zu erfassen, um rechtzeitig und konsequent gegensteuern zu können. Hierzu stehen unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung, wie etwa ein Monitoring verschiedener Kanäle.

Viele Beispiele aus der aktuellen Wirtschaftspraxis zeigen, dass auch im Bereich des reaktiven Krisenmanagements Schwächen bestehen und das Management oftmals zögert, die erforderlichen Gegenmassnahmen umzusetzen. Die grossen Krisen haben wir alle auf dem Radar: Dieselskandal, Flugzeugabsturz, Rücktritte. Bei kleineren und mittleren Betrieben spricht man bereits schon früher von Krisen, wenn es beispielsweise «knallt und raucht»: Seien dies Brände oder Produktrückrufe, die ein KMU blitzartig ins Scheinwerferlicht einer breiten Öffentlichkeit rücken. Die Folge: Mitarbeitende bangen um ihre Jobs, Kunden um ihre Lieferungen. Neben den klassischen Ereignissen sind es heute immer stärker die «weichen» Themen, wie Compliance oder Shitstorms, die einer Organisation ohne Krisenmanagement klare Grenzen aufzeigen. Dazu gehören heutzutage immer mehr auch sogenannte Cyberattacken.

Digitalisierung als Beschleuniger der Krisenkommunikation

Unternehmen rücken heute dank der Digitalisierung und der Möglichkeit uneingeschränkter Interaktion immer schneller ins Rampenlicht der Öffentlichkeit. Der Trend hin zu einer transparenten Gesellschaft lassen ein Unternehmen als Fisch im Aquarium erscheinen. Es kann kaum mehr etwas verheimlicht werden.

Komprimiert man die Veränderung der heutigen Digitalisierung in Bezug auf die Kommunikation in drei Schlagworten, sind es: Interaktion, Transparenz und Geschwindigkeit. Der sich abzeichnende Trend hin zur totalen Interaktion, also von der einseitigen unternehmenskontrollierten Botschaft hin zum öffentlichen, individuellen Mitmachdialog, hat zugenommen. Was früher den Journalisten vorbehalten war, ist heute dank der Digitalisierung einer breiten Öffentlichkeit möglich. Jeder kann als Autor auftreten.

In einer zunehmend interaktiven Gesellschaft hat also der Bedarf an Kommunikation eines Unternehmens mit seinem Umfeld massiv zugenommen. Kunden, Lieferanten oder Behörden wollen umgehend und in Echtzeit informiert werden. Dies verlangt von der Unternehmenskommunikation eine schnelle Reaktion. Was benötigt wird, ist der kontinuierliche Dialog. Dies gilt nicht nur in der Alltagskommunikation, sondern auch für die Krisenkommunikation.

Steigende Ansprüche der Stakeholder, zunehmender Kostendruck und eine stetig wachsende Dynamik und Komplexität des Umfelds: Unternehmensentscheider stehen heute vor der Herausforderung immer komplexerer Situationen, in denen sie mit ihrem Sach- und Fachwissen oder einfachen Standardlösungen an ihre Grenzen stossen. Der öffentliche Druck auf das Unternehmen steigt zusehends. Nicht nur die Medienlandschaft, sondern auch die Unternehmen haben sich verändert. Die Globalisierung und die modernen Technologien verstärken die Komplexität und die Unternehmensrisiken. Sie sind zwar operativ – in ihrem Kerngeschäft – professionell unterwegs, scheitern jedoch in der Krisenprävention. Trotz Omnipräsenz von Krisen in den Medien werden kaum Massnahmen zur Prävention getroffen.

Risikomanagement als Grundlage

Gemäss Theorie wird das Krisenmanagement «als besondere Form der Führung in ausserordentlichen Situationen bezeichnet. Aufgabe sind all jene Prozesse im Unternehmen zur Vermeidung (Krisenvermeidung) oder zur Bewältigung (Krisenbewältigung), die ansonsten in der Lage wären, den Fortbestand des Unternehmens substanziell zu gefährden oder sogar unmöglich zu machen».

Das Krisenmanagement ist ein Werkzeug des Risiko- und Business Continuity Management. Dies soll einem Unternehmen oder einer Organisation helfen, um in einer Krise die Organisation mit möglichst geringem Schaden in den Normalzustand zurückzuführen. Grundlage dafür ist die Definition von potenziellen Risiken, die zu einer Krise führen und Reputationsschaden oder vielmehr existenzielle Auswirkungen haben können. Die Grundlage zur Evaluation von Risiken und potenziellen Krisen bildet das Risikomanagement. Dieses beinhaltet die Erfassung, die klare Zuordnung von Verantwortlichkeiten und die möglichen Massnahmen zur Verhinderung oder zum Monitoring von potenziellen Risiken.

Fehler im Krisenmanagement

Unternehmen können beim Krisenmanagement jedoch vieles falsch machen. Einer der weit verbreiteten Fehler: keine Prävention betreiben. Es sollte nicht sein, dass Organisationen sich zum ersten Mal mit der Krise auseinandersetzen, wenn diese eingetreten ist. Dabei kann ein professionelles Instrumentarium, das frühzeitig potenzielle Krisen erkennt, eine Eskalation verhindern. Weitere Fehler in der Krise sind sich verstecken, leugnen oder die Emotionen der Betroffenen ignorieren.

Krisenkommunikation

Dieses Verhalten erzielt genau den gegenteiligen Effekt: Die Kommunikationskrise spitzt sich zu. Zur Deeskalation braucht es eine zeitnahe, transparente und umfassende Information der Öffentlichkeit, die auf die Gefühle der Menschen eingeht.

Oft zieht die eigentliche Krise eine zweite nach sich, welche einen weit grösseren Schaden anrichtet als die Krise, nämlich die Kommunikationskrise. Vor allem aufgrund der Wirkung der Medien entsteht ein immenser Reputationsschaden. Oftmals ist eine investigative Medienberichterstattung gar die eigentliche Ursache einer Krise. Diese Form des Journalismus setzt die Themenschwerpunkte auf Ereignisse, die in der Öffentlichkeit als skandalträchtige Vorgänge aus Politik oder Wirtschaft angesehen werden. Vertrauen und Glaubwürdigkeit werden zerstört, das jahrelang aufwendig aufgebaute Image innert Kürze vernichtet. Zahlreiche KMU und andere Organisationen haben dies bereits schmerzhaft erfahren müssen. Dies kann bis zur Insolvenz führen, wie das Beispiel des Fleischverarbeiters Carna Grischa gezeigt hat. Der Fleischhändler hatte damals tiefgefrorenes Fleisch als frisch deklariert und billiges Pferd als teures Rind an Kantinen und Restaurants in der halben Schweiz geliefert. Lange Zeit wurden Informationen durch die Geschäftsleitung zurückgehalten, die Krise verneint und keine Massnahmen zur Behebung der Krise aufgezeigt. Dies führte dazu, dass Kunden ausblieben und die Unternehmung schliesslich Konkurs ging.

Handbuch reicht nicht aus

Es reicht nicht aus ein Handbuch zu erstellen, um gut auf eine Krise vorbereitet zu sein. Neben Schulungen ist das Thema Übung ein relevanter Bestandteil in der Prävention. Krisenstabsmitglieder müssen ihre Rolle, ihre Funktion und die Prozesse kennen und darin beübt werden.

Die Übung erlaubt zudem die Zusammenarbeit innerhalb des Krisenstabs zu trainieren. Im «Normalzustand» arbeiten die für den Krisenstab tätigen Mitglieder oft nicht zusammen und müssen sich in einer Krise erstmals finden. Erfahrungsgemäss scheitern gerade diejenigen Krisenstäbe in einer akuten Krise, die auf unklaren Strukturen aufgebaut sind. Dazu gehören insbesondere zuvor nicht definierte Rollen, Abläufe und Befugnisse. Zum Teil sind Positionen auch gar nicht oder personell ungünstig besetzt. Beides schadet der Krisenstabsarbeit enorm. Jegliches Defizit in diesem Bereich kann aber dazu führen, dass sich die Krise verschärft oder vielmehr nicht im Unternehmenssinn gelöst werden kann. Dies ist verbunden mit allen juristischen und existenziellen Folgen für die Firma.

Krisenkommunikation als Teil des Krisenmanagements

Eine Krise kann viele Gesichter haben – generell versteht man darunter die Situationen, in denen ein Brand Gefahr läuft, kurz- oder langfristigen Schaden davonzutragen. Das Ziel der Krisenkommunikation ist es, die negativen Auswirkungen so gering wie möglich zu halten und das Vertrauen von internen und externen Stakeholdern aufrechtzuerhalten.

Am Frühwarnsystem sparen, den Kopf in den Sand stecken und nicht auf die Ängste der Menschen eingehen – diese und andere Fehler sollten Kommunikationsmanager unbedingt vermeiden, wenn eine Organisation in eine Krisensituation gerät. In einer solchen Situation kann jedoch «Nichtstun» fahrlässig sein und gefährlich werden. Aussagen wie «kein Kommentar» sind heutzutage nicht mehr adäquat und führen dazu, dass von den Medien externe Fachexperten gesucht werden, die keinen Bezug zur Unternehmung und unter Umständen gar keine inhaltlichen Fachkenntnisse haben, aber trotzdem zum Thema Auskunft geben.

Ebenso gefährlich ist aber kopfloses, voreiliges Kommunizieren ohne Abstimmung mit dem Krisenmanagement. Blinder Aktivismus oder Kurzschlusshandlungen machen die Krise noch schlimmer. Eigentlich ist es nicht schwierig – das Überleben in der Kommunikationskrise.

Doch es gibt genug Involvierte einer Unternehmung, die durch ihr Verhalten die Krise erst entzünden oder anfeuern. Sei es, dass sie die Krisengefahr nicht ernst nehmen, falsch reagieren oder nicht alle Optionen der Krisenkommunikation rechtzeitig ergreifen.

Rasche Reaktion

Die erste Reaktion im Krisenfall ist entscheidend. Keine Reaktion impliziert oft Schuld und löst dementsprechend Verwirrung, Unverständnis oder gar Wut aus, sowohl intern wie auch extern. Schweigen fördert die Verbreitung von Gerüchten, die sich gerade im Zeitalter von sozialen und Online-Medien blitzschnell selbständig machen können.

Selbstverständlich ist es aber im Interesse des betroffenen Unternehmens, die Fakten zu kennen, bevor kommuniziert wird. Als erste Reaktion bietet es sich darum im Ernstfall an, die Öffentlichkeit und die Mitarbeitenden darüber zu informieren, was geschehen ist und welche nächsten Schritte getätigt werden.

Oftmals wird der Einfluss der Mitarbeitenden unterschätzt. Sie sollen im Ereignisfall vor den externen Anspruchgruppen informiert werden. Gut informierte Mitarbeitende dienen als Multiplikatoren für ein Unternehmen. Gerade in unruhigen Zeiten setzen sich gut informierte und dem Unternehmen wohlgesinnte Mitarbeitende in ihrem Umfeld für die Organisation ein.

Am allerwichtigsten ist aber, dass das Management erkennt, dass das Thema Krisenmanagement aufgrund steigender Komplexität in verschiedensten Bereichen an Wichtigkeit gewinnen wird und daher dringend umgesetzt werden sollte. Denn eine Krise kann jeden treffen.

* Patrick Suppiger ist Präsident des Schweizer Verbandes für Krisenkommunikation (VKK) und Experte für Krisenmanagement an der Hochschule Luzern

 

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