Achtung Stromschlag

Elektrizität ist unsichtbar und geruchlos, ihre Risiken sind wenig augenfällig. Das macht sie so gefährlich. Doch was geschieht eigentlich im Körper, wenn eine Person einen Stromschlag erleidet?

Elektrizität
Elektrounfälle sind nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, auch ein leichter bis mittelschwerer Unfall kann Herzfrequenz­störungen verursachen.

Rund 100’000 Vollbeschäftigte arbeiten in der Schweiz im Umfeld elektrischer Anlagen. Sie tun das als Mitarbeitende von Elektrizitäts-, Elektroinstallations- und Elektrokontrollunternehmen, als Betriebselektriker in Industrie und Gewerbe sowie als Ausbildner in Schulen und Betrieben. Sie wissen: Strom ist sehr gefährlich, denn er ist unsichtbar, geräusch- und geruchlos. Spüren wir ihn, ist es meist schon zu spät.

Das Risiko, bei einem Elektrounfall das Leben zu verlieren, ist 50 Mal höher als bei anderen Unfällen. Dennoch werden die «5 + 5 lebenswichtigen Regeln im Umgang mit Elektrizität» immer wieder nur halbherzig angewandt oder gar ignoriert – insbesondere beim Umgang mit Niederspannung. Die Folgen sind fatal: Jährlich werden dem Eidgenössischen Starkstrominspektorat (Esti) rund 500 Elektrounfälle gemeldet. Bei fast 99 Prozent handelt es sich um Berufsunfälle, neun von zehn geschehen im vermeintlich «harmlosen» Niederspannungsumfeld. Zwischen 2007 und 2016 wurden 450 Menschen bei Elektroberufsunfällen schwer verletzt. 18 verloren gar ihr Leben, davon 14 bei Niederspannungsunfällen!

Wann wird Strom gefährlich?

Die Schwere der Verletzungen bei einem Elektrounfall hängt von der Stromstärke und der Einwirkdauer ab. Die Stromstärke ergibt sich aus der Spannung und dem Übergangswiderstand. Letzterer wiederum hängt von der Art der Kontaktfläche (Kleidung, Hautdicke und -feuchtigkeit) und der Leitfähigkeit des Untergrunds (Gummisohlen, Parkett, feuchte Erde) ab. Deshalb ist eine elektrostatische Entladung des Teppichbodens trotz 30’000 Volt ungefährlich – weil die Energie winzig ist. Hingegen ist nur schon das Annähern an eine Hochspannungseinrichtung mit ebenfalls 30’000 Volt lebensgefährlich – da ein Spannungsüberschlag (Lichtbogen) und damit ein hoher Stromfluss drohen.

Abhängig von der individuellen Physiologie beträgt der menschliche Körperwiderstand 700 bis 1000 Ohm. Entsprechend genügen schon 50 Volt, um einen lebensgefährlichen Strom von 50 mA (Milliampere) fliessen zu lassen. Doch auch weitaus geringere Ströme ab 10 mA können tödlich sein. Denn ab dieser «Loslassgrenze» fesseln durch den Strom ausgelöste Muskelkrämpfe das Opfer an den Stromleiter. Die Einwirkdauer steigt und mit ihr die Schwere der Verletzungen.

Wann zum Arzt?

Besonders heimtückisch ist, dass die von Strom provozierten Schäden oft nicht unmittelbar spürbar sind. Strom kann den Elektrolythaushalt verschieben, wodurch die Impulsgebung des Herzens über Stunden hinweg immer instabiler wird – bis es stolpert, flimmert oder aussetzt. Deshalb muss jede Person, die einen Stromschlag erlitten hat, zwingend ins Spital oder zum Arzt gebracht werden – auch wenn es ihr vermeintlich gut geht. Klagt das Opfer nach dem Schlag über Herzrasen, Herzstolpern, Atemnot oder ein Krampfgefühl in der Brust, muss ohnehin umgehend der Rettungsdienst gerufen werden.

Hauptsächliche Unfallursache: Regeln verletzt

Hauptursächlich für Elektrounfälle ist in erster Linie das Missachten der «5 + 5 lebenswichtigen Regeln». Hinzu kommen fehlende Fachkenntnisse, Zeitnot, Ablenkung, Unklarheit über den Zustand einer Anlage sowie handwerkliches Unvermögen oder falsches Werkzeug. Laut Esti-Statistik hätte rund die Hälfte aller Unfälle durch konsequentes Einhalten der Sicherheitsregeln für spannungsfreies Arbeiten vermieden werden können. Die meisten Elektrounfälle im Niederspannungsbereich könnten durch Einbau von Schutzschaltern verhindert werden.

Vorgesetzte müssen ihre Führungsverantwortung wahrnehmen und konsequent durchsetzen, dass die «5 + 5 Regeln» ausnahmslos angewandt werden – ebenso in der Ausbildung von Ungelernten wie von routinierten Profis.

Was tun bei einem Elektrounfall?

  • Selbstschutz beachten. Das Opfer steht eventuell unter Strom.
  • Bei Niederspannung (je nachdem, was schneller und sicherer ist): Opfer mit nicht leitendem Gegenstand (z.B. Besenstiel, Holzlatte) vom Stromkreis entfernen und aus dem Gefahrenbereich bringen oder den Stromfluss unterbrechen (Netzstecker ziehen, Sicherung entfernen).
  • Bei Hochspannung: Abstand halten, Rettungsdienst rufen. Jede Annäherung ist lebensgefährlich, bis der Strom abgestellt wird.
  • Bei Bewusstlosigkeit, Schwindel, Brustschmerz oder Herzrasen: Rettungsdienst rufen.Atmung und Herzschlag prüfen. Bei Herz- oder Atemstillstand sofort und bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes Beatmung und Herzdruckmassage anwenden.
  • Bei Absenz der genannten Symptome: Eventuelle Verbrennungen kühlen und Spital aufsuchen.
  • Bei Folgeverletzungen (z. B. Brüche, Prellungen): Sofortmassnahmen ergreifen und Arzt aufsuchen

Nützlicher Ratgeber

Instruktionsfilm für Elektrofachkräfte

 

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