Achtung Selbstentzündung!

Es kommt nicht häufig vor, aber umso überraschender, und der Schaden kann beträchtlich sein: Materialien entzünden sich ganz von selbst. Was nach Horrorfilm oder esoterischer Spinnerei klingt, hat eine handfeste chemische Erklärung.

Bitte nicht zerknüllt liegen lassen – mit Pflanzenölen getränkte Tücher. Foto: Adobestock_1258660471

Dass ein Feuer von selbst entsteht – ohne Zündquelle und Energiezufuhr von aussen – ist die Ausnahme und erscheint daher zunächst unglaubwürdig. In esoterischen Kreisen kursierende Berichte von Menschen, die plötzlich in Flammen stehen, sogenannte spontane menschliche Selbstentzündungen, sind ein Mythos. Doch es gibt tatsächlich Stoffe und Lagergüter, die sich unter bestimmten Umständen spontan erhitzen, entzünden und ihre Umgebung in Brand setzen können.

Zu Schadensfällen durch unerwartete Selbstentzündungen kommt es auch und gerade in Betrieben und Unternehmen. Brennende Wäschetrockner in Restaurants und Kantinen oder brennende Heissmangeln in Wäschereien und Hotels belegen dies. Ebenso gelten Heustöcke oder Lager mit Holzhackschnitzeln als gefährdet. Auch in technischen Anlagen kann das Risiko einer Selbstentzündung bestehen. So wurde z. B. der Brand in einer industriellen Ölmühle auf die Selbstentzündung von Ölsaatkuchen zurückgeführt. Dieser beim Kaltpressen von Ölsaaten wie Raps, Lein oder Sonnenblumen anfallende Feststoffrückstand hatte sich in einem Selbsterwärmungsprozess aufgeheizt, die Wärme staute sich und das Feuer führte zur Verrussung der gesamten Anlage.

Oxidative Prozesse

Biologen und Chemiker ahnen anhand der genannten Beispiele bereits die typischen Ursachen für eine Selbstentzündung. Denn meist sind es – chemisch oder biologisch bedingte – oxidative Prozesse, die zu einer Erwärmung führen. Kann die Wärme am Entstehungsort nicht abgeführt werden, steigt die Temperatur immer weiter an. Wird die Zündtemperatur der betreffenden Substanz erreicht, fängt der Stoff Feuer.

Insbesondere bei folgenden Stoffgruppen besteht ein Risiko für Selbstentzündung:

  • Feststoffe mit grosser Oberfläche, d. h. in fein verteilter oder staubender Form, z. B. die Späne und Pulver vieler Metalle (Nickel, Kobalt, Eisen, Titan, Blei, Magnesium u. a.), wie sie etwa für 3D-Druckverfahren verwendet werden
  • mit Ölen oder Fetten getränkte Textilien wie Putzlappen, Wischtücher, Schwämme, Pinsel, Polierpads usw., auch stark fettverschmutzte Geschirr- und Putztücher aus der Gastronomie
  • Metallseifen (Salze von Fettsäuren), die als Trennmittel, Katalysatoren oder Bindemittel eingesetzt werden, z. B. zum Polymerisieren von Lacken, damit diese schneller trocknen
  • organische Materialien wie Heu, Holzspäne oder Holzpellets, die nicht ausreichend getrocknet sind

Das letzte Beispiel ist in der Landwirtschaft gefürchtet, wird aber von Laien oft noch unterschätzt. So sind z. B. Fälle bekannt, wo Schnittgut eines Rasenmähers eine in praller Sonne abgestellte Biotonne in Brand gesetzt hat.

Vorsicht bei ölverschmutzten Textilien

Als besonders heikel – weil weitverbreitet in privaten Haushalten wie in vielen Unternehmen – gelten pflanzliche Öle mit ungesättigten Fettsäuren, die z. B. beim Einölen von Gartenstühlen oder Holzfussböden beliebt sind. Die dabei, aber auch beim Reinigen von Küchengeräten, Pfannen, Fritteusen usw. anfallenden ölgetränkten textilen Stoffe neigen zur Selbsterwärmung. Bei Leinöl kann die Reaktion schon bei Zimmertemperatur starten. Andere Öle wie Rapsöl benötigen zunächst eine gewisse Aktivierungsenergie, z. B. durch das Erwärmen in einem Wäschetrockner. Am höchsten ist die Gefahr bei ungesättigten pflanzlichen Ölen mit niedrigem Flammpunkt. Der Chemiker erkennt die Selbstentzündungsneigung von Fetten und Ölen an ihrer Jodzahl, die den Gehalt an ungesättigten Verbindungen widerspiegelt.

Neben dieser biochemischen Voraussetzung nennt das Institut für Schadenverhütung der öffentlichen Versicherer zwei Randbedingungen für das Risiko einer Selbsterwärmung:

  • Die Öle oder Fette müssen auf einer grossen Oberfläche aufgebracht sein, so wie es nach einem Putzen und Abwischen oft der Fall ist.
  • Die Textilie muss so gut isoliert sein, dass die frei werdende Wärme nicht an die Umgebung abgeführt werden kann.

Gefährlich wird es daher immer dann, wenn ein ölgetränkter Lappen einfach zerknüllt und mit anderen (und womöglich brennbaren) Abfällen in einen geschlossenen Behälter gestopft wird. Bei hohem Verschmutzungsgrad können selbst nach einem Waschvorgang noch fetthaltige Reste an einem textilen Stoff haften. Wird das Tuch dann im Wäschetrockner erhitzt oder nur eng zusammengefaltet, kann unbemerkt der autoxidative Prozess beginnen. Entscheidend ist stets, dass die Wärme sich nicht stauen kann, daher muss gefährdetes Lagergut möglichst gut belüftet werden.

Wärmestaus vermeiden

Die gute Nachricht ist, dass einem Feuer durch Selbstentzündung textiler Stoffe mit vergleichsweise geringem Aufwand vorzubeugen ist. Für sämtliche mit Ölen oder Fetten verschmutzte Textilien, ob Wischlappen in der Gastronomie oder Putzwolle in Industrie und Handwerk, sollten klare Regeln gelten:

  • Nicht achtlos zusammengeknüllt herumliegen lassen.
  • An der Luft trocknen lassen, keinesfalls auf einem Heizkörper oder einer heissen Oberfläche, besser im Freien.
  • Alternativ vollständig in Wasser tauchen.
  • Stets in geschlossenen und unbrennbaren Gefässen entsorgen.

Frisch getrocknete Textilien mit dem Risiko fetthaltiger Restverschmutzungen sollten möglichst nicht noch warm oder heiss in dichten Packungen zusammengelegt werden, sondern zunächst abkühlen. Last, but not least, sollte selbstverständlich sein, dass niemals auch nur in Nähe geraucht werden darf, wenn ein Kollege mit Ölen, Lacken, Farben, Terpentin oder ähnlichen Substanzen arbeitet.

Autor 

Friedhelm Kring

Freier Journalist, spezialisiert auf Arbeitssicherheit

kring.de

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