Augmented Reality hilft beim Schutz vor Röntgenstrahlen
Forschende der Hochschule Luzern, des Luzerner Kantonsspitals und der Universität Luzern entwickeln innovative Augmented-Reality-Trainings, um medizinisches Fachpersonal besser vor Röntgenstrahlen zu schützen.
In einem Spital sind verschiedene medizinische Fachpersonen einem erhöhten Risiko durch Röntgenstrahlen ausgesetzt, unter anderem Radiologinnen und Radiologen. Deshalb erhalten sie eine spezielle Strahlenschutzausbildung. Wie diese mit interaktiven, digitalen Lehrtechniken angereichert werden könnte, erforschen derzeit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Luzerner Kantonsspitals (LUKS), des Departements Informatik der Hochschule Luzern (HSLU) sowie der Fakultät für Gesundheitswissenschaften und Medizin der Universität Luzern. Im Rahmen eines gemeinsamen Projekts entwickeln und testen sie Schulungen, die auf der Technologie Augmented Reality (AR) basieren – also der Projektion von digitalen Inhalten in die reale Welt. Dabei kommen spezielle AR-Brillen zum Einsatz. Durch diese kann man die simulierte Strahlenbelastung im Raum erstmals virtuell «sehen» und üben, sich noch besser davor zu schützen, wie die HSLU schreibt.
Ortsunabhängig, sicher und wiederholbar
«Die grösste Herausforderung im Strahlenschutz ist, dass man weder die Strahlung selbst noch die Effektivität des eigenen Schutzverhaltens im Arbeitsalltag wahrnehmen kann», erklärt Thiago Lima, Leitender Diagnostischer Medizinphysiker am LUKS. Er führt das Projekt im Rahmen seiner Habilitation an der Universität Luzern durch; zu einem Teil ist es durch das Forschungsstipendium der Schweizerische Gesellschaft für Strahlenbiologie und Medizinische Physik (SGSMP) finanziert. «AR ermöglicht es den strahlenexponierten Mitarbeitenden, wichtige Praktiken zu erlernen, um die berufsbedingten gesundheitlichen Risiken weiter zu verringern», so Lima. Auch für Tobias Kreienbühl, Projektverantwortlicher seitens HSLU, hat Augmented Reality in der medizinischen Ausbildung grosses Potenzial. «Ein wichtiger Vorteil ist die zeitliche und örtliche Unabhängigkeit der Technologie», führt er aus, «so ist man nicht auf speziell eingerichtete Räumlichkeiten für Schulungen angewiesen.» Mit AR lassen sich Lerninhalte realitätsnah und ohne Sicherheitsbedenken vermitteln, während Übungen noch dazu beliebig oft wiederholt werden können, wie es in der Medienmitteilung heisst.
Verschmelzung der realen und virtuellen Welt
Die im Projekt erarbeitete Trainingsmethode läuft wie folgt ab: Die medizinische Fachperson setzt die AR-Brille auf, welche mit Kameras und verschiedenen Sensoren ausgestattet ist. Auf ihr läuft eine an der HSLU entwickelte Applikation. Durch die durchsichtigen Gläser sieht man also sowohl die realen Objekte im Raum als auch virtuelle Überlagerungen. Zu letzteren gehören ein Röntgenapparat, ein Untersuchungstisch mit einem Patienten und ein Blei-Schutzschild. Wer die Brille trägt, kann mittels Bewegungen die Position des virtuellen Schutzschildes verändern. Solche Schutzschilder, welche Röntgenstrahlen abblocken, kommen bei echten Operationen ebenfalls zum Einsatz.
Strahlenbelastung auf Knopfdruck sichtbar
Im Training erhält man dann die Aufgabe, den virtuellen Schutzschild, sich selbst und einen real anwesenden Assistenten für eine bestimmte Operation bestmöglich zu platzieren. «Das heisst so, dass die Strahlenbelastung für beide Personen möglichst klein wäre», erklärt Tobias Kreienbühl. Der eigentliche Clou: Die AR-Brille kann auf Knopfdruck auch die – simulierte – Intensität der Strahlung an einer beliebigen Stelle im Raum anzeigen. Dies geschieht mithilfe eines virtuellen Farbverlaufs. Rot steht für eine hohe, blau für eine niedrige Belastung (vgl. Abb. unten). Damit wird visuell gut sichtbar, dass die Strahlung durch die Patientin oder den Patienten kugelförmig in den Raum abgestrahlt wird.
Alles im blauen Bereich?
Nachdem die Brillenträgerin oder der Brillenträger die vorgegebene Aufgabe ausgeführt hat, wird die Strahlungs-Simulation eingeblendet und das Resultat überprüft. Im Idealfall befinden sich alle Anwesenden im blauen Bereich. Verschiedene Durchläufe lassen sich austesten, Positionen korrigieren; auch der Schutzschild kann neu platziert werden. Der Farbverlauf passt sich in Echtzeit an, sodass die Auswirkung jeder Änderung unmittelbar sichtbar wird.
Die ersten Tests verliefen laut Mitteilung erfolgreich. Das Fazit: Die Methode ist umsetzbar und vielversprechend. Nun wird das Forschungsteam weitere Erfahrungen aus der Anwendung sammeln und die Applikation weiterentwickeln. «Unser Ziel ist es, die Wirksamkeit der Trainings gegenüber herkömmlichen Schulungen ohne Augmented Reality zu belegen», so Lima. Sollte dies gelingen, prüft das LUKS, wie Augmented Reality langfristig in die Strahlenschutzausbildung aufgenommen werden kann.
Das «Immersive Realities Center» der Hochschule Luzern
Das «Immersive Realities Center» der Hochschule Luzern ist am Departement Informatik angesiedelt und befasst sich intensiv mit immersiven Technologien – also jenen technologischen Ansätzen, die das Abtauchen in virtuelle Welten oder Umgebungen ermöglichen. Im integrierten Research Lab entwickeln Forschende Prototypen und Anwendungen, führen Machbarkeits- und Benutzerstudien durch und beraten Unternehmen und Institutionen rund um den Einsatz von Augmented und Virtual Reality. Weiter bietet das Center speziell für KMU und Berufsschulen einen niederschwelligen Zugang zu Virtual und Augmented Reality. Interessierte Unternehmen und Bildungsstätten aus der Region können im Showroom neue Technologien ausprobieren, mithilfe von Expertinnen und Experten Projekte realisieren und dabei auf die Infrastruktur des Centers zurückgreifen.