Berührungslose Personenzählung

Die maximale Personenbelegung in Nutzungen beziehungsweise Räumen ist ein viel diskutiertes Thema. Im präskriptiven Brandschutz hängen die Anzahl an Ausgängen und die Fluchtwegbreiten letztlich von der Personenbelegung ab. Sie haben somit einen direkten Einfluss auf architektonische Merkmale und Baukosten. Die Personenzählung kann beispielsweise mit einem berührungslosen System erfolgen – etwa mit einer videobasierten Lösung.

Personenzählung

Für die Bestimmung der maximalen Personenbelegung ist die Tabelle zu Ziffer 3.5.2 im Anhang zur Brandschutzrichtlinie Flucht- und Rettungswege 16-15de nach wie vor das Mass aller Dinge. Dort wird je nach Nutzung eine Personenbelegung pro Quadratmeter angegeben. Auch andere Literaturquellen nutzen nahezu ausschliesslich den Faktor Personen pro Quadratmeter, wobei es sich hierbei immer um die Annahme des Worst-credible-Szenarios handelt. Die Werte können also als konservativ angenommen werden und sollen den «schlimmsten» Fall mit der für die Nutzung schlechtesten und somit höchstmöglichen Personenbelegung abdecken, beispielsweise für Verkaufsgeschäfte den alljährlichen «Black Friday».

Präskriptive Vorgaben versus Praxiserfahrungen

Diese präskriptiven Vorgaben im Rahmen der Brandschutzrichtlinie werden spätestens dann aus einem anderen Blickwinkel gesehen, wenn man sie mit Erfahrungswerten beispielsweise von Detailhändlern vergleicht. Die Erfahrungswerte aus der Praxis hinsichtlich der maximalen Personenbelegung pro Quadratmeter sind oftmals um einige Faktoren geringer als die Vorgaben der Brandschutzrichtlinie. In Tabelle 1 sind Erfahrungswerte für einen einen Bau- und einen Möbelmarkt aufgelistet.

Alternativen zum präskriptiven Vorgehen

Letztlich ist für die Schutzzielerfüllung Personensicherheit im Hinblick auf die Anzahl der Ausgänge und Gesamtfluchtwegbreiten nicht entscheidend, ob etwa bei Diskotheken die präskriptiven Vorgaben von maximal vier Personen pro Quadratmeter erreicht werden oder ob es nur drei Personen pro Quadratmeter sind. Vielmehr ist entscheidend, dass die maximale Personenbelegung, für die die Nutzung hinsichtlich Anzahl an Ausgängen und Gesamtfluchtwegbreiten ausgelegt ist, keinesfalls überschritten wird. Dies kann durch simples Zählen und Begrenzen der Personenbelegung für die Nutzung erfolgen. Nun mag der Leser bei dem Beispiel einer Diskothek an den muskulösen Türsteher denken, der die ganze Nacht kommende und gehende Gäste von Hand zählt. Diese Variante kann alleine schon durch die Fehleranfälligkeit nicht schutzzielerfüllend sein. Eine weitere Möglichkeit, zum Beispiel bei einem Schwimmbad, ist das klassische Drehkreuz, das die Anforderung der Personenzählung und -begrenzung erfüllt. Doch im Falle einer Diskothek oder eines Verkaufsgeschäftes ist das Drehkreuz nicht mehr einsetzbar, da dem Kunden ein möglichst reibungsloser Ein- und Austritt ohne Hindernisse und Verengungen gewährleistet werden soll.

Berührungslose Personenzählung

Um die hindernisfreie Personenzählung zu ermöglichen, kann die Lösung einer berührungslosen Personenzählung gewählt werden. Hierbei werden die ein- und austretenden Personen berührungsfrei optisch gezählt. Die eigentliche Personenbegrenzung bei Erreichung eines Maximalwertes muss in diesen Fällen organisatorisch erfolgen. Grundsätzlich sind bei der berührungslosen Personenzählung zwei Systeme zu unterscheiden:

Infrarotbasierte Personenzählung: Diese Möglichkeit basiert auf einem Kamerasystem, das im Infrarotbereich Wärmequellen und somit Personen zählen kann. Das System ist gegenüber dem videobasierten System weniger komplex, länger am Markt erprobt und günstiger. Es bietet durch die reine Zählung von Wärmequellen den Vorteil, dass der Datenschutz nicht im Vordergrund steht. Dies ist aber auch gleichzeitig der Nachteil des Systems, da durch die begrenzte Information der Anzahl an Wärmequellen eine weitere Verwendung des Systems ausserhalb der Personenzählung nicht möglich ist.

Videobasierte Personenzählung: Diese Variante basiert auf einer Echtzeitauswertung eines hochauflösenden Videobildes durch einen Algorithmus, welcher ein- und austretende Personen vom Umgebungsbild, wie zum Beispiel Gegenständen, unterscheiden kann. Das System ist gegenüber dem infrarotbasierten System komplexer und somit kostenintensiver. Der Vorteil liegt bei diesem System im erweiterten Anwendungsbereich. Der Algorithmus kann auch für die Erkennung von Vandalismus, Diebstahl und Brandereignissen eingesetzt werden. Durch die Verwendung eines hochauflösenden Videosignals ist jedoch der Datenschutz entsprechend aufwendiger.

Anforderungen an die Systeme

Neben den allgemeinen Vor- und Nachteilen müssen beide Systeme zur Personenzählung grundsätzlich folgende Mindestanforderungen erfüllen:

  • Messung muss in Echtzeit erfolgen.
  • Die Personenzählung muss auf +/– einige Personen genau sein.
  • Es müssen Vorwarnschwellen vor der Erreichung der maximalen Personenbelegung definiert sein.
  • Es müssen Rückfallebenen für einen möglichen Systemausfall vorhanden sein (z.B. Handzählung während eines Ausfalls).
  • Der Systemzugriff für Einstellungen muss geregelt sein. Es dürfen keinesfalls Systemparameter, wie z.B. Vorwarnschwellen oder Messgenauigkeit, verändert werden dürfen.

Funktionstest

Wie alle anderen sicherheitsrelevanten Anlagen, müssen auch videobasierte Personenzählungen einem Funktionstest unterzogen werden oder Bestandteil des integralen Tests sein. Nun stellt sich aber insbesondere für den Verantwortlichen Qualitätssicherung Brandschutz die Frage, wie ein korrekter Funktionstest auszusehen hat. Bei einer Nutzung beziehungsweise einem Raum mit einer Personenzählung für 30 Personen mag dies durch die bei den Abnahmen anwesenden Personen im Rahmen eines Funktionstests oder intergralen Tests noch durch «Ausprobieren» von 30 eintretenden Personen möglich sein. Doch stellt sich spätestens bei grösseren Nutzungen beziehungsweise Räumen mit beispielsweise 900 Personen die Frage, wie dies getestet werden kann, da hier die erforderliche Anzahl an Personen wohl nicht verfügbar ist. An dieser Stelle wird wohl die einzige Möglichkeit bleiben, mit kleineren Personengruppe die Nutzung beziehungsweise den Raum an einem nicht überwachten Ausgang (z.B. Fluchtweg) zu verlassen und im Anschluss die Nutzung beziehungsweise den Raum wieder über den regulären Zugang zu betreten, bis die entsprechende Vorwarnschwelle erreicht ist.

Fazit

Berührungslose Personenzählsysteme stellen neben den präskriptiven Vorgaben der Brandschutzrichtlinie eine weitere Möglichkeit dar, notwendige Ausgänge und Gesamtfluchtwegbreiten flexibler, aber gleichzeitig schutzzielkonform an Erfahrungswerte der Betreiber hinsichtlich der Personenbelegung anzupassen. In der Gesamtheit setzt dies voraus, dass auch entsprechende organisatorische Massnahmen zur Personenbegrenzung wirksam sind.

Da die Anwendung von berührungslosen Personenzählsystemen sich momentan allein auf Art. 11 der Brandschutznorm stützt, wäre erstrebenswert, dass Personenzählsysteme mit Überarbeitung der Brandschutzrichtlinie 2026 dort Einzug halten.

Tabelle 1 zeigt die Erfahrungswerte für einen Bau- und einen Möbelmarkt.

 

Florian Zimmermann

Stv. Leiter Brandschutz bei der Swiss Safety Center AG, MSc. Ingenieur Sicherheit und Gefahrenabwehr Universität Magdeburg, Brandschutzexperte VKF, Mitglied Guideline Commission CFPA-Europe sowie Arbeitsgruppe «MAS Fire Safety Engineering» SFPE Switzerland und Sicherheitsberater SSI.

 

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