Betriebsrisiko «Blackout»

Strom ist die Achillesferse der modernen Zivilisation. Wirtschaft und Gesellschaft können nur hoffen, dass Szenarien wie die Sicherheitsverbundübung SVU 2014 mit mehrtägigem Strommangel und einer Pandemie nie eintreffen.

Betriebsrisiko «Blackout»

«Es hängt davon ab, welches Ausmass ein Stromausfall hat. Etwa wie hoch die regionale Strommangellage wirklich ist.» – Claudio Leitgeb, Bereichsleiter Sicherheit und Umwelt des Universitätsspitals Zürich

Stromunterbruch im Gesundheitswesen

Im Operationssaal, kurz OP, eines Krankenhauses sorgt üblicherweise eine automatische Stromversorgung dafür, dass ein Stromausfall unbemerkt bleibt. Steigt die Leitungsspannung aus, wird automatisch ein Schalter aktiviert, der Batterien an den OP-Stromkreis schaltet. Heute dauert so eine Batterien-Aufschaltung nur wenige Millisekunden. Problematisch würde die Situation nur, wenn kein Geräte- respektive Batterienservice betrieben würde.

Kürzlich wurden Schweizer Spitäler mit DoS-Computerviren (Engl.: Denial of Service) infiziert, die ähnlich wie bei einem Blackout Spitalbereiche stilllegen. Welche Bedingungen nach einer Cyberattacke auf sensible Einrichtungen herrschen, verdeutlichen Szenen wie sie im Buch «Blackout: Morgen ist es zu spät» von Marc Elsberg beschrieben sind.

Mit wenig Aufwand ist es möglich, gravierende, ja für Patienten lebensbedrohliche Situationen herbeizuführen, wie Recherchen und Studien unterstreichen (vgl. «Gefährdung Schweizer Spitäler gegenüber Cyberangriffen»).

Claudio Leitgeb, Bereichsleiter Sicherheit und Umwelt des Universitätsspitals Zürich, erklärt zum Thema «Blackout»: «Es hängt davon ab, welches Ausmass ein Stromausfall hat. Etwa wie hoch die regionale Strommangellage wirklich ist.» In diesem Zusammenhang weist Leitgeb auf ein Hauptrisiko für den intakten Spitalbetrieb hin: «Wir wissen nicht, wieviel Diesel effektiv für unsere Aggregate nach drei bis vier Tagen Ausnahmezustand angeliefert werden.»

Zitat: «Allein die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln ist eine gewaltige Herausforderung.» – Toni Frisch, Leiter der Sicherheitsverbundübung SVU 2014

Öffentliche «Verwundbarkeit» steigt auf ein Vielfaches

Ein andauernder Stromunterbruch würde nicht nur Betriebe blockieren, sondern das öffentliche Leben insgesamt lahmlegen: Vom Supermarkt über den ÖV bis hin zum Geldautomat würde wohl nichts mehr funktionieren. Durch die zunehmende Verknüpfung der Logistik-, Transport und Kommunikationsbereiche steigt die öffentliche «Verwundbarkeit» auf ein Vielfaches.

Was es heisst, ohne Strom respektive mit einer Strommangellage wirtschaften und leben zu müssen, haben sowohl die nationale Netzbetreiberin Swissgrid wie auch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (Babs) thematisiert. Welche Distributionsansätze bei einem mehrtägigen Stromausfall noch funktionieren, wissen nur ein paar wenige Fachleute. Toni Frisch, Leiter der Sicherheitsverbundübung SVU 2014, unterstreicht: «Allein die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln ist eine gewaltige Herausforderung.»

Redundante Systeme

In der Stadt Zürich gibt es allein 14 Unternetzwerke, die der Energieversorger EWZ betreibt. Wichtige Einrichtungen wie das Universitätsspital sind in einem redundanten Stromkreis angeschlossen. Will heissen, fällt ein Netzwerk aus, braucht es eigentlich nur zwei Sekunden, um automatisch den Strom eines anderen Netzwerks beizuziehen. «Es müsste also einen längeren Stromunterbruch geben, um die vollständige Elektrizität im Universitätsspital zu unterbinden», meint Sicherheitschef Claudio Leitgeb. Dauert eine Strommangellage voraussichtlich länger als einen Tag, würde der Krisenstab des Universitätsspitals ein Energiemanagement durchführen. Es würden nicht nur das Notstromnetz, sondern die wichtigsten Gebäude, Etagen und Geräte gesteuert.

Im Universitätsspital Zürich laufen die OP-Einrichtungen seit ein paar Jahren auf drei redundanten Stromkreisen. Für den Fall einer Strommangellage, so Leitgeb, scheint es der Spitalleitung wichtig, die medizinische Versorgung und den Betrieb der rund drei Dutzend OP-Säle zu bedienen. Um möglichst haushälterisch mit den Reserven umzugehen, würde man einzelne Abteilungen wie die Administration vom Strom nehmen.

Ohne Notstrombetrieb hätte es tiefgreifende Konsequenzen für den weitläufigen Spitalbetrieb. Die Notstromaggregate des Universitätsspitals benötigen gemäss Leitgeb nur 15 Sekunden für die Inbetriebnahme. Weil diese Stromerzeugung nur mit Diesel funktioniert, bunkert das Universitätsspital 90 000 Liter, die allerdings höchstens vier Tage im Vollbetrieb reichen.

«Ohne Strom können Patienten nicht einmal registriert werden», sagt Leitgeb.

Logistische Grenzen

Wenn plötzlich lebenswichtige Prozesse auf ein Minimum reduziert werden müssen, würde es für Spitalmitarbeitende, für Ärzte und Patienten drastisch. Müsste im OP-Saal und auf den Intensivstationen mit Batterien als Stromversorgung gearbeitet werden, käme es zu grösseren organisatorischen Problemen. «Ohne Strom können Patienten nicht einmal registriert werden », sagt Leitgeb. «Die MRI, die Röntgen- und Dialysegeräte, sogar unsere hydraulischen, bis zu 250 kg schweren Spitalbetten und Betriebsfahrzeuge benötigen Strom.» Bis zu 72 Stunden könnte das Unispital weitgehend den Betrieb mit dem Notstromaggregat in Schach halten. Dass der Spitalbetrieb im Krisenfall bestmöglich organisiert werden kann, haben die Verantwortlichen Interventionseinheiten bis hin zu ortskundigen Meldeläufern im Krisenplan des Universitätsspitals definiert. Darüber hinaus würde eine vorgelagerte Prätriage und einen Triagebetrieb eingerichtet, so Leitgeb. Patienten und ihre Angehörigen würden in vorgesehenen Zonen durch Lotsen und Care-Leute betreut.

«Selbstverständlich braucht so ein ‹mittelgrosser Kosmos› wie das Unispital geschützte Operationsketten sowie genügend Nachschub an Medikamenten, Wasser, Lebensmitteln und einen entsprechenden Unterhalt von Hygieneräumen », so Leitgeb. Eigentlich dürfte es ein mehrtägiges Blackout nie geben.

Von Michael Merz, Sicherheitsforum

Buchtipp https://bit.ly/29TSjJS

UniversitätsSpital Zürich https://www.usz.ch

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