Bewährter Lawinenschutz – eine Analyse

Die Massnahmen, welche nach dem extremen Lawinenwinter 1999 ergriffen wurden, haben sich bewährt. Die Analyse der Lawinenereignisse vom Januar 2018 zeigt, dass weniger Opfer zu beklagen und die Schäden geringer ausgefallen sind.

© depositphotos, Gudella

 

Die Schweiz hat immer wieder extreme Lawinenwinter erlebt, die Opfer forderten und Schäden verursachten, etwa 1951, 1968 und 1999. Die Erkenntnisse aus diesen Lawinenereignissen bringen auch Fortschritt im Schutz vor dieser Naturgefahr. So standen nach dem Lawinenwinter 1951 Verbauungen im Fokus, nach 1968 die Erarbeitung von Gefahrenkarten. Nach der Analyse des Lawinenwinters 1999 durch das Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) habe der Schwerpunkt auf der Verbesserung der organisatorischen Massnahmen und der Ausbildung der Lawinendienste gelegen, schreibt das Bundesamt für Umwelt (Bafu).

Diese neuen Massnahmen hatten im Januar 2018 erstmals seit dem Lawinenwinter 1999 ihre Bewährungsprobe: Während gut zwei Tagen herrschte im Januar aufgrund der starken Schneefälle (lokal bis über 3 Meter) wieder die höchste Lawinengefahrenstufe 5. Auch diese Ereignisse analysierten SLF und das Bafu detailliert (siehe Box ganz unten).

Erfolgreiche Umsetzung der Schutzmassnahmen

Die nun vorliegende Ereignisanalyse zeigen gemäss SLF und Bafu, dass zwischen dem 3. und 23. Januar 2018 insgesamt 150 Lawinen Schäden an Gebäuden, Verkehrswegen, Fahrzeugen, Stromleitungen, Transportanlagen sowie Wald oder Flur verursachten. Bei 53 Lawinen sei es zu einer Räum- oder Suchaktion gekommen. Todesfälle in Siedlungen und in gesicherten Gebieten habe es im Gegensatz zum Lawinenwinter 1999 (17 Todesopfer) keine gegeben, so das SLF und Bafu. Es hätten sich aber vereinzelt Lawinen in Gebieten mit Lawinenverbauungen gelöst. Das zeige, dass es keinen absoluten Schutz vor dieser Naturgefahr gibt.

Aus der Analyse gehe hervor, dass der integrale Lawinenschutz in der Schweiz auf hohem Niveau funktioniere. Die seit dem Lawinenwinter 1999 zusätzlich ergriffenen Massnahmen wirkten. Namentlich seien dies:

  • Stärkung der nationalen und regionalen Lawinenwarnung: Publikation eines Lawinenbulletins zweimal täglich in vier Sprachen
  • Ausbildung der Sicherheitsverantwortlichen: Kurse in zwei Stufen und drei Sprachen
  • Ausbau der Messnetze: Anzahl der automatischen Messstationen auf gut 170 nahezu verdoppelt. Mehr Daten erlauben präzisere Prognosen.

Künftige Herausforderungen

Um auch künftige ausserordentliche Lawinensituationen meistern zu können, müsse der hohe Standard im Lawinenschutz der Schweiz von allen Beteiligten – Bund, Kantone, Gemeinden und lokale Lawinendienste – gehalten werden. Die nach dem Lawinenwinter 1999 ergriffenen Massnahmen sind daher gemäss Bafu, SLF und den Kantonen weiterzuführen, samt Finanzierung. Auch ständiger Unterhalt der Lawinenverbauungen und systematische Pflege des Schutzwaldes seien unabdingbar. Die gestiegenen Anforderungen an die Sicherheit (gewünschte höhere Verfügbarkeit von Verbindungen auf Strasse und Schiene, von Skigebieten; geringere Akzeptanz von Sperrungen und Evakuationen) würden insgesamt eine weitere Professionalisierung der lokalen Lawinendienste erfordern.

Der Umgang mit Gleitschneelawinen, die vermehrt gemeldet würden, stelle die Lawinendienste vor grosse Herausforderungen. Bei diesen verstärkt im Spätwinter (ab Ende Februar) auftretenden Lawinen könne man den Ort und Zeitpunkt besonders schwer voraussagen. Die Erforschung der Ursachen und der zeitlichen Entwicklung des Gleitschnees sollten intensiviert werden, betonen SLF und Bafu. Auch der Einfluss des Klimawandels auf die zukünftige Lawinenaktivität sollte gemäss Analyse detaillierter untersucht werden.

Quelle: SLF und Bafu

 

Aussergewöhnliche Lawinensituationen und Klimaerwärmung

Während der starken Schneefälle im Januar 2018 regnete es wegen relativ hohen Temperaturen wiederholt bis in hohe Lagen. Die hohe Nullgradgrenze und der Regen bis weit hinauf könnten zur Schlussfolgerung verleiten, dass diese Phänomene im Zusammenhang mit der Klimaerwärmung stehen, wie SLF und Bafu schreiben. Doch von einem Einzelereignis wie der Lawinensituation im Januar 2018 könne kein Bezug zum Klimawandel hergestellt werden. Auch im Februar 1999 sei die Schneefallgrenze am 19./20. Februar zwischenzeitlich bis über 2000 m ü. M. angestiegen.
Im Januar 2019 hingegen bei den jüngsten starken Schneefällen waren die Temperaturen durchwegs tief. Vergleiche man die Situationen von 2018 und 2019, dann zeige sich deutlich, dass die Temperatur in tieferen Lagen einen grossen Einfluss auf das Fliessverhalten und den Auslauf der Lawinen hatte: Während im Januar 2018 die meisten Lawinen im Auslauf nass waren, kam es 2019 zu vielen Staublawinen. Sie verursachten zum Teil Waldschäden.
Es sei zurzeit nicht klar, wie sich die prognostizierte Erwärmung des Klimas und das leicht veränderte Niederschlagsregime (mehr Niederschlag im Winter, in tiefen Lagen mehr als Regen denn als Schnee) auf die Lawinenaktivität, insbesondere in Grossschneefallsituationen, auswirken könnten. Deshalb werde das jetzige Risikomanagement vorerst weitergeführt.

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