«Bund und Kantone können hier auf ­Augenhöhe miteinander diskutieren»

Der Sicherheitsverbund Schweiz (SVS) besteht seit über zehn ­Jahren und umfasst alle sicherheitspolitischen Instrumente des Bundes, der Kantone und der Gemeinden. Ein Gespräch mit ­Martin von Muralt, dem ­SVS-Delegierten.

SVS-Delegierter Martin von Muralt. Bild: SVS

Was reizt Sie an der Aufgabe des ­SVS-Delegierten?

Martin von Muralt: Die SVS-Geschäftsstelle wird je zur Hälfte durch die Kantone und den Bund gesteuert und finanziert. Beide Staatsebenen sind deshalb in den SVS-Organen paritätisch vertreten. In den Arbeitsgruppen können zudem Vertreterinnen und Vertreter von Städten, Gemeinden und der Privatwirtschaft mitwirken. Der Sicherheitsverbund Schweiz, den ich koordinieren darf, ist also national tätig und breit abgestützt, was meine Arbeit sehr interessant macht.Der SVS ist in verschiedenen Sicherheits­bereichen tätig: in der öffentlichen Sicherheit (z.B. Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus), im Krisenmanagement, in der Cyber­sicherheit und anderen Feldern. Als Delegierter hat man Einblick in den Bevölkerungsschutz, ins polizeiliche und militärische Umfeld. Wir beschäftigen uns auch vorausschauend mit den zukünftigen Herausforderungen. Ich bin also vielfältig und multidisziplinär unterwegs. Das alles ist sehr spannend.Sie moderieren den Dialog zwischen Bund und Kantonen.

Funktioniert der Austausch zwischen den verschiedenen Ebenen?

Der Sicherheitsverbund Schweiz hat zwei Führungsorgane – politische und strategische. Es sind die einzigen Organe im Sicherheits­bereich, in denen Bund und Kantone auf Augenhöhe miteinander diskutieren können. Auf politischer Ebene ist es von grosser Bedeutung, dass die beiden Bundesrätinnen Viola Amherd als Chefin des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) sowie Elisabeth Baume-Schneider als Chefin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) ein paar Mal im Jahr die Präsidentinnen und Präsidenten der KKJPD (Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren) und der RK MZF (Regierungskonferenz Militär, Zivilschutz und Feuerwehr) treffen. Ich habe eine Art Vermittlerauftrag und bin dafür zuständig, dass sich die Verantwortlichen austauschen und letztlich mehrheitsfähige Entscheidungen treffen können. Diese Arbeit ist vergleichbar mit den Guten Diensten der Schweiz im internationalen Umfeld, in dem das Land primär eine Vermittlerrolle hat. So ist auch die SVS-Geschäftsstelle zu verstehen.

Welche sicherheitspolitischen Themen stehen momentan im Fokus des SVS?

Einerseits die Cybersicherheitsfrage, Stichwort Ransomware, die die Schweiz in jüngster Zeit sowohl auf Bundes- als auch auf Kantonsebene tangiert. Das Thema steht oben auf der Agenda. Weiter sei das neue Staatssekretariat im VBS genannt, dass der Bundesrat im April 2023 ins Leben gerufen hat. Das Staatssekretariat wird strategische Grundlagen zur gesamtheitlichen Weiterentwicklung der Sicherheitspolitik der Schweiz erarbeiten und koordinieren. Für uns ist wichtig, wie die Zusammenarbeit mit uns organisiert wird. Auf der Agenda steht ferner das Krisenmanagement von Bund und Kantonen.Die Sicherheitsverbundübung (SVU) 2019 hat gezeigt, dass die Schweiz gegen terroristische und Cyberangriffe ein sicheres Datenverbundsystem (SDVS) braucht.

Wann wird die Schweiz über eine Kommunikation verfügen, die auch einen erfolgreichen Bevölkerungsschutz sicherstellt?

Diesbezüglich liegt der Lead nicht bei uns, sondern beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS). Selbstverständlich werden wir vom BABS regelmässig über den Stand der Arbeiten informiert. Mehr kann ich dazu nicht sagen.An der SVU 2019 haben sich Schwachpunkte im Krisenmanagement gezeigt. Daraus wurden 15 Empfehlungen abgeleitet.

Was haben die Verantwortlichen bis heute umgesetzt und wo ist man noch stark im Rückstand?

Die Umsetzung der Massnahmen findet auf allen drei Staatsebenen statt. Die Verantwortung für die Umsetzung liegt bei den jeweiligen Organisationen. Bei Empfehlungen, die an den Bund gerichtet sind, ist die Bundeskanzlerin für die Überwachung zu­ständig.Die Städte und die Kantone sind bei der Umsetzung souverän und autonom. Meines Wissens gibt es keinen Überblick über die Umsetzung der Mass­nahmen auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene. Einen solchen zu gewährleisten könnte bei der Evaluation der nächsten Übung interessant sein.Die Armee ist im Cyberbereich in erster Linie für den Eigenschutz verantwortlich. Eine Empfehlung der SVU 2019 lautet jedoch, dass die Armee mit ihrem Know-how bei Bedarf auch die zivilen Behörden gezielt unterstützen könnte. Das Projekt «Kommando Cyber» im VBS ist im Aufbau. Dieses Kommando soll ab Januar 2024 operationell tätig sein. Wie Sie sagen, geht es aber primär um Eigenschutz der Armee. Die Gesamtkonzeption Cyber dient dazu, die nötigen Massnahmen zur Weiterentwicklung im Bereich des Cyberraums, des elektromagnetischen Raums sowie der Informations- und Kommunikationstechnologie anzu­stossen.Die Schweiz hat bekanntlich ein Nationales Zentrum für Cybersicherheit (NCSC). Dieses Kompetenzzen­trum des Bundes für Cybersicherheit ist die erste Anlaufstelle für Wirtschaft, Verwaltung, Bildungseinrichtungen und Bevölkerung bei Cybersicherheitsfragen. Hat das «Kommando Cyber» des VBS einmal seine Tätigkeit aufgenommen, wird es zwischen ihm und dem NCSC sicherlich noch Abstimmungsbedarf geben, wer konkret welche zivilen Aufgaben übernimmt und wo man sich ergänzt.Die erste SVU im Jahr 2014 hatte die Strommangellage und die Pandemie zum Inhalt.

Hätte die Bewältigung der Pandemie ohne die SVU 2014 weniger gut funktioniert?

Behörden sowohl auf Bundes- wie auch auf Kantons- oder Gemeindeebene, die die späteren Empfehlungen der SVU 14 ernst genommen haben, waren besser auf das Krisenmanagement während der effektiven Pandemie oder der Energiemangellage des letzten Winters vorbereitet als solche, die die Empfehlungen ignoriert haben. Da gibt es gute und weniger gute Schüler, die ich hier nicht nennen will. Gewisse Organisationen haben aber in Notstromgeneratoren investiert, um im Ernstfall ein Backup zu haben – um nur ein Beispiel zu nennen.

Existiert ein Monitoring, um Säumige mahnen zu können?

Ja, eine solche Stelle existiert. Auf Bundesebene ist die Bundeskanzlei fürs Monitoring der Massnahmen aus den Sicherheitsverbundübungen zuständig. Die Bundeskanzlei hat einen Monitoringbericht zuhanden der Kantone erarbeitet. Aber die Entscheidung für die Umsetzung liegt in der föderalistischen Schweiz bekanntlich bei den Kantonen selbst, da kann der Bund nicht «dreinschwatzen».Bis Ende 2023 soll ein Konzept für eine integrierte Übung 2025 vorliegen.

Welches Szenario will man durch­spielen?

Erstmals wird in zwei Jahren eine sogenannt integrierte Übung 2025 (IU 25) stattfinden. Es ist die Zusammen­fügung der Sicherheitsverbundübung und der strategischen Führungsübung. Mit der IU 25 sollen für einmal alle Staatsebenen zusammen beübt werden: Sowohl Bundesrat als auch Regierungsräte der Kantone und Städteverantwortliche sind darin integriert. Das Konzept soll bis Ende 2023 verabschiedet werden.

Welches Szenario wird an der Übung 2025 durchgespielt?

Das Thema der Übung wurde den Mitgliedern der operativen Plattform des Sicherheitsverbundes Schweiz zur Konsultation vorgelegt. Die politische Plattform des SVS hat in der Folge ein Übungsszenario festgelegt, das noch nicht offiziell veröffentlicht wurde und noch bearbeitet werden muss. Das Ziel ist ein Szenario, das es ermöglicht, die Prozesse und Organisationen, die wir bewerten wollen, zu üben. Das IU-25-­Konzept ist in Bearbeitung bei der Bundeskanzlei. Der Bundesrat muss es letztlich verabschieden. Deshalb kann ich zur anstehenden Übung keine weiteren Informationen geben.

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