Charmantes und sportliches Vorbild
Früher waren es meist körperliche Beschwerden, heute machen den Werktätigen und Angestellten primär psychische Belastungen zu schaffen. Man mag es schon fast nicht mehr hören: Stress sei halt Bestandteil einer modernen Leistungsgesellschaft. Natürlich ist Druck am Arbeitsplatz alltäglich und normal. Nur: Permanent hoher Druck ist ungesund, und negativer Stress macht krank. Das führt zu Erschöpfungszuständen oder, wie es neudeutsch heisst, zu einem Burnout: Zustände, aus denen Betroffene meist nur schwer wieder herauskommen.
Firmen müssen Gefahren erkennen
Die meisten Unternehmen sind sich der Gefahren der psychischen Belastungen bewusst und investieren in Präventionsmassnahmen. Denn Mitarbeiter, die gut mit Belastungen und Stress umgehen können, sind produktiver. In allen Bereichen führen oft erstaunlich einfache Methoden und Aktivitäten zum Ziel. Voraussetzung für ein erfolgreiches Gesundheits- und Bewegungsmanagement im Betrieb ist aber eine entsprechende und vorgelebte Firmenkultur – und zwar auf jeder Stufe!
Eine der Firmen im Dienstleistungssektor, die Talentförderung, Sport und Gesundheitsprävention aktiv und gezielt fördern, ist die CSD-Gruppe mit Hauptsitz in Liebefeld BE. Das Ingenieur- und Beratungsunternehmen ist in den Bereichen Umwelt, Bau und Energie tätig, hat in der Schweiz 20 Standorte sowie 10 weitere in Deutschland, Belgien, Litauen und Italien. CSD Ingenieure AG mit über 500 Mitarbeitenden gehört zu den grössten Ingenieurfirmen des Landes. Mit fast 10 Prozent Lehrlingen und Praktikanten investiert CSD in die Ausbildung junger Menschen und in die Zukunft.
Herr Gallati, Sie waren jahrelang sowohl in der Privatwirtschaft als auch in der Verwaltung in leitenden Funktionen tätig. Wie wichtig sind für Dienstleistungs- und Verwaltungsbetriebe gesunde und fitte Mitarbeiter?
Franz Gallati: Eine gute Firmenkultur, die einen respektvollen und motivierenden Umgang mit allen Mitarbeitenden und Mitmenschen im Zentrum hat, ist Medizin und Motivation für gute Leistungen – sei es im Beruf, Alltag oder im Sport. Überall gelten die gleichen Grundsätze, die letztendlich die Basis für den Erfolg sind. Man sollte jeden Tag froh und aufgestellt ins Büro kommen. Das versuchen wir bei CSD aktiv zu fördern und bieten dazu einiges an. Das fördert nicht nur den mental-geistigen Ausgleich, fitte und gesunde Mitarbeiter sind besser motiviert und beweglicher – in jeder Beziehung.
Demzufolge gilt das lateinische beziehungsweise römische Sprichwort «Mens sana in corpore sano» (In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist) mehr denn je?
Genauso ist es! Das weiss und spüre ich mit jedem zusätzlichen Jahr ja selber. Ein gesundes und massvolles Leben in früheren und jüngeren Jahren hilft einem später. Aber man sollte sich dreimal pro Woche mindestens eine halbe Stunde konzentriert bewegen. Sich also entsprechend intensiv sportlich betätigen. Schöne Worte, denn ich weiss selber, dass das bei den heutigen beruflichen und alltäglichen Belastungen und Gefahren viel Disziplin und Härte bedarf.
Als Ingenieur im Kanton Schwyz gestalteten Sie einige Infrastruktur- und Verkehrsprojekte mit. Eine recht grosse Anzahl ihrer damaligen Kadermitarbeiter waren sehr gute Sportler (oder sind es noch immer). Konnte man Unterschiede bezüglich Belastbarkeit, Gesundheit und Leistung gegenüber weniger aktiven Mitarbeitern feststellen?
Meine Erfahrung ist, dass sportliche Mitarbeiter auch ein sogenanntes sportliches Denken und Handeln haben – also sie sind belastbarer, effizienter und zu aussergewöhnlichen Leistungen fähig. Und dazu haben sie meist eine gesunde und erforderliche Fähigkeit zur Kritik. Das hat mir ferner der langjährige Schweizer Olympiaarzt Beat Villiger bestätigt anlässlich einer gemeinsamen Busfahrt in New York. Jene Menschen die regelmässig Sport treiben, hätten einen viel grösseren Speicher für den sogenannt «positiven Stress», der gut für die Gesundheit sei. Dazu kommen dann noch die Endorphine, also Glückshormone, die helfen, Stresshormone abzubauen – mit dem angenehmen Nebeneffekt, dass sich nach Bewältigung von schwierigen Aufgaben Glücksgefühle einstellen.
Sie sind Leiter der Geschäftsstelle Zürich von CSD. Sie haben sozusagen die Front gewechselt. Was zeichnet CSD in Bezug auf Arbeitsbedingungen, Entfaltung und betriebliche Gesundheitsförderung, also von Work-Life-Balance aus?
Das mit dem Frontwechsel war für mich als gelernten Baupraktiker keine besondere Umstellung oder Schwierigkeit. Der zweite Punkt ist bei uns ein wichtiges Thema, der sich im Betrieb voll und ganz integriert hat und auch von allen akzeptiert wird. Aktive Gesundheitsförderung, gute Arbeitsbedingungen und eine entsprechende Firmenkultur sind feste Bestandteile im CSD-Tagesablauf. So haben wir eine separate Dusche im Büro, damit für die mit dem Velo ins Büro fahrenden Mitarbeiter und Sportler die notwendige Infrastruktur zur Körperpflege vorhanden ist. Zudem haben wir eine Laufgruppe, die sich jeden Dienstag beim Lauftreff sportlich und manchmal recht intensiv ins Zeug legt. Und: Sie glauben gar nicht, was man da so ganz nebenbei manchmal für Probleme lösen kann. Schliesslich ist eben auch entscheidend, dass man nicht nur Begriffe wie Work-Life-Balance, also das Gleichgewicht oder den Einklang von Arbeits- oder Privatleben, auf dem Papier oder auf der Website propagiert, sondern als Chef vorlebt.
Bewegung gegen Stress
Nicht nur Präventivmediziner raten bei starker psychischer Belastung und Stress erstmal zu Bewegung. David Fäh vom Institut Epidemiologie, Biostatik und Prävention der Universität Zürich stellte fest, dass bei regelmässigem Bewegen, also Laufen oder Velofahren, die Fähigkeit, besser abzuschalten und mit Stress richtig umzugehen, ausgeprägter ist. Dazu Fäh weiter: «Ein Hauptproblem der modernen Arbeitswelt ist, dass sich der natürliche Stress nicht mehr entladen kann.» Da hatten es die Jäger der Urzeit in dieser Hinsicht leichter – aber wohl nur in dieser Beziehung! Durch wilde Tiere zwar regelmässig in Aufruhr, konnten unsere Vorfahren den Stress während der Verfolgungsjagden abbauen, besonders nach erfolgreicher Jagd und vor allem beim gemeinsamen anschliessenden Verspeisen der Beute.
Es ist also kein Zufall, dass viele Spitzenmanager oft Ausdauersportarten betreiben. Die intensive Bewegung ist ein geradezu idealer Ausgleich zu den starken beruflichen Belastungen. Ein weiterer positiver Nebeneffekt: Oft fliegen einem bei sportlicher Betätigung Ideen und Problemlösungen erstaunlich leicht zu. Jeder Betrieb muss sowohl für seine Unternehmenskultur und Gesundheitsförderung die passende Strategie finden. Auf Dosis und Mass kommt es an. Unbestritten ist, dass gesundheitsfördernde Massnahmen die Krankenstände und weitere Ausfälle senken – und somit natürlich auch die Arbeitsleistung erhöhen: Gesunde und motivierte Mitarbeiter identifizieren sich mit ihrem Betrieb, zeigen mehr Einsatz und tragen so zum Unternehmenserfolg bei.
Herr Gallati, man hört allenthalben den Spruch: «Als Chef darf man nicht allen gefallen wollen.» Was halten Sie davon?
Im Prinzip stimmt das sogar. Das Personal soll und muss wissen, dass sie keinen Chef haben, der sich vordergründig anbiedern will und tut. Entscheidend ist, wie man mit Problemen und Fragen der Angestellten umgeht. Wichtig ist dabei der Stil – und wie man berechtigte Kritik ins Positive und Aufbauende ummünzen kann und die Fehleraufarbeitung vornimmt. Eben: «C’est le ton qui fait la Musique!» Natürlich muss ein Chef selber lernfähig sein und bleiben.
Können Sie gut abschalten? Und wie geschieht das ganz konkret?
Ja, sehr gut sogar – zum Glück! Vor allem auch wegen meiner sportlichen Aktivitäten. Ich versuche mich täglich sportlich zu betätigen, manchmal mehr und vielfach. Ich habe es so eingerichtet, dass ich mir am frühen Morgen auf dem Hometrainer Gedanken zu anstehenden Sachen mache, Akten lese und studiere. So kann ich sozusagen bereits zu Tagesbeginn Gesundheit und Berufsalltag ideal miteinander verknüpfen und verbinden. Wichtig sind dabei eine gesunde Ernährung und genügend Schlaf – also in jeder Lebens- und Berufslage: massvoll und nicht masslos!
Sie liefen vor einigen Jahren den New-York-City-Marathon in drei Stunden und nahmen beim 150 Kilometer langen Inferno-Triathlon teil, mit dem längsten Part, der 100-Kilometer-Radstrecke. Regelmässiger Sport ist Ihnen also wichtig, warum?
Sportliche Betätigung ist für mich ein wichtiger und notwendiger Ausgleich zum oftmals strengen, in unserer Branche hektischen Alltag. Sport und Bewegung geben mir Kraft für den Alltag, also nicht nur für die beruflichen Tätigkeiten. Und es hat einen schönen Nebeneffekt: Man lernt dabei, Probleme und offene Fragen zielgerichtet anzugehen, zu analysieren und guten Lösungen zuzuführen.
Und jetzt sind Sie auch noch Präsident von Swiss Cycling, einem der wohl am schwierigsten zu führenden Sportverband, wo Sie innert zwei Jahren die Finanzen des vor dem Abgrund stehenden Dachverbands des Schweizer Radsports sanierten und mit kluger personeller Erneuerung des Vorstands viel Vertrauen zurückgewinnen konnten. Wie bringen Sie das alles ohne «Stress» unter einen Hut?
Eigentlich ganz gut. Wichtig ist und war für mich, dass ich einige andere Verpflichtungen und Mitgliedschaften in Vereinen und Verbänden aufgab, um mich voll und ganz auf Beruf und Verbandstätigkeit als Präsident von Swiss Cycling zu konzentrieren. Und das wohl Entscheidende ist, dass mich meine Frau Bettina voll und ganz unterstützt. Das geht umso leichter, denn sie ist ebenfalls eine begeisterte Sportlerin und Bikerin. Mir ist wichtig, nur jene Sachen anzunehmen und zu machen, hinter denen ich voll und ganz stehen und mit viel Freude angehen und ausführen kann. Dann entsteht in der Regel auch kein gefährlicher Stress. Es ist wie bei Hobbys: Ich kenne niemanden, der deswegen ein Burnout bekommen hat.