Clevere Brandverhütung findet Nachahmer

Um ein Feuerinferno in der Altstadt zu verhindern, wird in Bern seit zwei Jahren mit einem innovativen Brandschutzkonzept gearbeitet. Bereits mehrfach hat das System Alarm geschlagen und so rechtzeitig vor drohendem Unheil im Unesco-Weltkulturerbe gewarnt. Das Brandmeldesystem macht jetzt auch in Luzern Schule.

CasaSigura
Brand im Mai 2018 in der Luzerner Altstadt. © GVL

Die von der Aareschlaufe umschlossene Berner Altstadt ist weltberühmt – ihr gilt es Sorge zu tragen. Und das beginnt mit dem Brandschutz. Was im Sommer 2017 als Novum in der Schweiz lanciert wurde, hat sich gemäss Verein CasaSegura Bern mittlerweile etabliert und bewährt: Das gleichnamige Brandschutzkonzept ist für ein ganzes Quartier – die untere Altstadt in Bern –konzipiert. Die Lösung, die für Liegenschaftsbesitzer auf freiwilliger Basis beruht, umfasst immer ein ganzes Gebäude. Mit den kabellosen Funkrauchmeldern werden insbesondere das Treppenhaus, Keller, Gemeinschafts- und Technik­räume sowie die mit viel Holz ausgestatteten Dachgeschosse ausgerüstet (siehe «SicherheitsForum» 4/2017, ab S. 11). Im Ernstfall wird über Mobilfunk automatisch die Feuerwehr alarmiert, die innert zehn Minuten vor Ort eintreffen muss. Nicht im Brandschutzkonzept enthalten sind einzelne Wohnungen, für die die Mieter oder Eigentümer selber verantwortlich sind.

60 Systeme installiert

Das Potenzial an Gebäuden in der unteren Altstadt, die mit der Funktechnologie ausgerüstet werden «müssten», wird auf gut 500 geschätzt. Der auf Initiative der Gebäudeversicherung Bern (GVB) ins Leben gerufene Verein CasaSegura, dem der örtliche Hauseigentümerverband, die Stadt Bern und weitere Partner angehören, hat kürzlich Bilanz gezogen. Demnach steigt die Zahl der privaten Liegenschaften in der unteren Altstadt, in denen das Meldesystem installiert ist, stetig an. Mehr als 60 Liegenschaften sind heute damit ausgerüstet, darunter auch sämtliche Wohnhäuser an der Badgasse im Berner Mattequartier. Für die kommenden Monate ist die Inbetriebnahme von über 20 weiteren Anlagen geplant, wie die Verantwortlichen wissen lassen.

Anfänglich verlief das Projekt eher harzig. Markus Caflisch, Geschäftsführer des Vereins CasaSegura, erklärt auf Anfrage, dass die Umsetzung eine gewisse Vorlaufzeit benötigt habe. Nicht selten setze sich eine Liegenschaft aus verschiedenen Stockwerkeigentümern zusammen: «Das heisst, mehrere Parteien müssen mit einer solchen Installation einverstanden sein, was jeweils eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt.»

Die Idee für CasaSegura geht auf einen Grossbrand mit mehreren Häusern an der Junkergasse im Jahr 1997 zurück. 20 Jahre später startete man mit der Umsetzung des freiwilligen Brandmeldesystems im historischen Quartier. In den engen Gassen, den hölzernen Dachstöcken und Brandmauern, die meist nicht bis unters Dach reichen, liegt ein grosses Gefahrenpotenzial für ein Feuerinferno.

Schon mehrfach alarmiert

Die Rauchwarnmelder in der Berner Altstadt haben seit Installation schon verschiedentlich die Feuerwehr rechtzeitig alarmiert. Laut Thomas Jauch, Mediensprecher der Feuerwehr der Stadt Bern, hat in mehreren Fällen brennendes Kochgut die Funkmelder aktiviert. Durch die direkte Alarmierung und die rasche Intervention der Berufsfeuerwehr sei jeweils Schlimmeres verhindert worden.

Die Brandalarmierung in der Altstadt arbeitet auf Basis von SIM-Karten. Wenn das Mobilfunknetz ausfallen und zeitgleich ein Feuer im Altstadtperimeter ausbrechen würde, bliebe ein Alarmruf aus. Doch die GVB und die Berner Berufsfeuerwehr stufen diese Wahrscheinlichkeit als sehr gering ein.

Analoges Projekt in Luzern

Ende Juni 2019 wurde ein analoges Projekt namens Feuerwächter für die dicht bebaute Luzerner Innenstadt gestartet, denn ein Grossbrand im geschichtsträchtigen Stadtkern gehört zu den Horror­szenarien. Das meist ältere Gemäuer entspricht häufig nicht mehr den gewünschten Sicherheitsstandards. Und Gebäude, die nicht oder nur sanft renoviert werden, müssen nicht den aktuell gültige Brandschutzvorschriften angepasst werden. Im Sinne einer ergänzenden Massnahme hat die Gebäudeversicherung Luzern (GVL) deshalb das Projekt Feuerwächter lanciert. Laut Boris Camenzind (vgl. auch Interview) von der GVL wird die gleiche Technologie wie in der Bundeshauptstadt eingesetzt. Selbstverständlich handelt es sich auch beim «Feuerwächter» um ein freiwilliges Brandwarnsystem.

Mit Funkrauchmeldern werden im Luzerner Projekt ebenfalls alle Keller-, Allgemein- und Technikräume, das Treppenhaus und besonders das Dachgeschoss ausgerüstet. Doch im Unterschied zu Bern wird hier zusätzlich im Eingangsbereich jeder Wohnung ein Funkrauchmelder platziert. Damit, so die Begründung aus Luzern, würden bei einem Wohnungsbrand alle Bewohner sehr schnell alarmiert und hätten genügend Zeit, das Gebäude zu verlassen.

Auch in Luzern werden die mit dem Brandwarnsystem ausgerüsteten Häuser mit einem Schlüsselrohr versehen (vgl. Grafik): Damit verschafft sich die Berufsfeuerwehr rasch Zutritt zum Brandherd.

Kostenpunkt

Gemäss Angaben aus Luzern und Bern ist je nach Liegenschaftsgrösse mit Installationskosten zwischen 10 000 bis 15 000 Franken zu rechnen. In Luzern erhält der Liegenschaftsbesitzer 40 Prozent an diese Investitionen vergütet, in Bern sind es 25 Prozent.

In den ersten acht Jahren funktioniert das Brandwarnsystem im Normalfall wartungsfrei. Danach müssen jedoch die Batterien, vermutlich jedoch der ganze Funkmelder, ausgewechselt werden. An diesen Kosten, welche gering sind, beteiligen sich die Gebäudeversicherungen allerdings nicht mehr.

 

 

 

«Beim Feuerwächter handelt es sich um keine VKF-konformen Anlagen»

Boris Camenzind

Was gab den Ausschlag für das «Feuerwächter»-Konzept in Luzern?

Boris Camenzind, Abteilungsleiter Prävention, Gebäudeversicherung Luzern (GVL): Ausschlaggebend war sicherlich das Brandschutzkonzept für die Berner Altstadt. Zudem brannte bei uns im Mai 2018 das denkmalgeschützte Restaurant und Hotel Schlüssel in der Innenstadt. Gebäude wie Hotels sind zwar mit einer vorgeschriebenen Brandmeldeanlage (Pflichtanlage) ausgerüstet, doch wir möchten generell die brandschutzseitige Sicherheit der Häuser in der Innenstadt verbessern. Denn diese verfügen im Dachgeschoss meist über schwache Brandmauern. Die Gefahr ist gross, dass eine Feuersbrunst rasch weitere Liegenschaften in Mitleidenschaft zieht.

Wie gross ist der betroffene Perimeter?

Primär sollen die dicht bebaute Innenstadt und angrenzende Teile der Neustadt besser geschützt werden. Im entsprechenden Perimeter verfügen wir über 900 Adressen von Hauseigentümern. Es ist gut möglich, dass wir den Perimeter zu einem späteren Zeitpunkt ausdehnen werden.

In Luzern kommt dieselbe Technik wie in Bern zum Zug. 

Das System funktioniert dort gut. Zudem muss der «Feuerwächter», wie in Bern, kostengünstig sein. Ein Liegenschaftsbesitzer kann zwischen zwei Fachfirmen wählen, die die Brandwarntechnik installieren. Die Eigentümer und die Bewohner werden instruiert, wie das System funktioniert und wie sie sich in einem Brandfall verhalten müssen.

Die GVL vergütet 40 Prozent an die Kosten des Systems – ein schöner Batzen.

Es handelt sich um eine Anschubfinanzierung, die drei Jahre laufen soll. Danach werden wir sehen, ob die GVL nach wie vor einen Kostenanteil von 40 Prozent vergütet. Jetzt hoffen wir auf ein entsprechendes Echo. Wie sieht es damit aus? Im Juni haben wir an alle 900 betroffenen Eigentümer einen Brief mit dem «Feuerwächter»-Angebot verschickt. Innerhalb von drei Wochen haben wir zehn konkrete Anfragen erhalten und die entsprechenden Häuser besichtigt. Das ist ein Anfang. Sind erste Anlagen installiert, spricht sich das herum und wir können nochmals nachfassen.
Ich möchte noch betonen, dass der «Feuerwächter» keine VKF-konforme Anlage ist. Er ersetzt also keine Pflichtanlagen, die über einen ganz anderen Sicherheitsstandard verfügen – mit entsprechenden Kosten.

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