Eine Weiterbildung – ein Karrieresprung

Erst seit rund zehn Jahren ist es in der Schweiz möglich, eine umfassende Sicherheitsausbildung auf Stufe Projektleiter zu absolvieren. Aufgegleist hat die Weiterbildung der Sicherheitstechnik-Verband SES. Zwei involvierte Sicherheitsfachleute ziehen Bilanz.

Projektleiter Sicherheit, Weiterbildung, SES-Weiterbildung
Im Gespräch: Die Sicherheitsfachleute Stephan Walti und Othmar Schauli. Fotos: R. Strässle

Stephan Walti und Othmar Schauli: Im Bereich Brand existierten bis vor zehn Jahren nur einzelne Weiterbildungsmöglichkeiten. Auch für den Sicherheitstechnikbereich gab es nur wenige Angebote und keine umfassende Ausbildung, so wie sie der Verband heute anbietet. Der Verband Schweizerischer Errichter von Sicherheitsanlagen (SES) arbeitete vor über einem Jahrzehnt bezüglich Ausbildung mit dem damaligen Sicherheitsinstitut zusammen. Nachdem diese Kooperation aufgehoben wurde, sah sich der Verband gezwungen, etwas Neues auf die Beine zu stellen. Es war der Auslöser für den Start der heutigen Weiterbildung «Projektleiter Sicherheit». Im Gegensatz zum Ausland fehlte bis dahin für die Sicherheitsbranche in der Schweiz eine berufliche Ausbildung mit eidgenössischem Fachausweis. Ein grosser Mangel!

Die Sicherheitsbranche rekrutiert viele junge Leute aus dem technischen Bereich, nicht wenige stammen aus der Elektrobranche. Für den SES war damals schnell klar, dass er die Zusammenarbeit mit einem Institut suchen musste, das technische Fachrichtungen anbietet. Schliesslich entstand die Kooperation mit der Schweizerischen Technischen Fachschule Winterthur (STFW), die seit daher erfolgreich besteht.

Die Ausbildung musste quasi über Nacht aus dem Boden gestampft werden.

Wir haben tatsächlich bei null angefangen. Die Referenten rekrutieren wir hauptsächlich aus den Unternehmen der Sicherheitsbranche, denn diese Fachleute verfügen über grosses Know-how. Doch für die Projektleiterausbildung mussten wir die Schulungsunterlagen erst entwickeln und zusammenstellen – es bestand wirklich nichts. Das war eine grosse Herausforderung. Zu betonen gilt, dass die Referenten dies nebst ihrem Beruf ausüben.

Wo besteht Optimierungspotenzial, wo drängen sich Anpassungen auf?

Wir haben die Ausbildung fast jedes Jahr laufend verbessert, denn es gab regelmässig Anpassungen. Wir wissen, dass wir noch zu stark auf den Frontalunterricht ausgerichtet sind. Bereits vor der Corona-Pandemie sprachen wir in der SES-Fachkommission von einem Ausbildungsprojekt 2024. Konkretes dazu können wir noch nicht sagen, denn es handelt sich erst um eine Idee. Die Krise hat uns jedoch darin bestärkt, dass wir längerfristig vermehrt auch die Möglichkeiten der digitalen Welt besser nutzen möchten.

Als Defizit der Projektleiterausbildung könnte man die fehlende Mehrsprachigkeit nennen: Für jemanden, der kein Deutsch spricht, ist die Projektleiterausbildung in Winterthur nicht zu bewältigen. Allerdings hatten wir vor Jahren einmal eine Umfrage durchgeführt und sie hat gezeigt, dass für einen französischsprachigen Unterricht kaum Nachfrage besteht. Die Umfrage bezieht sich auf den gesamten Projektleiterlehrgang, nicht auf einzelne Fachmodule, die sehr wohl in der Westschweiz in der einen oder anderen Form angeboten werden.

Was müsste inhaltlich verbessert werden?  

Auch da hat sich in den letzten Jahren viel getan. Den Lehrgang haben wir mit neuen Inhalten ergänzt – etwa zu Sprachalarmierung oder Türmanagementsystemen. Wir bleiben also nicht stehen, sondern reagieren auf den Markt. Neue Themen, die beim SES einfliessen, nehmen wir auch in die Weiterbildung auf. Wir wollen schliesslich Jahr für Jahr genügend Nachwuchskräfte rekrutieren. Abgesehen von einer verstärkten Nutzung der digitalen Welt, sind wir à jour.

Wie sieht es aus mit dem Thema Cybersicherheit? 

Der SES-Verband hat sich diese Thematik auf die Fahne geschrieben: Im neuen SES-Organigramm steht Cyber-Security über den zwei Bereichen Sicherheits- und Brandschutztechnik. Der Verband hat vor wenigen Monaten einen entsprechenden Leitfaden veröffentlicht (siehe SicherheitsForum 1/2020, Seiten 11 bis 13). Das Thema dürfte also auch in der Projektleiterausbildung einen immer wichtigeren Stellenwert haben.

Ein Ausbildungsmodul beschäftigt sich mit IT und Leitsystemen. In diesem Rahmen wird Cybersicherheit teilweise aufgegriffen. Es kommt jedoch auf die Fachrichtung an: Wer aus dem Bereich Videoüberwachung kommt, wird Cyber-Security vertieft anschauen müssen. In der Fachrichtung Feuer ist das Thema (noch) nicht derart wichtig.

Wen will man mit der Projektleiterausbildung konkret ansprechen?

Wer bereits über ein paar Jahre Berufserfahrung in der Sicherheitsbranche verfügt, der kann diese Weiterbildung in Angriff nehmen. Auch wer als Fachmann mit technischem Hintergrund in die Sicherheitsplanung einsteigen möchte, ist mit diesem Angebot sehr gut bedient.

Betonen möchten wir aber, dass junge Sicherheitsfachleute, Männer wie Frauen, nicht zwingend den gesamten Lehrgang absolvieren müssen. Viele Teilnehmer besuchen auch nur einzelne Module, um ihr Fachgebiet zu vertiefen. Gerade wer die Fachrichtung Feuer einschlägt, fokussiert nicht selten auf sein Spezialgebiet, ohne den gesamten Lehrgang zu belegen.

Klar, wer den eidgenössischen Fachausweis in der Tasche haben möchte, muss die ganze Weiterbildung bestreiten und anschliessend die Prüfung bestehen. 

Wie sieht es aus mit branchenfremden Leuten?

Der Lehrgang kann grundsätzlich von jedermann absolviert werden. Doch für die Zulassung zur eidgenössischen Prüfung muss ein Erfahrungsnachweis erbracht werden.

Als Quereinsteiger nahmen schon Polizisten an der Weiterbildung teil. Auch Sanitäre, die Sprinkleranlagen montieren müssen, sind mögliche Kandidaten. Interessiert haben sich schon Bäcker oder Schreiner, die umsteigen wollten. Doch wer keinen elektrotechnischen Hintergrund mitbringt, für den ist die Ausbildung eher schwierig.

Wem ist von der Weiterbildung abzuraten?

Wer nicht bereit ist, einen Teil seiner Freizeit für den Lehrgang zu opfern, dem ist davon abzuraten. Aber wie gesagt, als Alternative kann man auch nur einzelne Module besuchen.

Wer beispielsweise eine Berufslehre als Elektriker hinter sich hat und neu in der Sicherheitsbranche tätig ist, für den ist die Ausbildung wohl auch noch etwas verfrüht.

Mit welcher Aufgabe würden Sie in Ihrem Unternehmen jemanden betrauen, der die Projektleiterausbildung absolviert hat und zuvor noch nie ein Projekt geleitet hat?

Ob diese Person auch fähig ist, im Praxisalltag ein Projekt zu leiten, ist trotz erfolgreicher Ausbildung nicht per se gesagt, sondern hängt von vielen anderen Faktoren ab: Bringt die Person auch das entsprechende technische Know-how mit, das für einen bestimmten Auftrag gefragt ist? Bringt er oder sie die nötige Erfahrung mit, die der kalkulatorische Teil eines Projekts verlangt? Unsere Ausbildung bietet das alles an, aber vielleicht nicht immer in der nötigen Tiefe, die für einen bestimmten Auftrag gefragt ist. Aber klar, wer die Ausbildung absolviert hat, soll mit der Zeit als Projektleiter eingesetzt werden. Doch die Leute müssen, wie überall, in solche Aufgaben hineinwachsen.

Wir müssen noch vermerken, dass viele Teilnehmer der Weiterbildung bereits als Projektleiter tätig waren und ihr Wissen vertiefen möchten.

Wie wertvoll ist der Abschluss, wenn jemand die Branche wechseln möchte? Da nützt ihm das Papier nicht besonders viel.

Da müssen wir klar widersprechen! In der heutigen Zeit sind möglichst viele Abschlüsse gefragt. Der «Projektleiter Sicherheit» ist genauso viel wert wie jede andere Weiterbildung. Jede Ausbildung hat einen positiven Effekt auf den Lebenslauf.

Von den rund 300 Stunden dieser Projektleiterausbildung bestehen etwa 120 aus Betriebswirtschaft, Projektmanagement, Selbstmanagement und Recht. Will heissen, dieses Know-how kann auch in einer anderen Branche sehr nützlich sein.

Welches sind weitere Ausbildungen, die auf dem «Projektleiter Sicherheit» aufgebaut werden können?

Mit der Fachrichtung Feuer wäre das zum Beispiel die Weiterbildung zum Brandschutzfachmann und Brandschutzexperten. Damit könnte jemand optimal auf Behördenstufe arbeiten: Einerseits bringt er das technische Know-how mit, andererseits hat er den Überblick über übergreifende Brandschutzkonzepte.

Mit der Fachrichtung Sicherheit kann er sich beispielsweise als Sicherheitsbeauftragter weiterbilden. Unsere Projektleiterausbildung ist die Basis, um sich im Sicherheitsbereich weiter zu spezialisieren.

Stephan Walti, Teamleiter Anlagebau, Securiton AG, Präsident der Kommission Qualitätssicherung im SES-Verband.

Othmar Schauli, Leiter Brandmelde- und Gaslöschsysteme, Minimax AG, SES-Prüfungsexperte für Projektleiter Sicherheit, Fachrichtung Feuer.

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