Erdbebensicheres Bauen

Erdbebeningenieurwesen und Baudynamik sind die Grundlagen des erdbebensicheren Bauens. Starke Erdbeben mit schweren Gebäudeschäden sind auch in der Schweiz möglich. Bauliche Massnahmen bieten jedoch einen effizienten Schutz sowie Rechtssicherheit.

Erdbeben gibt es überall, auch in der Schweiz.

Das Erdbebeningenieurwesen ist die Wissenschaft und Praxis des erdbebensicheren Bauens. Das Erdbebeningenieurwesen ist eng verwandt mit der Baudynamik, der Wissenschaft und Praxis der Bauwerksschwingungen. Bei Erdbeben bewegt sich der Boden rasch horizontal hin und her und vertikal auf und ab – horizontal mehr als vertikal. Die meist 10 bis 20 Sekunden dauernden Bodenbewegungen versetzen die Bauwerke in Schwingungen. Bei starken Erdbeben und Schwingungen entstehen grosse Beanspruchungen und je nach baulicher Ausbildung auch Schäden, das heisst Risse und örtliche Brüche des Baumaterials. Die Schäden am Tragwerk können zu kollapsartigen Einstürzen und zum Verlust von Menschenleben führen.

Geringer Mehraufwand

Heute weiss man sehr gut, wie Bauwerke erdbebensicher gestaltet werden können, so, dass auch bei sehr starken Erdbeben kein Einsturz erfolgen kann und die Schäden begrenzt bleiben. Bei Neubauten ist der Mehraufwand meist verschwindend gering; hingegen kann eine Nachbesserung
bezüglich Erdbebensicherheit aufwendig und kostenintensiv sein. Aber es gilt auch hier: «Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es!» Das Wissen allein genügt nicht, man muss es auch anwenden. In der Schweiz besteht zwar «nur» eine mittlere Erdbebengefährdung. Starke Erdbeben wie etwa in Siders 1946, in Brig 1855, in Obwalden 1601 und in Basel 1356 treten auf, allerdings seltener als in hoch gefährdeten Gebieten wie zum Beispiel Italien. Jedoch: Nicht erdbebengerecht erstellte Gebäude sind auch in der Schweiz einsturzgefährdet und können bereits bei relativ schwachen Erdbeben erhebliche Schäden aufweisen. Um die Anwendung des Wissens zu erleichtern, haben die Stiftung für Baudynamik und
Erdbebeningenieurwesen sowie das Bundesamt für Umwelt drei Faltblätter herausgegeben (siehe Infobox). Darin sind wesentliche Fakten zum erdbebensicheren Bauen in baulicher, finanzieller und rechtlicher Hinsicht auf prägnante und leicht fassliche Weise dargestellt. Die wichtigsten Aspekte werden hier kurz zusammengefasst.

Neue Bauten richtig planen

Das Faltblatt «Erdbebengerechte Neubauten in der Schweiz» betrifft neu zu planende Bauten. Der erdbebengerechte Entwurf eines Gebäudes und die fachgerechte und konsequente Umsetzung der Erdbebenbestimmungen der aktuellen SIA-Baunormen gewährleisten eine hohe Sicherheit für Personen und eine gesellschaftlich akzeptierbare Schadensanfälligkeit des Bauwerks. Dabei werden die architektonische Freiheit sowie die Nutzung des Gebäudes kaum beeinträchtigt. Die zusätzlichen Kosten für die Erdbebensicherheit betragen nur zwischen 0 und 1 Prozent der Baukosten. Bedingung ist, dass Architekt und Bauingenieur bereits beim Entwurf des Gebäudes eng zusammenarbeiten. Die folgenden Schritte
sind entscheidend:

  1. Der Architekt und der Bauingenieur entwerfen gemeinsam ein Konzept für ein erdbebengerechtes Tragwerk und ein Konzept für die Sicherung der sekundären Bauteile wie Fassaden, Zwischenwände, abgehängten Decken, Installationen, Einrichtungen usw.
  2. Der Bauingenieur berechnet und bemisst das Tragwerk sowie die Sicherungsmassnahmen für die sekundären Bauteile und legt die konstruktiven Einzelheiten fest.
  3. Der Gesamtleiter koordiniert die Realisierung der Massnahmen zwischen allen am Bau beteiligten Fachplanern und kontrolliert zusammen mit dem Bauingenieur die korrekte Ausführung der Massnahmen.
Für Erdbeben ertüchtigtes Wohngebäude in Fribourg mit vier aussen an den Fassaden hochgezogenen Stahlbetonwänden

Bestehende Bauten überprüfen und allenfalls verbessern

Das Faltblatt «Ist unser Gebäude genügend erdbebensicher?» handelt von bestehenden Bauten. Nicht erdbebengerecht erstellte Gebäude sind in allen Zonen der Schweiz gefährdet. Zahlreiche Gebäude haben eine ungenügende Erdbebensicherheit, gemessen an den heutigen Anforderungen
für Neubauten. Gründe dafür sind keine relevanten Bauvorschriften zur Bauzeit oder eine geringe Beachtung oder gar Missachtung der Normenanforderungen an die Erdbebensicherheit.

Wann sollte eine Überprüfung der Erdbebensicherheit stattfinden? Vor allem wenn ein Umbau oder eine Instandsetzung geplant ist, lohnt es sich, möglichst frühzeitig abzuklären, ob das Gebäude ausreichend erdbebensicher ist. Aber auch für funktional wichtige Gebäude oder solche mit grossem Schadenpotenzial ist eine systematische Überprüfung der Erdbebensicherheit ausserhalb von Bauvorhaben sinnvoll. So können allenfalls
notwendige Massnahmen zur Verbesserung der Erdbebensicherheit risikogerecht vorausgeplant werden.

Die Überprüfung eines bestehenden Gebäudes ist eine anspruchsvolle Aufgabe und sollte durch einen spezialisierten Erdbebeningenieur ausgeführt werden. Sie umfasst eine Untersuchung, eine Beurteilung sowie Empfehlungen zur Verbesserung der Erdbebensicherheit. Die Überprüfungskosten variieren stark in Abhängigkeit von der Komplexität des Gebäudes und vom Aufwand zur Erarbeitung sinnvoller Massnahmenvorschläge. Die Kosten können sich bei einem mittelgrossen Gebäude auf 15 000 bis 50 000 Franken belaufen. Bei Beauftragung eines spezialisierten Erdbebeningenieurs fallen meist geringere Überprüfungs- und Massnahmenkosten an.

Wie sicher ist sicher genug? Wie teuer ist nicht zu teuer? Im Merkblatt SIA 2018 (2004) sind die Mindestanforderungen sowie die Kosten-Nutzen-Kriterien für bauliche Massnahmen definiert. Die Kosten für die zu treffenden Massnahmen sind situationsabhängig und variieren stark, je nach Schwere und Umfang der Mängel. Nutzbare Synergien mit einem geplanten Bauvorhaben (Umbau, Instandsetzung) beeinflussen die Kosten
entscheidend. Im Faltblatt sind ausgeführte Beispiele mit Massnahmen und entsprechenden Kosten beschrieben. Zudem wird auf eine Beispielsammlung verwiesen.

Rechts- und Haftungsfragen vermeiden 

Das Faltblatt «Erdbebensicherheit von Gebäuden – Rechts- und Haftungsfragen» behandelt rechtliche Aspekte. Bezüglich der Haftung des Planers (Architekt und Bauingenieur) und des Unternehmers gilt der wichtige Grundsatz: Das sorgfältige und vollumfängliche Einhalten der SIA-Normen vermeidet rechtliche Probleme und entsprechende Schwierigkeiten für alle Beteiligten! Eine Abmahnung verhindert zwar eine Haftung des Planers gegenüber dem Bauherrn, aber weder eine ausservertragliche Haftung gegenüber Dritten (z.B. Mietern oder späteren Eigentümern) noch strafrechtliche Sanktionen.

Bezüglich des Hauseigentümers wird festgehalten: Jeder Bauherr (Hauseigentümer) ist grundsätzlich selbst verantwortlich für die Einhaltung der Regeln der Technik (Baukunde) und somit für die Durchsetzung der SIA-Normen für erdbebengerechtes Bauen. In den meisten Kantonen gibt es für private Bauten keine entsprechenden Auflagen und Kontrollen durch die Behörden. Im Faltblatt werden auch die Haftung des Verkäufers einer
Liegenschaft und weitere relevante Fragen angesprochen sowie Hinweise zu Verjährungsfristen gegeben.

1. Erdbebengerechte Neubauten in der Schweiz

Worauf es ankommt – und warum. Faltblatt hier zum Download

2. Ist unser Gebäude genügend erdbebensicher?

Wann eine Überprüfung und eine Verbesserung sinnvoll sind – und warum. Faltblatt hier zum Download

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