Gebäudetechnik: Planung von ­Beschallungsflächen

Wenn in einem Gebäude ein Notfallereignis eintritt, müssen die ­betroffenen Personen so schnell wie möglich darüber informiert und zur Selbstrettung animiert werden. Die Alarmierung der gefährdeten Personen kann durch eine Sprachalarmanlage (SAA) oder ein elektroakustisches Notfallwarnsystem (ENS) erfolgen. Wie werden solche Systeme geplant, damit am Schluss die gefährdeten Personen bei einem Ereignis auch die Selbstrettung einleiten?

Beschallungsflächen
Abb 1: Die Schallwellen werden aus den Lautsprechern in der Decke ausgegeben und im Raum verbreitet. Diese prallen, je nach Absorptionsgrad, mehr oder weniger stark von den Flächen im Raum ab.

Bei den Systemarten SAA und ENS ist, neben der zielgerichteten Alarmierung via Lautsprecher oder andere Alarmgeber, auch eine gewisse Ausfallsicherheit gegeben. Umgangssprachlich werden solche Systeme auch Evak-Anlagen oder ELA (elektroakustische Lautsprecheranlage) genannt, wobei diese Begriffe keine Aussage über die Qualität oder die Funktionalität der Anlage machen.

Gefährdete Personen erreichen

Neben dem Erreichen der gefährdeten Personen ist es zentral, dass diese korrekt reagieren. Der Schwerpunkt bei Evakuationsanlagen, auch bekannt als Evak-Anlagen, liegt auf der akustischen Alarmierung durch Sprache. Diese Methode bringt viele Vorteile, wie beispielsweise die individuelle Durchsagemöglichkeit sowie die schnelle Reaktion der gefährdeten Personen. Denn eines der wichtigsten Ziele solcher Anlagen ist die ausreichende Verständlichkeit. Sie kann am Schluss der Installation über eine Messung nachgewiesen werden. In der Branche spricht man dabei von der Masszahl STI (Speech Transmission Index). STI kann über mehrere Wege gemessen werden: Bei Evak-Anlagen hat sich in der Praxis die Messmethode STI-PA (Speech Transmission Index for Public Address Systems) bewährt.

Entscheidender Faktor

Wir kennen alle die Situation: In einem Gespräch versteht man das Gegenüber nicht gut, weil dieses zu weit weg ist, die Umgebung sehr laut ist oder andere Einflüsse die Kommunikation beeinträchtigen. Ähnlich verhält es sich bei Evak-Anlagen: Die akustischen Gegebenheiten müssen stimmen, damit die gefährdeten Personen auch verstehen, wie sie in ­einem Notfall reagieren müssen.

Raumakustik

Jeder Raum verhält sich akustisch anders. Gewisse Räume haben eine eher «trockene» Raumakustik. Dies bedeutet, dass die Materialien im Raum viele Schallwellen aufnehmen und nicht zurücksenden. Die Materien sind eher weich (z.B. Teppiche, perforierte Decken usw.). Wenn in einem solchen Raum eine Durchsage gemacht wird, ist sie tendenziell gut verständlich. Die Durchsage «hallt» in diesem Fall nur wenig.

Räume, in denen es hallt, sind das Gegenteil. Die Materialien in einem solchen Raum sind eher hart (Glas, Stein, Beton usw.). Sie werfen viele Schallwellen zurück. Wenn eine Durchsage in einem «halligen» Raum gemacht wird, ist es schwierig für die dortigen Personen, die Durchsage zu verstehen. Die Raumakustik hat einen entscheidenden Einfluss darauf, wie gut die Verständlichkeit ist, aber auch, wie das Raumklima sich für den Benutzer anfühlt (siehe Abb. 1).

Störschallpegel

Störende Geräusche kennt man vom Alltag (z.B. Strassen- oder Baulärm). In einem Raum haben Störgeräusche einen negativen Einfluss auf die Verständlichkeit.

Man stelle sich folgende Situation vor: Sie befinden sich an einem Bahnhof und hören eine Durchsage: Das «Nutzsignal» ist die Lautsprecherdurchsage mit wichtigen Informationen; das «Störgeräusch» ist ein durchfahrender Zug. In der Praxis ist deshalb der sogenannte «Signal-Rausch-Abstand» entscheidend. Das Nutzsignal (in unserem Beispiel die Durchsage) soll mindestens zehn Dezibel (dB) höher sein als das Störsignal (im Beispiel der vorbeifahrende Zug). Wenn dieser Praxiswert eingehalten wird, haben störende Signale nach wie vor einen negativen Einfluss auf die Verständlichkeit, dieser ist aber relativ tief.

Weitere akustische Einflüsse

Neben den oben eher rudimentär beschriebenen Einflüssen gibt es noch viele weitere Punkte bezüglich Akustik zu beachten, wie zum Beispiel das Thema Frequenzbereich, Nachhall (oder RT 60) oder Maskierungseffekt. Diese haben ebenfalls eine Relevanz für eine gute Verständlichkeit, der Fokus dieses Beitrages liegt jedoch in der Planung von Beschallungsflächen.

Die Wahl des richtigen Lautsprechers

Als Hauptalarmgeber werden bei Evak-Anlagen bekanntlich Lautsprecher eingesetzt. Die Ausführung ist dabei meistens in 100 Volt. Dies bedeutet, dass die Lautsprecher ab den Leistungsverstärkern (bei Vollaussteuerung) mit 100 Volt angesteuert werden und das Signal am Lautsprecher mithilfe eines Transformators abgenommen wird. Diese Technologie bringt bei solchen Anlagen Vorteile.

So können zum Beispiel die Kabelwege sehr lange ausgeführt werden und es können pro Lautsprecherlinie viele Lautsprecher hintereinander angeschlossen werden. Zudem ist ein individueller Leistungsabgriff pro Lautsprecher möglich. Die Lautsprecher gibt es in den verschiedensten Bauweisen und je nach Ausführung haben sie andere Eigenschaften. Es ist also wichtig, den passenden Lautsprechertyp für die benötigte Anwendung zu wählen. So sind Einbau- und Aufbaulautsprecher am besten geeignet, um eine gleichförmige, flächendeckende und gut verständliche Beschallung zu erreichen. Projektionslautsprecher hingegen werden hauptsächlich in Gängen eingesetzt, wo eine gerichtete Schallausbreitung erreicht werden soll.

Die üblichen Einsatzorte von Druckkammerlautsprechern sind aufgrund ihrer Witterungsbeständigkeit vorwiegend im Aussenbereich oder in lauten Umgebungen wie Industrie- oder Produktionshallen. Für spezielle Anwendung der Tunnelbeschallung, die absolut höchste Anforderungen an Planung, Akustik und Lautsprecher stellt, sind ­eigens dafür entwickelte Grenzflächenhörner erhältlich.

Tabelle 1 erläutert die wichtigsten Lautsprechereigenschaften sowie deren Bedeutung.

Beschallungsflächen
Tabelle 1: Sie erläutert die wichtigsten Eigenschaften sowie deren Bedeutung.

 

Planung von Beschallungsflächen

Aufgrund der beschriebenen akustischen Einflüsse ist nicht immer ganz einfach zu planen, wie viele Lautsprecher in welchem Fall notwendig sind respektive wo und wie diese montiert werden müssen, um eine ausreichende Verständlichkeit zu erreichen. In der Praxis unterscheidet man zwischen zwei Bereichen: einfache Beschallungsflächen und anspruchsvolle Beschallungsflächen.

Bei einfachen Beschallungsflächen sind die akustischen Einflüsse eher positiv oder gering. Wir haben einen eher tiefen Störschallpegel, die Raumhöhe und die Nachhallzeit sind eher tief und die verwendeten Flächen im Raum haben gute Absorptionseigenschaften. Typische Beispiele sind Büroräume, Sitzungszimmer, Grossraumbüros, Schulungsräume oder ähnliche Räume und Bereiche (viele weiche Materialien, eher ruhigere Umgebung usw.). Bei diesen Beschallungsflächen lässt sich relativ einfach einschätzen, wie viele Lautsprecher in gewissen Bereichen notwendig sind, damit das Resultat am Schluss ausreichend ist. Abbildung 2 (siehe unten) ist ein guter Indikator, um einschätzen zu können, wie viele Quadratmeter ein Lautsprecher bei welcher Montagehöhe abdeckt. Damit kann schnell eingeschätzt werden, wie viele Lautsprecher in einem Gebäude nötig sind, und damit auch, welche Kosten eine Anlage haben wird.

Bei anspruchsvollen Beschallungsflächen ist dies schwieriger zu bestimmen. Schallharte Oberflächen, hohe Räume, laute Störgeräusche oder eine schlichtweg komplexe Raumakustik haben einen hohen Einfluss auf das Gesamtergebnis. Bei der Planung solcher Flächen ist viel Erfahrung gefragt. Generell kann man sagen, dass bei diesen Flächen die Wahl der richtigen Lautsprechertypen, des Schalldrucks sowie der Montageposition (und Ausrichtung) sehr wichtig ist, damit eine ausreichende Verständlichkeit erreicht werden kann. Generell werden auch mehr Lautsprecher benötigt als bei einfachen Beschallungsflächen. Im Zweifelsfall wird empfohlen, eine Fachperson beizuziehen oder eine akustische Simulation des Bereichs durchzuführen, um keine negativen Überraschungen zu erleben.

Fazit

Bei der Planung und Projektierung von Evak-Anlagen haben akustische Parameter einen entscheidenden Einfluss, ob die Anlage ihre Hauptaufgabe, die Personen schnell und verständlich zu erreichen, erfüllen kann. Neben der Planung von Beschallungsflächen gibt es noch weitere wichtige Planungsschritte, wie zum Beispiel die Bestimmung des Beschallungsumfangs, den genauen Anlagetyp, die Alarmierungszone oder die Verdrahtungsart. Vorgängig muss abgeklärt werden, für welche Notfallszenarien die Anlage eingesetzt wird oder mit welchen Drittsystemen sie kommunizieren soll. Nicht zuletzt müssen solche Anlagen in ein Sicherheits- respektive Brandschutzkonzept miteinbezogen werden.

Zum Autor: Christian Gschwend, Obmann der Technischen Arbeitskommission SAA & ENS, SES-Verband.

Beschallungsflächen

Abb. 2: Gezeigt wird der Abdeckungsumfang von Lautsprechern.

SES-Grundkurs

Der SES, Verband Schweizerischer Errichter von Sicherheitsanlagen, bietet einen Kurs zum Thema Sprachalarmanlagen (SAA) und elektroakustische Notfallwarnsysteme (ENS) an. In der Weiterbildung an der Schweizerischen Technischen Fachschule Winterthur wird das Grundwissen über SAA und ENS geschult und Elemente aus der Planung, Ausführung und Wartung als Basisgrundlage vermittelt. Der eintägige Kurs findet mehrmals im Jahr statt. Anmeldung unter: bit.ly/3phY8rQ.

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