Gefahren und Gefährdungen bei Schweissarbeiten
Ob im Handwerk, in der Industrie oder auf Baustellen – Schweiss- und Schneidverfahren für Metalle sind aus guten Gründen weit verbreitet. Aus der Perspektive des Arbeitsmediziners zählen Schweissarbeiten jedoch zu den besonders gesundheitsgefährlichen und körperlich belastenden Tätigkeiten.
Neben dem häufigen Lichtbogenhandschweissen (LBH), Metall-Inertgasschweissen (MIG) und Metall-Aktivgasschweissen (MAG) gibt es Dutzende weitere verwandte Verfahren für die Metallbearbeitung, die dem Schmelzschweissen, Pressschweissen, Beschichten, Brennschneiden, Plasmaschneiden usw. zugeordnet werden. Entsprechend vielschichtig ist die Palette der damit verbundenen Gesundheitsrisiken und Verletzungsgefahren:
- Optische Strahlung: Durch Brennerflammen, Lichtbögen oder Schweissbäder entsteht eine intensive Strahlung, welche die ungeschützten Augen massiv schädigt; berüchtigt ist das sogenannte Verblitzen. Zu den sichtbaren kommen unsichtbare Strahlungsanteile im Infrarot- oder UV-Bereich; es drohen Netzhautverbrennungen und Hornhautschäden.
- Schadstoffe: Werkstoffe und Elektroden selbst sind zwar keine Gefahrstoffe, doch die bei Schweissvorgängen entstehenden Stäube, Dämpfe, Gase und Schweissrauche enthalten diverse Schadstoffe wie Metalloxid-Stäube, Kohlenmonoxid oder Ozon. Diese reizen nicht nur Haut und Augen, sondern gelangen beim Einatmen bis tief in die Lungen – es drohen Metallrauchfieber und Lungenkrebs.
- Hitze: Bei einigen Schweissprozessen tritt heftige Strahlungshitze durch Infrarotstrahlung auf. Dazu kommen heisse Metallspritzer und heisse Oberflächen, durch die eine permanente Verbrennungsgefahr besteht.
- Lärm: Brennschneidverfahren, Lichtbogen-, MIG- und MAG-Schweissen sind meist mit hohen Lärmpegeln verbunden, zudem ist bei Schweisserarbeiten bereits die Umgebung – Baustelle, Industriehalle, Werkstätte – oft recht laut.
Hohe körperliche Belastung: Nicht selten müssen Schweissarbeiten in räumlicher Enge durchgeführt werden oder in ergonomisch ungünstigen Körperhaltungen (in der Hocke, über Kopf). Solche Zwangshaltungen sowie das manuelle Bewegen schwerer Metallteile belasten Muskulatur und Skelett. - Mechanische Verletzungen: Beim Umkippen schwerer Werkstücke oder ungesicherter Gasflaschen drohen Quetschungen, scharfe Metallgrate und scharfkantige Oberflächen reissen Haut und Bekleidung auf, ein versehentlich ausgelöster Vorschub des Schweissdrahtes beim MIG/MAG-Schweissen kann zu Stichverletzungen führen.
- Elektrogefahren: Beim Elektro-Schweissen und Lichtbogenverfahren besteht stets ein Risiko für Stromverletzungen.
- Brand und Explosion: Schweissen zählt zu den feuergefährlichen Heissarbeiten. Schweissfunken können nicht nur die Augen irreparabel verletzen, sondern auch Brände auslösen. Funken, aber auch Brennerflamme und Lichtbogen werden zu Zündquellen, die einen Betrieb in Schutt und Asche legen können, wenn sich beispielsweise in Hohlräumen unbemerkt explosionsfähige Atmosphären gebildet haben oder in Behältern oder Rohrleitungen Lösungsmittelreste vorhanden sind.
Nicht jede Gefährdung tritt gleichermassen bei jedem Schweissverfahren auf. Beim LBH-, MIG- und MAG-Schweissen sind die Schadstoffraten meist besonders hoch. Auch unterscheiden sich die Schadstoffe je nach den jeweils verwendeten Elektroden, Brenn- und Schutzgasen. Durch Lacke, Überzüge, Öle und andere Oberflächenbeschichtungen oder Verunreinigungen steigt die Anzahl potenziell gesundheitsgefährlicher Substanzen weiter an. Beim Brennschneiden mit Hochleistungsdüsen kann es mit mehr als 85 dB sehr laut werden. Beim Plasmaschweissen oder Laserschneiden tritt gefährliche Strahlung auf. Beim Bewerten der Risiken sind daher stets sämtliche Gefährdungsfaktoren (chemische, thermische, elektrische, mechanische usw.) einzubeziehen und für das jeweilige Schweissverfahren in der konkreten Situation zu bewerten.
Schutz nach dem STOP-Prinzip
Für das Festlegen der Schutzmassnahmen bei Schweissarbeiten gilt die Rangfolge gemäss dem bewährten STOP-Prinzip:
Wichtig ist, nicht nur die Schweisser selbst zu schützen, sondern auch alle in der Nähe arbeitenden Kollegen. Schweissarbeiten sollten so eingeteilt werden, dass so wenige Mitarbeiter wie möglich und nicht länger als nötig den Belastungen ausgesetzt sind. Je nach Arbeitsumgebung ist auch auf Passanten, Patienten, Besucher usw. zu achten. Funkenflug, Flammen und Blitze ziehen Kinder – und auch manch Erwachsenen – magisch an. Niemand darf damit gefährdet werden, ungeschützt in Lichtbögen zu schauen oder Schweissrauche einzuatmen.
Dieser Fachartikel erschien in der gedruckten Ausgabe SAFETY-PLUS 1-2022.
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