Gefahrstoffe beim 3D-Druck

Der 3D-Druck-Markt verdoppelt sich etwa alle drei Jahre. Unternehmen, die 3D-Drucker einsetzen, müssen sich jedoch unbedingt mit Gefahrstoffen, Strahlung und Explosionsrisiken befassen.

3D-Druck
Bauteil im Pulverbett eines 3D-Druckers. Bild: AdobeStock

Ob der 3D-Druck – wie pro­gnostiziert – ein neues Produktionszeitalter eingeläutet hat, sei dahingestellt. Der gros­se Hype scheint vorbei zu sein, doch Fakt ist, dass die additive Fertigung in vielen Branchen angekommen ist und beginnt, die Arbeitswelt zu verändern. Denn die Vorteile für Konstrukteure und Entwickler sind unbestritten. Hochpräzise und geometrisch komplexe Strukturen mit filigranen Details und sogar integrierten Funktionen wie etwa Leiterbahnen lassen sich aus den unterschiedlichsten Materialien fertigen.

Additiv statt subtraktiv

Bei Diskussionen zu den Risiken des ­«Additive Manufacturing» muss man sich bewusst sein, dass 3D-Druck keine einheitliche oder streng definierte Technologie ist. Der Begriff umreisst vielmehr Dutzende von Fertigungsverfahren, von denen sich die wichtigsten einem der folgenden Typen zuordnen lassen:

  • pulverbettbasiert, z. B. selektives ­Laser- und Elektronenstrahl­schmelzen
  • düsenbasiert, z. B. Laser-Auftragschweissen mit Pulver oder Draht
  • Materialextrusion, bei der z. B. Filamente oder Granulate aus Kunststoff erhitzt werden
  • Photopolymerisation/Stereolitho­graphie, bei der sich lichtempfindliche Substanzen durch Einwirkung von Licht gezielt verfestigen, z. B. in der additiven Mikrofertigung

Allen 3D-Druck-Verfahren gemeinsam ist, dass eine Software das am Rechner konstruierte Objekt in Schichten schneidet und als digitales Datenmodell an den Drucker ausgibt, der das drei­dimensionale Bauteil Schicht für Schicht zusammensetzt. Da die Objekte durch Auftragen statt – wie beim Fräsen, Bohren, Fräsen, Sägen, Hobeln usw. – durch Abtragen entstehen, spricht man von additiver Fertigung im Gegensatz zu den herkömmlichen (meist subtraktiven) Verfahren. Anfangs wurden vor allem für die Branchen Automobil, Luft- und Raumfahrt sowie Medizintechnik die grössten Chancen gesehen, inzwischen kommen immer mehr Einsatzgebiete hinzu. Zahnkronen oder Hüftimplantate, Designerschmuck oder nicht mehr lieferbare ­Ersatzteile, künstliche Korallenriffe oder Fuss­gängerbrücken, Bauteile für Weltraumraketen oder für U-Boote, das Spektrum 3D-gedruckter Bauteile ist unüberschaubar. Gleichzeitig werden die Bauräume der Drucker grösser, die Druckgeschwindigkeiten steigen und die Druckverfahren werden vielseitiger, weil immer neue Aus­gangsmaterialien genutzt werden. Damit bleibt der 3D-Druck nicht länger auf Modelle und Prototypen beschränkt, sondern entwickelt sich in Richtung Kleinserienfertigung und weiter.

Gefahrstoffe beim 3D-Druck
Manuelles Einfüllen von Metallpulver vor dem Lasersintern. Bild: AdobeStock

Gefährdungen je nach Material und Druckverfahren

Auf den ersten Blick wirken die Produk­tionssysteme der additiven Fertigung elegant und sauber. Im Vergleich zu den klassischen Verfahren, etwa bei der Metallbearbeitung, ist ein 3D-Drucker lärmarm, es tropft kein Öl und es spritzen keine Kühlschmierstoffe. Doch ein tieferer Blick auf Sicherheits- und Gesundheitsaspekte zeigt materialspezifische wie technologiespezifische Gefährdungen. 3D-Drucker nutzen vor allem Kunststoffe, Harze und Metalle. Daneben wird mit vielen anderen Materialien gedruckt, von Keramiken und Carbonfasern über Beton bis zu Marzipan und sogar lebenden Zellen. Die Materialien liegen meist als Pulver oder Filamente vor, seltener auch als Pasten, Folien oder Pellets. Bei «Pulver» wird jeder Gesundheitsschützer aufhorchen, auch gelten nicht wenige der Ausgangssubstanzen als Gefahrstoffe. Weitere Gefährdungen basieren auf der Drucktechnologie. Je nach Verfahren gibt es Strahlungsquellen (Laser, UV) oder heis­se Düsen, auch werden Schadstoffe emittiert. Somit gibt es nicht die eine Gefährdung beim 3D-Druck, sondern man muss bei jedem Fall genau hinschauen, welche Materialien in welchem Druckertyp auf welche Weise verarbeitet werden.

Bewährte Schutzmassnahmen auf den 3D-Druck anwenden

Die gute Nachricht ist, dass die für die ­additive Fertigung relevanten Gesundheitsrisiken nicht komplett neu sind und bewährte Schutzmassnahmen zur Verfügung stehen. Diese sind vielfach bereits vom Druckerhersteller umgesetzt. Bei vielen 3D-Druckermodellen ist das Einhausen inzwischen Standard, ebenso, dass der Druckprozess in inerter Atmosphäre, d. h. unter Schutzgas, stattfindet. Zum Pulverhandling gibt es die aus Laboren bekannten Glove-Boxen (Handschuh-Kästen), die das Arbeiten ohne Pulverkontakt erlauben und weitere technische Lösungen. Gleichwohl ist jeder Betrieb, der die Anschaffung eines 3D-Drucker plant, gut beraten, sich frühzeitig und vorab Gedanken zu machen über die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der Mitarbeitenden, z. B.:

  • Welche Aufstellbedingungen des Druckers sind zu beachten, welche Anforderungen gelten z. B. für Temperatur, Luftfeuchte, Luftwechselrate usw.?
  • Kann der Drucker in einem separaten Raum stehen bzw. getrennt von ständig genutzten Arbeitsplätzen?
  • Ist der Boden im vorgesehenen Druckerraum leicht zu reinigen?
  • Benötigen wir eine Zutrittskontrolle zum 3D-Druckerarbeitsplatz?
  • Welche festen, flüssigen und gasförmigen Gefahrstoffe werden zum Einsatz kommen, welche werden entstehen und schützen wir Mensch und Umwelt?
  • Ist die Abschirmung vor der eingesetzten Laser- oder UV-Strahlung gewährleistet?
  • Wie können wir sämtliche Prozessschritte, auch Reinigung, Instandhaltung, Filterwechsel usw. gefahrlos durchführen?
  • Welche Schritte beim Pulverhandling wie Einfüllen, Aufbereiten, Sieben, Mischen, Recyceln von Restpulver usw. können bzw. müssen wir inertisieren?
  • Welche Schutzausrüstung benötigen die Mitarbeiter, die mit Pulver umgehen, wie Handschuhe, Augenschutz, Filtermasken, evtl. auch Einwegschutzanzüge und gebläseunterstützte Atemschutzgeräte?
  • Wie verhindern wir das Verschleppen von Pulvern in andere Arbeitsbereiche, z. B. durch Fussmatten, Umkleiden, selbstschliessende Zwischentüren u. a.?
  • Benötigen wir Ex-geschützte Indus-triesauger mit Nassabscheider?
  • Benötigen wir spezielle Feuerlöscher für Metallbrände?
  • Lässt sich – wenn das Risiko von Flüssigkeitsspritzern besteht – im Arbeitsbereich eine Augendusche installieren?
  • Wo und wie wollen wir Pulver lagern, wo könnte z.B. ein F90-Sicherheitsschrank stehen?
  • Haben wir geklärt, wie mit Pulver kontaminierte Reinigungsmittel, Filterkondensate, Flüssigkeiten aus Nass­abscheidern usw. fachgerecht entsorgt werden?

Neben der individuellen Beurteilung der Situation vor Ort sind – unabhängig vom Druckverfahren – wichtige Informationsquellen für jeden Anwender:

  • die Betriebsanleitung mit Informationen zu Restrisiken und Schutzvorkehrungen
  • die Sicherheitsdatenblätter der Ausgangsmaterialien, die Risiken und Schutzmassnahmen nennen

Dass 3D-Drucker – zumindest für einige Druckverfahren – inzwischen nicht nur in Baumärkten, sondern selbst auf den Wühltischen von Discountern zu finden sind, darf nicht dazu verleiten, in Sachen Gesundheitsschutz nachlässig zu sein. Für solche einfachen 3D-Tischdrucker, wie sie auch von Privatpersonen oder in Schulen verwendet werden, gilt: Bei bestimmungsgemässem Einsatz und den für die jeweiligen Filamente empfohlenen Temperaturen gelten grundsätzlich die gleichen Empfehlungen wie für herkömmliche Drucker in Innenräumen. Wichtig ist regelmässiges Lüften und dass die Abluftströme nicht auf den Arbeitsplatz gerichtet werden. Die Gefährdungen beim 3D-Druck wie Feinstäube, flüchtige Gefahrstoffe, Gase oder heisse Oberflächen sind in der Arbeitssicherheit bekannt. Daher müssen weder technische Massnahmen wie Lüftungen oder Absaugungen noch geeignete PSA noch Regeln zum Umgang mit Gefahrstoffen neu entwickelt werden. Entscheidend ist, dass die Risiken vor Ort ermittelt und die anderswo bewährten Massnahmen angewandt werden. Dies gilt besonders für Betriebe, die aus der klassischen Metallverarbeitung kommen, und sich bislang ganz anderen Gefährdungen ausgesetzt sahen als Feinstäube oder VOC. Hier sind das Aufklären und Schulen der Mitarbeitenden entscheidende Elemente einer erfolgreichen Prävention.

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