Gesunde Arbeitsplätze

Muskel- und Skeletterkrankungen (MSE) sowie psychische Gesundheits­probleme wie Stress und Angstzustände sind die beiden häufigsten Ursachen krankheitsbedingter Fehlzeiten in der EU. MSE betreffen Millionen von ­Arbeitskräften und verursachen den Arbeitgebern Kosten in Milliardenhöhe.

Die Prävention von MSE trägt dazu bei, das Leben der Arbeitnehmenden zu verbessern. Bild: depositphotos

Man geht davon aus, dass Stress für etwa die Hälfte aller Fehltage verantwortlich ist. Zwar sind physische Risikofaktoren in der Regel der wichtigste arbeitsbedingte Einflussfaktor für das Risiko, an MSE zu erkranken, doch können psychosoziale Faktoren dieses Risiko deutlich erhöhen oder zur Verschlimmerung einer bereits bestehenden Erkrankung beitragen.

Bei Menschen mit chronischen MSE können psychosoziale Faktoren ein Hindernis für die Rückkehr an den Arbeitsplatz (bzw. die Aufnahme einer Beschäftigung) darstellen. Ausserdem können psychosoziale Probleme wie Depressionen und Stress durch eine bestehende MSE (insbesondere dann, wenn sie mit chronischen Schmerzen verbunden ist) verstärkt werden. Es wird befürchtet, dass die Zunahme neuer Arbeitsformen (wie Telearbeit bzw. das Arbeiten von zu Hause aus) einen Anstieg psychosozialer Probleme zur Folge hat. Arbeitnehmer können sich in solchen ­Situationen ohne die Unterstützung ihrer Kolleginnen und Kollegen isoliert fühlen. Manchen Menschen fällt es schwer, bei der Telearbeit die Trennung zwischen (bzw. die Vereinbarkeit von) Privat- und Berufsleben aufrechtzuerhalten, was zu Konflikten führt. Andere hingegen empfinden die Telearbeit als vorteilhaft, weil sie ihnen ein Gefühl der Kontrolle verleiht.

Psychosoziale Risiken und die Rückkehr an den Arbeitsplatz

Psychosoziale Faktoren können auch einen Einfluss darauf haben, ob und unter welchen Umständen an MSE erkrankte Menschen an den Arbeitsplatz zurückkehren.

Erstens erhöhen, ähnlich wie physische Faktoren, arbeitsbedingte psychosoziale Risikofaktoren die Gefahr einer erneuten Erkrankung. Es ist daher wichtig, alle mit dem Arbeitsplatz verbundenen physischen oder psychosozialen Gefährdungen zu beseitigen, die die MSE ausgelöst oder verschlimmert haben könnten.

Zweitens können einzelne (nicht arbeitsbedingte) psychische Faktoren gros-sen Einfluss auf die Rückkehr an den ­Arbeitsplatz haben. Dazu gehört zum Beispiel, dass Betroffene die Erkrankung auf die Arbeit zurückführen oder glauben, die Arbeit sei schädlich und ihr Zustand werde sich durch die Rückkehr an den Arbeitsplatz verschlechtern. Es gibt Hinweise darauf, dass Faktoren wie eine «Somatisierungstendenz» (die Neigung, häufig auftretende körperliche Symptome besonders stark wahrzunehmen und sich deswegen zu sorgen) und Gesundheitsüberzeugungen – einschliesslich angstbedingten Vermeidungsverhaltens – mit dem Fortbestehen MSE-bedingter Schmerzzustände zusammenhängen und sich negativ auf die Rückkehr an den Arbeitsplatz auswirken können.

Wie verursachen psychosoziale Risikofaktoren MSE?

Verschiedene auf die «Stressreaktion» gestützte Theorien erklären, inwiefern psychosoziale Faktoren das MSE-Risiko erhöhen können. Wenn Betroffene ungünstigen psychosozialen Faktoren ausgesetzt sind, kommt es zu physiologischen Veränderungen im Körper (zur sogenannten «Stressreaktion»). Dazu gehören veränderte Atemmuster und ein beschleunigter Herzschlag. Anhaltender «Stress» kann zu hormonellen Veränderungen führen, z.B. zur Ausschüttung von Katecholaminen oder Kortikosteroiden. Eine erhöhte Muskelspannung, veränderte Prozesse bei der Gewebeheilung und eine verstärkte Schmerzempfindung sind alles Beispiele dafür, wie psychosoziale Faktoren die Entwicklung von MSE beeinträchtigen oder eine MSE verstärken können.

Zudem könnten Arbeitnehmer bei ­hohen körperlichen Anforderungen und fehlender Unterstützung (durch Kollegen und andere Menschen) versuchen, schneller zu arbeiten (und eventuell auf Pausen zu verzichten). Daher achten sie möglicherweise nicht auf die richtige Körperhaltung oder tragen zusätzliche Lasten (beides erhöht die Gefahr von Muskelverletzungen) oder sie werden nachlässig und gehen Risiken ein (mit entsprechend höherer Unfallgefahr). Zudem erholen sich die Betroffenen bei solchen Belastungen oftmals körperlich nicht ausreichend, wodurch sich das MSE-Risiko weiter erhöht. Psychosozialer Druck kann auch bei besonderer Anforderungsintensität entstehen, zum Beispiel aus Sorge um die Einhaltung von Zielen oder Fristen.

Präventionsmassnahmen

  • Um die Belastung durch Muskel- und Skeletterkrankungen sowohl auf der individuellen als auch der organisatorischen Ebene zu verringern, ist es wichtig, nach der Gefährdungsbeurteilung positive Massnahmen zur Beseitigung der physischen und psychosozialen Gefahren umzusetzen. Bei der Planung von Präventionsmassnahmen sollte Folgendes beachtet werden:
  • Erkannte Gefahren im Zusammenhang mit Belästigung oder Gewalt sollten vorrangig angegangen werden. Gewalt am Arbeitsplatz kann ein schwerwiegendes Sicherheits- und Gesundheitsproblem mit sowohl körperlichen als auch psychischen Konsequenzen darstellen.
  • Auch übermässige oder widersprüchliche Anforderungen können ein besonderes Problem sein; hier hilft es, Prioritäten, Rollen und Zuständig­keiten sowie Entscheidungswege klarzustellen.

Da psychosoziale Faktoren offenbar auch positive Auswirkungen haben können, bieten sich entsprechende weitere Massnahmen an. Während sich eine fehlende Unterstützung durch Kollegen oder Vorgesetzte nachteilig auswirken kann, ist es unter Umständen hilfreich, das Angebot und die Qualität der Unterstützung zu verbessern. Solche Massnahmen können auch helfen, die potenziell nachteiligen Folgen anderer negativer Faktoren abzumildern. Zum Beispiel könnte erwogen werden, Systeme zur Unterstützung der Arbeitnehmer   (u.a. Schulungen für Vorgesetzte und Führungskräfte) zu entwickeln. Unabhängig davon sollte aber immer zuerst versucht werden, das Ausmass der Überforderung zu reduzieren.

Solche Konzepte können nicht nur die Entstehung von MSE verhindern, sondern auch Menschen mit chronischen MSE helfen, ihre Tätigkeit fortzuführen. Mehrere Studien über chronisch kranke Arbeitnehmer haben gezeigt, dass die Unterstützung durch Vorgesetzte und Kollegen eine wichtige Rolle bei der Mitarbeiterbindung spielt (siehe Ressourcen).

Quelle: Informationsblatt der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, 2022 (EU-OSHA) zum Thema «Psychosoziale Faktoren bei der Prävention von Muskel- und Skeletterkrankungen (MSE)» vom 9.8.2022

 

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