Handy-Ablenkung kann tödlich sein

Eine neue Studie belegt: Zwei Drittel der Autofahrer und Fussgänger nutzen ihr Smartphone, während sie im Strassenverkehr unterwegs sind. Welche Gefahren dies mit sich bringt, zeigen Crashtests. Die Unfallforscher der Versicherung fordern konkrete Massnahmen, um der risikoreichen Handy-Nutzung im Verkehr entgegenzuwirken.

Eine kurze Handy-Ablenkung und schon ist der Automobilist auf der Gegenfahrbahn: es kommt zum Crash. Foto: R. Strässle

Smartphones werden sowohl von Autofahrern als auch von Fussgängern rege im Verkehr genutzt, obwohl dies äusserst riskant ist. An den Crashtests in Dübendorf zeigt die Unfallforschung der AXA Winterthur mit drei Crashs auf, welche Folgen die Ablenkung durch Smartphones im Verkehr haben kann. Ferner präsentiert sie die neusten Studienerkenntnisse der Stiftung für Prävention der AXA zur Handy-Nutzung auf Schweizer Strassen.

Die Ergebnisse zeigen: Rund zwei Drittel der befragten Autofahrer haben ihr Smartphone schon am Steuer genutzt, obwohl die Mehrheit (94%) dies selber als gefährlich einstuft.

Bettina Zahnd, Leiterin der Abteilung Unfallforschung & Prävention der Versicherung, veranschaulicht das Risiko: «Richtet man bei einer Autofahrt mit Tempo 50 den Blick nur zwei Sekunden lang auf sein Smartphone-Display, dann befindet man sich während 28 Metern im Blindflug.» Viele der befragten Autofahrer kennen dieses Risiko aus erster Hand. Jeder Dritte gab an, selber schon eine brenzlige Situation erlebt zu haben, weil er selber oder ein anderer Verkehrsteilnehmer durch das Smartphone abgelenkt waren.

WhatsApp wird auch beim Fahren genutzt

Laut Studie nutzen die Autofahrer das Handy am häufigsten zum Telefonieren oder als Navigationsgerät. Doch auch die textbasierte Kommunikation ist verbreitet: 23 Prozent der Autofahrer, die das Smartphone schon während der Fahrt genutzt haben, haben auch schon SMS oder WhatsApp-Nachrichten am Steuer gelesen, 13 Prozent selber Nachrichten geschrieben. Für Bettina Zahnd ist klar: «Nicht nur telefonieren, sondern auch Nummern eintippen, eine Route auf dem Navigationssystem suchen oder Nachrichten lesen, lenkt Autofahrer massiv ab.» Gemäss amtlichen Zahlen sind rund 21 Prozent aller Unfälle mit Personenschaden auf Ablenkung und Unaufmerksamkeit zurück zu führen. «Wir gehen davon aus, dass gerade auch die Nutzung von Smartphones dabei eine Rolle spielt. Zudem rechnen wir mit einer grossen Dunkelziffer, da Unfallursachen nicht immer genau eruiert werden können. So kann auch das Missachten des Vortrittsrechts letztlich eine Folge von Ablenkung sein», erklärt Zahnd.

Den Bussenkatalog erweitern

Bis anhin ist in der Schweiz während der Fahrt lediglich das Telefonieren ohne Freisprechanlage im Ordnungsbussenkatalog aufgeführt, und zwar mit 100 Franken. Bettina Zahnd sieht hier dringenden Handlungsbedarf: «Tätigkeiten wie das Lesen oder Schreiben von Nachrichten am Handy während der Fahrt sind deutlich gefährlicher als das Telefonieren ohne Freisprechanlage, da die Autofahrer den Blick nicht auf die Strasse, sondern aufs Display richten.» Zahnd fordert deshalb, dass jegliche Manipulationen an mobilen Geräten während der Autofahrt eine Busse nach sich ziehen müsste, und zwar deutlich höher als die genannten 100 Franken. Die Unfallforscherin Zahnd ist überzeugt, dass eine Busse zu einem erhöhten Problembewusstsein bei den Autolenkern führen würde. Drei Viertel der befragten Autofahrer (77%) würden die Einführung einer Busse laut Studie ebenfalls befürworten.

Die neue Gefahr: «Smombies»

Nicht nur Autofahrer, auch Fussgänger sind wegen ihren Smartphones gefährlich abgelenkt. Ein Drittel der befragten Fussgänger nutzt ihr Smartphone oft, wenn sie im Verkehr unterwegs sind, ein weiteres Drittel zumindest gelegentlich. Sogenannte Smartphone-Zombies – kurz „Smombies“ – richten ihre Aufmerksamkeit nicht auf die Strasse, sondern auf ihre Geräte und gefährden dadurch sich selbst und andere.

Bettina Zahnd erklärt: «Fussgänger nehmen Gefahren im Strassenverkehr mit Augen und Ohren wahr. Werden diese Sinne – etwa durch Musik hören, Videos schauen, Nachrichten lesen oder Apps checken – gedämpft oder gar ausgeschaltet, können Fussgänger sowohl Verursacher als auch Opfer von Verkehrsunfällen werden.» Die Unfallforscherin befürchtet, dass solche von „Smombies“ provozierten Unfälle zunehmen und die Opfer tendenziell jünger werden: «Unsere Studie zeigt, dass insbesondere Personen unter 35 Jahren das Smartphone überdurchschnittlich oft im Strassenverkehr nutzen.» Bei den 14- bis 25-jährigen Fussgängern verwendet mehr als die Hälfte ihr Handy oft oder sehr oft, wenn sie unterwegs sind, insbesondere um Musik zu hören, SMS oder WhatsApp-Nachrichten zu lesen oder zu schreiben sowie zum Telefonieren. Rund 30 Prozent dieser jungen Fussgänger spielt zudem Pokémon Go.

Auch Busse für Fussgänger

Besonders beim Überqueren einer Strasse sollte man laut Zahnd weder aufs Smartphone blicken noch Kopfhörer tragen dürfen. «Auch wenn sich Fussgänger mit ihrem Verhalten primär selbst gefährden, fordern wir, dass man beim Überqueren der Strasse keine Smartphones nutzen darf. Wenn sie es trotzdem tun, sollten auch Fussgänger gebüsst werden können». Dasselbe solle auch für Velofahrer gelten, die während der Fahrt an ihrem Smartphone hantieren. Zahnd: «Smartphones sind in unserem Alltag omnipräsent, man legt es kaum mehr aus der Hand, auch nicht wenn man unterwegs ist. Wir möchten dieser gefährlichen Entwicklung entgegenwirken.»

Dank einem 3D-Video kann der Zuschauer denn Unfall live miterleben

Neue Wege in der Prävention

Die AXA Winterthur geht mit einem 360-Grad-Video neue Wege in der Präventionsarbeit: «Dank Virtual Reality fühlt sich der Zuschauer in die Situation hineinversetzt – er erlebt den Unfall sozusagen mit. Ein zentraler Faktor in der Präventionsarbeit, wie unsere Erfahrungen zeigen», erklärt Zahnd.

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