Hohe Exklusivität fördert die Bedrohung
Gutsituierte Zürcher Juweliere werden immer wieder von dreisten, wenn nicht bewaffneten Dieben heimgesucht. Moderne Sicherheitstechnik leistet wichtige Dienste in der Fahndung und Einbruchprävention.
Die Stadt Zürich gehört zu den sichersten Städten. Die Kriminalitätsrate ist eigentlich niedrig. Die Stadtpolizei Zürich gibt hier einen Einblick in ihre Arbeit. Dabei offenbart Polizeisprecher Marco Cortesi spannende Zahlen und Fakten.
„Sicherheit gewinnt in City- und Shoppingzonen wie der Bahnhofstrasse an Bedeutung“, meint Urs Stadler von der Securitas AG.
Zürich, eines der teuersten Pflaster der Welt, zieht nicht nur Touristen, sondern auch gewiefte und organisierte Verbrecher an. Nicht nur zu Weihnachten werden viele Passanten durch glitzernde Vitrinen fasziniert. Ob in der Dämmerung oder am helllichten Tag, exklusive Objekte locken neben wohlhabenden Käuferschichten auch Kriminelle an, die das Quartier zwischen Bahnhofquai und Bellevue auskundschaften.
Überfälle auf Luxusunternehmen werden wegen möglicher Image- und Reputationsverluste zögerlich veröffentlicht. Allerdings kursieren spektakuläre Fälle, die Bijouteriebetreiber und Goldschmiede speziell in der Innenstadt von Zürich verzeichnen müssen. Renommierte Bijoutiers, gewiss auch Galerien, müssen ständig mit Einbrüchen rechnen. Die oft einzige Gegenmassnahme gegen vernetzte, organisierte Diebe: Moderne
Sicherheitstechnik.
Moderne „Raubritter“
Nicht nur prominente Adressen stehen im Fokus organisierter „Raubritter“, die Palette an filigranem Schmuck und begehrten Uhren lockt nicht nur vermögende Kunden, sondern auch Kriminelle in Verkaufs- und Beratungsräume. Beispielsweise passierte am 13. April 2013 ein spektakulärer Überfall (laut Tages-Anzeiger): An einem geschäftigen Samstag bittet um 9.40 Uhr eine vor der Filiale wartende Person um Einlass. Das Uhren- und Juweliergeschäft Türler öffnet automatisch die Türe.
Hierauf betreten vier Unbekannte das renommierte Geschäft, das von allen Seiten des Paradeplatzes gut zu observieren ist. Vier Angestellte
werden bei Türler unmissverständlich mit Waffen bedroht. Das ominöse Räuberquartett, bei der Polizei aktenkundig unter „Pink Panthers“, schmettert Vitrinen ein, um Luxusuhren im Wert von mehreren hunderttausend Franken zu stehlen. Beim Eintreffen der Polizei flüchten die Diebe mit Pistolen quer über den Paradeplatz mit einem grauen Sportwagen.
Um Personal und Passanten zu schützen, sei die Polizei „nicht gleich auf die Flüchtenden los“, erklärte Marco Cortesi, Polizeisprecher der Stadt Zürich. Gemäss Angaben fehlt bis heute jede Spur von der Bande.
Ein weiterer typischer Überfall an der Zürcher Luxusmeile ereignete sich am 4. Februar 2014 in der Bijouterie Chopard: Zwei Unbekannte konnten Schmuckstücke im Wert von mehreren hunderttausend Franken erbeuten. Der eine Täter war mit einer Faustfeuerwaffe ausgerüstet, sein Komplize trug Spezialwerkzeug mit sich. Um 10.45 Uhr verliessen die maskierten Männer die Bijouterie mit schweren Taschen und flüchteten mit einem Roller.
Die geschilderten „Einbrüche“ ereignen sich trotz vor Ort postierten Sicherheitsleuten und vernetzten Patrouillen. Leider wurden auch andere Boutiquen nicht verschont. Bei La Serlas, im selben Gebäude wie die Credit Suisse am Paradeplatz situiert, musste mehrere Male Raubüberfälle verzeichnen. Weil es beinahe unmöglich ist, bei schubartigen, gezielten Überfällen Diebe zu verhaften, kommen Luxusboutiquen, aber auch Kleinbetriebe nicht umhin, mo- derne Sicherheitssysteme zu installieren.
Stringente Sicherheitsarchitektur
Kürzlich hat Cartier einen Flagshipstore hinter dem Paradeplatz eröffnet. Die Sicherheitselemente der Filiale zeigen keine offensichtlichen schweren Verriegelungen. Die Boutique hat eher etwas von einer Fregatte, die räumlich durch schimmernde Edelmaterialien und feine, ineinandergeschachtelte Elemente unterteilt wird.
Moderne Sicherheitsanlagen sehen also nicht wie Hochsicherheitsbetriebe aus, sondern wie bequeme Lobbys, die allerdings den „Aktionsradius“ von kriminellen Kräften berücksichtigen. Um typische Diebstähle zu verhindern, könnte man mit geschlossenen Vitrinen arbeiten. Moderne Sicherheitssysteme berücksichtigen jedoch weit mehr. Der Sicherheitsanbieter Axis empfiehlt beispielsweise ein Videoüberwachungssystem für folgende Punkte:
Abschreckung und Prävention, verkürzte Reaktionszeit, eine Echtzeitanalyse, Vergleiche von Einbruchprofilen.
„Wer diskreter vorgehen möchte“, empfiehlt Ralph Siegfried, Business Development Manager Retail Axis, „nutzt Sensoreneinheiten, die zum Beispiel im Eingangsbereich dezent installiert werden. Einfaches Design tut ihr Übriges. Beispielsweise ähnelt die Axis M3014 einem
Deckenstrahler, oder eine unserer Panoramakameras ist kaum von einem Rauchmelder zu unterscheiden.“
Es versteht sich von selbst, dass Boutiquenbesucher durch schusssicheres Glas geschützt und durch Video Surveillance studiert werden. Im ungünstigsten Fall muss jedoch ein Juwelendieb damit rechnen, in einer Schleuse abgesondert zu werden, bis die Interventionseinheit eintrifft.
Erleichterte Arbeitsprozesse
„Sicherheit gewinnt in City- und Shoppingzonen wie der Bahnhofstrasse an Bedeutung“, meint Urs Stadler von der Securitas AG. Gleichwohl wird das Themengebiet zu Recht diskret behandelt. Die Geschäftsleitung hinter den eigentlichen Verkaufskorridoren besitze jedoch Technologien, um jederzeit in das gesamte Geschehen einzugreifen. Seien es die Vorgänge im Geschäft selbst oder weitere Bereiche:
Unauffällige, hocheffektive Kameras könnten sogar auf Verkaufstischen für detaillierte Kontrollen eingesetzt werden.
Spezialkameras können sowohl Stückzahl wie kleinste Details filigraner Saphir- und Diamantencolliers wiedergeben. Die Details sind inzwischen bei Dämmerlicht in höchster Resolution zu erkennen. Jegliche Geschäfts-Transaktionen können heute per IP-Kameras dokumentiert werden. Wie gut können mehrere Verkaufsbereiche gleichzeitig kontrolliert werden, ohne stets die Monitore überwachen zu müssen?
Gewisse Software-Applikationen können automatisch einen Alarm auslösen, falls ungewöhnliche Kommunikationsmuster auftreten. Damit entfällt auch ein psychischer Druck beim Verkaufspersonal, Überwachungsfunktionen wahrzunehmen. Je nach Causa überblicken Sicherheitsangestellte
die Situation in Echtzeit und Spezialisten können über einen automatischen Fernzugriff die notwendigen Massnahmen einleiten.
Bei La Serlas in Zürich ist es übrigens per Videotechnik gelungen, einen Ladenspäher dingfest zu machen, der beim Boutiquenüberfall 2008 beteiligt gewesen sein soll.
(Text aus Sicherheitsforum, SF6, Nov. 2015, von Michael Merz)