«Im internationalen Umfeld steht die Schweiz gut da»

Künstliche Intelligenz, Drohnen, vernetzte Plattformen und Robotik sind nur einige der «emerging trends» in der Privatindustrie. Doch wie reagiert das Bundesamt für Rüstung auf neue technologische Herausforderungen? Im Interview: Martin Sonderegger, Rüstungschef Armasuisse.

«Im internationalen Umfeld steht die Schweiz gut da»
Martin Sonderegger ist seit über 35 Jahren im Sicherheits- und Rüstungs­bereich tätig, davon seit über sieben Jahren als Rüstungschef im Bundesamt für Rüstung Armasuisse. © VBS/DDPS

Herr Sonderegger, was sind aus Ihrer Sicht die aktuell prägendsten technologischen Mega­trends, von welchen sowohl das ­Militärumfeld als auch die Privat­industrie profitieren?

Innerhalb des Bundesamtes für Rüstung, Armasuisse, verfolgen und beurteilen Mitarbeitende des Bereichs Wissenschaft und Technologie aktuelle und zukünftige Technologietrends. Dabei haben sie insgesamt 13 Megatrends identifiziert, welche für die Entwicklung von Streitkräften zentral sind. Viele davon haben einen Dual-Use-Charakter, sind also für zivile als auch militärische Anwendungen interessant. Besonders erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang: eine sichere Vernetzung des Cyberspace mit physischen Komponenten; der Umgang mit grossen Daten­mengen und künstlicher Intelligenz; Anwendungen der Robotik in zivilen und militärischen Szenaren und die Er­schlies­sung grüner Energie zur Erreichung der Klimaziele des Bundes.

Der Technologiewandel und die Technologieverbreitung nehmen eine exponentielle Form an. Wie wirkt sich der «Beschleunigungsfaktor» auf die Beschaffungszyklen beim Militär aus?

Militärische Systeme sind in der Regel mehrere Jahrzehnte in Betrieb. Oft sind es jedoch deren technologische Komponenten, die rasch veralten. Dieser Entwicklung ist mit einer Beschleunigung des Rüstungsablaufs nur teilweise beizukommen. Einerseits ist bei der Beschaffung neuer Systeme auf deren Entwicklungspotenzial und offene Schnittstellen zu achten. Andererseits braucht es aber auch neue Vorgehensweisen, um moderne Technologien in Systeme zu integrieren. In diesem Kontext wird oft von agiler Entwicklung gesprochen. Das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) arbeitet seit einem guten Jahr an der Etablierung von Innovationsprozessen, wobei diese im Sinne einer breiten Ideenfindung möglichst offen ausgestaltet werden sollen. Unter anderem führt mit Unterstützung von Armasuisse Wissenschaft und Technologie die Schweizerische Gesellschaft für Technik und Armee (STA) Innova­tionstage durch. Diese Tage geben der Privatindustrie die Gelegenheit, sich aktiv an diesen Innovationsprozessen zu beteiligen. Ziel dieses Ansatzes ist es, in der Schweiz die notwendigen Kompetenzen auf dem neusten Stand zu bündeln und die Lösungsfindung zu den Herausforderungen der Armee agiler zu gestalten. Damit gewinnen wir Erfahrung im Umgang mit neuen Technologien in unserem Umfeld und sparen Zeit bei deren Einführung.

Welche Trends aus den sicherheits­relevanten Wirtschaftszweigen prägen die Entwicklung und wie werden Steuerungsinstrumente des Bundes zur Stärkung der sicherheitsrelevanten Technologie- und Industriebasis (STIB) eingesetzt?

Im Prinzip können die Trends in Verbindung gebracht werden mit den zukünftigen Anforderungen der Armee. Um diese zu beurteilen, hat Armasuisse die damit verbundenen Technologien auf einer Liste zusammengetragen und mit Prioritäten versehen. Dabei stehen Technologien aus den Bereichen der Sensorik, der Kommunikation und der Informationsverarbeitung im Vordergrund. Selbstverständlich sind aber auch Technologien und indus­trielle Kernfähigkeiten wichtig, welche die Durchhaltefähigkeit der Armee stärken. Diese Liste wurde als Anhang zur Offset-Policy veröffentlicht und kann auf der Homepage der Armasuisse heruntergeladen werden.1 Sie hilft zum Beispiel bei Offset-Geschäften bei der Zuweisung von Multiplikatoren, mit denen Gegen­geschäfte im Bereich der sicherheitsrelevanten Kerntechnologien noch stärker gefördert werden können. Auch über das neu revidierte Bundesgesetz zur öffentlichen Beschaffung kann die STIB gestärkt werden. So können mit der gezielten Beschaffung im Inland einheimische Firmen besser berücksichtigt werden, wenn diese für die Landesverteidigung oder die Wahrung öffentlicher Interessen der Schweiz wichtig sind.

«Im internationalen Umfeld steht die Schweiz gut da»
Das Schweizer Drohnen- und Robotik-Zentrum von Armasuisse Wissenschaft und Technologie forscht u.a. mit der ETH Zürich und dem Kommando Kampfmittel­beseitigung und Minenräumung (KAMIR) gegenwärtig an einem Tauchroboter. © VBS/DDPS

Wie werden die Hochschulen und die Privatindustrie bei der Innovationsförderung für die Armee einbezogen?

Der Einbezug von Hochschulen und Privatindustrie ist bei einem offenen Innovationsansatz selbstverständlich. Dazu wenden wir verschiedene Innovationsräume, wie beispielsweise Wettbewerbe oder Idea Labs, an. Die Industrie soll aber auch aktiv an der Umsetzung innovativer Lösungen beteiligt werden. Dies beginnt mit der Herstellung und Integration von Prototypen und der Durchführung von Test-Runs. Armasuisse organisiert ebenfalls Veranstaltungen, in denen die Industrie ihre Lösungen präsentieren kann, wie beispielsweise letztes Jahr auf dem Gebiet der Drohnenabwehr auf dem Waffenplatz von Bure im Kanton Jura. Zudem strebt Armasuisse in ausgewählten Gebieten auch Partnerschaften mit der Industrie und Hochschulen zur Förderung von Innovation an. So ermöglicht der Cyber-Defence-Campus in Lausanne die Zusammenarbeit von Studierenden der EPFL, Mitarbeitenden aus Unternehmen und aus dem VBS in gemeinsam genutzten Räumen. Dasselbe wird zurzeit auch in Zürich realisiert. Der Einbezug kann also vielfältig sein. Beide, sowohl Hochschulen als auch Industrie, sind wichtige Partner für den Innovationsprozess.

Die Entwicklung von Robotern und autonomen Waffensystemen schreitet rasch voran. Die moderne Kriegs­führung dürfte dadurch markante Veränderungen erfahren. Mit welchen Entwicklungen beschäftigt sich das Schweizer Drohnen- und Robotik-Zentrum (SDRZ VBS)?

Das Schweizer Drohnen- und Robotik-Zentrum beobachtet die internationalen Entwicklungen in der Breite. Obwohl es selber keine Forschungs- und Entwicklungsvorhaben in Richtung autonomer Waffensysteme vorantreibt, bleibt eine Bewertung solcher Systeme in aktuellen Konfliktgebieten eine wichtige Aufgabe zur Einschätzung der damit verbundenen Bedrohung. Deshalb konzentriert sich das SDRZ VBS unter anderem auf die Abwehr von Mikro- und Minidrohnen. Der Schwerpunkt wird jedoch auf Unterstützungsaufgaben gelegt, bei denen der Mensch durch den Einsatz von Robotern aus Gefahrensituationen he­rausgehalten oder von schmutzigen und monotonen Arbeiten entlastet werden kann. Konkret bietet sich dabei der Einsatz im Bereich Katastrophenschutz beziehungsweise Genie und Rettung an. Roboter können einsturzgefährdete Gebäude durchsuchen, Verletzte bergen, Trümmer an Gefahrenstellen wegräumen, Gebiete überwachen oder Nachschub sicherstellen. Dazu findet jährlich ein Anlass in einem militärischen Umfeld statt, an dem neue Technologien aus der Robotik in einem Trümmerdorf einem interessierten Publikum vorgestellt werden. Daran beteiligen sich sowohl Hochschulen als auch private Unternehmungen.

Wo steht die Schweiz im Umfeld im Vergleich zum internationalen Umfeld?

Durch eine konsequente Forschungs- und Innovationsförderung durch das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation steht die Schweiz im internationalen Umfeld gut da. Der Schweiz wird im internationalen Vergleich immer wieder eine hohe Innova­tionskraft attestiert. Es ist ihr unter anderem gelungen, Forschungsinstitute sehr innovativer Firmen in der Schweiz anzusiedeln, wie beispielsweise IBM, Google oder Pixar. Auch im Bereich der Robotik gilt die ETH Zürich als eines der weltweit führenden Forschungszentren. Die Förderung von Start-ups trägt in der Schweiz Früchte. Die Voraussetzungen für die Schweiz, im Bereich der «emerging technologies» mitzumischen und diese in Form marktreifer Produkte wirtschaftlich zu verwerten, sind also sehr gut. Inwieweit dies dann tatsächlich geschieht, da gehen die Meinungen aus­einander. Trotz aller Unkenrufe war das wirtschaftliche Wachstum der Schweiz sehr gut, was wahrscheinlich sowohl auf eine hohe Innovationskraft als auch auf ein liberales Wirtschaftsmodell zurückzuführen ist.

1) Offset-Register

Offsets oder Industriebeteiligung sind alle Arten von Kompensationsgeschäften im Zusammenhang mit Rüstungs­beschaffungen im Ausland. Um die Transparenz beim Thema Rüstungs­beschaffungen weiter zu stärken, informiert das Bundesamt für Rüstung Armasuisse neu jeweils auch in Jahresberichten über die Umsetzung der Rüstungsstrategie des VBS.

 

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