Kakao aus illegalem Anbau in Schweizer Schokolade?
Mit der Gründung der Schweizer Plattform für nachhaltigen Kakao und der Lancierung der Imagekampagne „Esprit Chocolat“ will die Schweizer Schokoladenindustrie aufzeigen, dass sie sich aktiv für mehr Nachhaltigkeit im Bereich Kakao einsetzt. Mighty Earth zeigt in ihrem Bericht Chocolate‘s Dark Secret aber auf, wie substantielle Mengen von illegal in westafrikanischen Nationalparks angebautem Kakao Eingang in die Schweizer Schokoladenindustrie kommen. Kinderarbeit muss umgehend gestoppt werden.
Der Bericht von Mighty Earth zeigt auf, dass in mehreren Schutzgebieten von Ghana und Côte d‘Ivoire inzwischen über 90 Prozent der Fläche illegal abgeholzt und Kakao angebaut worden ist. Im ursprünglich mehrheitlich von Regenwald bedeckten Staat Elfenbeinküste sind heute noch knapp vier Prozent der Fläche dicht bewaldet. Von mehreren hunderttausend Elefanten sind noch zwischen 200 und 400 übrig geblieben. Viele andere Arten sind vom Aussterben bedroht, weil ihre Lebensräume weiter schrumpfen. Das verantwortungslose Handeln der Kakaobranche bei der Beschaffung hat auch in Ghana zu einer weitgehenden Entwaldung geführt.
Mighty Earth hat durch Recherchen vor Ort belegen können, dass auch Schweizer Firmen illegal angebauten Kakao kaufen. „Wir mussten feststellen, dass die lange Tradition der Schokoladenindustrie, ihr eigenes Engagement für Nachhaltigkeit herauszustreichen, sie nicht davon abgehalten hat, bei der Beschaffung von Kakao den Nachhaltigkeitsgedanken mit Füssen zu treten“, sagte Etelle Higonnet, Campaign and Legal Director von Mighty Earth. Kissed by Deforestation, ein Folgebericht der Organisation belegt denn auch ein hohes Risiko für grossflächige Abholzung für Kakao in weiteren Ländern wie Kamerun, Indonesien, Ecuador und Peru. Barry Callebaut und Nestlé haben inzwischen öffentlich dazu verpflichtet, sich weltweit für ein Ende der Abholzung von Wäldern für Kakao einzusetzen und Chocolats Halba (Coop) will künftig nur noch Kakao einkaufen, der im Schatten angebaut worden ist. Lindt, Interfood, Chocolat Frey (Migros) und andere Schweizer Hersteller haben noch keine solchen Versprechen abgegeben.
Kakao und die Menschen in Westafrika
Der grösste Teil des weltweit angebauten Kakaos stammt aus Afrika, 40 Prozent alleine aus Côte d’Ivoire. Für Millionen von Kleinbauernfamilien ist der Kakaoanbau oft die einzige Einnahmequelle – die Mehrheit von ihnen lebt unter der Armutsgrenze und verdient deutlich weniger als einen Franken pro Tag. Miserable Arbeitsbedingungen und Kinderarbeit sind weit verbreitet. “The cocoa industry continues to exploit both forests and communities of West Africa for cocoa that is sold for large quantities of cheap, environmentally unsustainable cocoa beans. The low price of cocoa is costing us dearly here in Côte d’Ivoire in terms of deforestation and abuses of human rights. It is high time for the industry to start paying growers a living wage and to implement sustainable production practices to ensure the resilience of local ecosystems, because without forests we will all suffer and pay sooner or later,” sagt Sindou Bamba, General Coordinator der Coalition of Ivorian Human Rights Actors (RAIDH).
Kakao und die Schweiz
Kakao ist eine boomende Branche der Schweizer Wirtschaft, die Schweiz ist führend in verschiedenen Bereichen der Wertschöpfungskette: Gemäss Bilanz werden über 50 Prozent des weltweiten Rohkakaohandels über Schweizer Firmen abgewickelt. Schweizer Firmen brechen, rösten und vermahlen die braunen Bohnen und exportieren den verarbeiteten Kakao weltweit. Die Schweiz stellt aber auch erfolgreich Schokolade her: Zusammen mit Holland, Deutschland und Belgien gehört sie zu den vier grössten Produzenten weltweit und liefert in rund 150 Länder. Im vergangenen Jahr verkauften die Mitglieder des Branchenverbands Chocosuisse im In- und Ausland 190’731 Tonnen Schweizer Schokolade. Sie beschäftigten rund 4600 Mitarbeitende und erzielten zusammen einen Umsatz von 1857 Millionen Franken. Herr und Frau Schweizer assen 2017 rund 10,5 kg. Schokolade.
Nebst Import/Export und Verarbeitung von Kakao sowie Herstellung und Konsum von Schokolade geht es aber auch um Investitionen in die Kakao- und Schokoladenindustrie: Bund, Kantone und Gemeinden haben via ihre Pensionskassen zum Teil substantielle Beträge in die Kakao- und Schokoladenbranche investiert – und dies schon vor den zögerlichen Reformen in der Branche – sie scheinen damit die illegale Abholzung von Nationalparks in Ghana und der Elfenbeinküste zumindest zu tolerieren. Private Schweizer Investoren wie die UBS, Credit Suisse, Zürcher Kantonalbank, Le Groupe Pictet und Flossbach von Storch investieren ebenfalls in massiv in Schokolade und auch in Unternehmen, die Kakao aus illegalem Anbau oder aus entwaldeten Gebieten in ihrer Lieferketten haben.
Quellen
Text: Mighty Earth
Das dreckige Geschäft von Nestle (ARD-Doku 2017)
Eliminating Deforestation from the Cocoa Supply Chain
Schweizer Plattform für nachhaltigen Kakao
Eckdaten der Schweizer Schokoladeindustrie 2016