Körperliche Belastungen vermeiden
Rund 670'000 Mitarbeitende in der Schweiz leiden unter körperlichen Beeinträchtigungen und fehlen im Schnitt drei Tage im Jahr. Die physischen Belastungen stehen jedoch in engem Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz.
Laut der Suva kostet ein Arbeitsausfall pro Tag rund 1000 Franken. Wenn Mitarbeitende jedoch früher den Betrieb verlassen, bedeutet das mitunter auch einen grossen Know-how- und Kostenverlust für die einzelnen Unternehmen. Belastungen aufgrund berufsbedingter Schäden am Bewegungsapparat kosten die Schweizer Betriebe rund zwei Milliarden Franken im Jahr. Die Folgen vieler körperlicher Überbeanspruchungen sind Muskelskeletterkrankungen.
Laut der Europäischen Unternehmenserhebung über aufkommende Risiken (ESENER) sind rund 60 Prozent der Bevölkerung von MSE-Erkrankungen betroffen. Die Studie zeigt auch, dass 20 bis 30 Prozent der Unternehmen das Thema unterschätzen. Der Arbeitgeber ist gemäss Artikel 6 des Arbeitsgesetzes verpflichtet, alle Präventionsmassnahmen anzugehen, die für den Betrieb angemessen sind. Auch das Unfallversicherungsgesetz kennt eine explizite Verordnung zum Thema Lastenhandhabung. Die Suva greift diese Anforderungen mit Checklisten und Grenzwerten am Arbeitsplatz (Richtwerte) auf. So kennt man beispielsweise die für Männer und Frauen zumutbaren Lasten. Diese liegen bei Männern bei maximal 25 kg, bei Frauen bei maximal 15 kg.
Zunehmende Berufskrankheiten
Die Belastungen hängen aber auch mit dem zunehmenden Leistungsdruck in den jeweiligen Branchen zusammen. Die Arbeitsintensivierungen, bedingt durch neue Organisationsformen, haben in der Industrie und im Dienstleistungssektor seit 2014 stark zugenommen. Allgemein wird das Risiko von zunehmenden Berufskrankheiten als sehr hoch taxiert. Auch gemäss dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) sollten Unternehmen bessere Schutzfaktoren und Ressourcen bereitstellen: Je nach Arbeitsorganisation und Autonomie lässt sich das Arbeitstempo reduzieren und der Arbeitsplatz den Gegebenheiten anpassen.
Die Suva hat ein Präventionsprogramm zum Umgang mit schweren körperlichen Belastungen erarbeitet. Dieses Programm wurde initiiert, um die branchenspezifischen Risiken für Berufskrankheiten am Bewegungsapparat zu reduzieren. Den Fokus bei der Ausarbeitung legte die Suva auf drei Projekte, unter anderem auf den Bereich Heimlieferungen, beginnend mit den Getränkelieferanten und dem Pflegepersonal.
Schrittweise soll das Präventionswissen auch für die Logistik und die Baubranche adaptiert werden, hiess es im Oktober 2021 an einem Vortrag an der 18. Schweizerischen Tagung für Arbeitssicherheit (STAS). Die entsprechenden Massnahmen befänden sich bereits in der Pilotierungsphase, bevor weitere Kampagnen in den jeweiligen Branchen gestartet werden.
Beurteilung von Lasten
In der Checkliste «Beurteilung der körperlichen Belastung: Heben und Tragen von Lasten» werden Leitmerkmale einer typischen Belastung im Arbeitsalltag herangezogen, unter anderem das Gewicht der Last, aber auch die Körperhaltung und die Arbeitsbedingungen.
Bei der weiteren Auswertung geht es darum, die typische Belastung nach täglichen Zeitintervallen zu klassifizieren. Die Körperhaltung und Distanz zu einer Last spielen bei der Situationsanalyse ebenfalls eine Rolle. Visualisiert in der Checkliste werden je nach Lastsituation auch verschiedene Körperhaltungen, die als typische Mittelwerte angekreuzt werden können. Bei weiteren Arbeitsbedingungen werden Mitarbeitende zu typischen Behinderungen, Platzverhältnissen und zur Standsicherheit befragt, um den Betrieben die Definition von Massnahmen zu ermöglichen. Bei der Beurteilung der Lastenhandhabung werden unter anderem folgende Faktoren beurteilt: Gewicht/Kraftaufwand, Häufigkeit/Dauer, Körperhaltung und Ausführungsbedingungen.
Bei Lasten ab 15 kg für Frauen respektive 25 kg für Männer ist laut der Suva eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Bei regelmässigem Heben und Tragen respektive einer Beanspruchung von mehr als vier Stunden pro Tag (bei 7 kg für Frauen und 12 kg für Männer) ist ebenfalls eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Im Präventionsmodul der Suva zum Thema «Lasten clever anpacken» geht es um das eigentliche Erkennen von Risiken, das Verstehen von Zusammenhängen bei Beschwerden und Tätigkeiten sowie um das persönliche Verhalten und auch um das Üben neuer Grundtechniken. Zunächst wird die Ist- und Soll-Situation im Betrieb besprochen. Hintergrundwissen zur Anatomie der Wirbelsäule und Bandscheibe sowie entsprechende Lockerungsübungen vermitteln den Einstieg in die Thematik.
Weitere Informationen
Beim Präventionsmodul «Richtig Heben und Tragen» besucht eine Fachperson der Suva den Betrieb und führt mit den Mitarbeitenden eine Schulung zur Arbeitstechnik durch. Vorgängig werden die typischen Belastungen im Betrieb angeschaut und auch viele Hinweise zur Arbeitsplatzgestaltung gegeben.Zur Beurteilung der körperlichen Belastung in einer Arbeitssituation gibt es folgende Beurteilungsmethoden der Suva:
Arbeitsplatzcheck: www.suva.ch/66128.d
Heben und Tragen: www.suva.ch/88190.d
Ziehen und Schieben: www.suva.ch/88293.dBei der Lastenhandhabung werden folgende Faktoren beurteilt: Gewicht/Kraftaufwand, Häufigkeit/Dauer, Körperhaltung und Ausführungsbedingungen (Umgebungsbedingungen).
Meist erleichtern Hilfsmittel wie Sackkarren, Wägeli und Tragegurte den Transport einer schweren Last. Wenn besonders schwere Gewichte zu zweit gestemmt werden, bedeutet dies ebenfalls weniger oft heben und weniger weit tragen. Bei der persönlichen Schutzausrüstung können vor allem Schuhe und Handschuhe bei einem sicheren Griff und einer guten Standfestigkeit unterstützen. Um eine Last richtig zu heben, sollte man sich frontal und schulterbreit vor das Gewicht stellen, die Last mit einem sicheren Griff anheben,dabei den Rücken gerade halten und sich die Beinkraft zunutze machen. Schliesslich sollte das Gewicht mit aufrechter Haltung körpernah getragen werden. Die Schultern und Ellbogen bleiben jedoch immer locker.
Lasten clever anpacken
Die Suva bietet neben den erwähnten Hilfsmitteln auch zahlreiche Videos und Präsentationen zur Sensibilisierung der Mitarbeitenden an, welche kostenlos von der Website heruntergeladen werden können:Wissenswertes über den Umgang
mit Lasten sowie kurzzyklische Tätigkeiten, statische Belastungen
und Ergonomie erfährt man in den Hilfsmitteln zur Beurteilung der körperlichen Balastungen.
Dieser Fachartikel erschien in der gedruckten Ausgabe SAFETY-PLUS 1-2022. Sie wollen den ganzen Artikel in dieser Ausgabe lesen? Dann schliessen Sie gleich hier ein Abonnement ab.