Kontaminierte ­Holzbauten sanieren

Giftige Holzschutzmittel belasten zahlreiche Gebäude in der Schweiz. Die Entsorgung ist schwierig und sehr teuer. Nun hat das Fraunhofer IBP ein Verfahren entwickelt, mit dem sich die Bausubstanz erhalten lässt und die Kontaminierungen sowohl im Holz als auch in der Luft entfernt werden sollen.

Dekontaminationsversuche mit Holzschutzmittel-belasteten Balken im Labor. © Fraunhofer IBP/Bernd Müller

In der Schweiz gibt es Tausende Gebäude, die mit giftigen Holzschutzmitteln belastet sind. Bis weit in die 80er-Jahre wurden diese Mittel eingesetzt, um Holz vor Pilz-und Insektenbefall zu schützen. Vor allem kamen in den Rezepturen die Mittel Lindan und Pentachlorphenol (PCP) zum Einsatz. Doch die Substanzen, gedacht gegen Insekten, erwiesen sich beim Menschen als krebserregend und neurotoxisch.

Bis heute belasten sie die Luft in Schweizer Gebäuden. Zwar sind die Mittel seit 1989 in der Schweiz verboten, doch sie sind schwerflüchtig. Das heisst, ihre Ausdünstungen lassen sich noch heute in vielen Häusern nachweisen. «Es ist wie beim Asbest: Die Mittel wurden einfach tonnenweise verwendet und belasten uns bis heute», erklärt Adrian Nussbaumer, Gebäudediagnostiker bei ingna-Ingenieurbüro für Nachhaltigkeit, der sich seit Jahrzehnten mit Innneraumschadstoffen beschäftigt.

Teurer Sondermüll

Problematisch sei vor allem, dass die Holzschutzmittel auch oft im Innenbereich verwendet worden seien, so Nussbaumer. Da dieser luftdichter ist als der Aussenbereich, kam und kommt es zum Teil zu sehr hohen Konzentrationen an Schadstoffen in der Luft von Innenräumen.

«Wenn man solche kontaminierten Holzstrukturen rückbauen muss, stellen sich sofort Fragen des Arbeitsschutzes und der richtigen Entsorgung. Solches Holz ist ein Fall für die Sondermüllverbrennungsanlage, was jedoch mit hohen Kosten verbunden ist», weiss Nussbaumer. Auch in Bezug auf den Denkmalschutz ist eine Entsorgung kein wünschenswerter Schritt.

Mit der CycloPlasma-Technologie soll es nun eine Lösung für das Problem geben. Entwickelt haben sie Forscherinnen und Forscher am Fraunhofer IBP in Valley (Deutschland). Mit der Methode lassen sich die gefährlichen Schadstoffe rückstandslos und ohne Substanzverlust auf umweltfreundliche und nachhaltige Weise entfernen.

Neue Cyclodextrinen-Rezeptur kapselt Schadstoffe ein

Dazu kombinieren die Forschenden der Abteilung Umwelt, Hygiene und Sensorik und des Geschäftsfelds Kulturerbeforschung die Adsorptionstechnologie zum Entgiften von Holz und das Plasmaverfahren zur Reinigung der Raumluft von bereits ausgetretenen Schadstoffen. «Das ist revolutionär, da dann sogar im Innenraum keine Gefährdung mehr durch Rückstände von Lindan und PCP besteht», freut sich Adrian Nussbaumer. Er plant gemeinsam mit dem IBP ein gemeinsames Projekt in Jona (SG): «Hier soll der Dachstuhl eines denkmalgeschützten Hauses saniert werden. Der Bauherr will die oberen Stockwerke als Wohnräume nutzen. Das geht natürlich nur, wenn das Holz nicht mehr kontaminiert ist.»

Um das zu erreichen, wird das Adsorbermaterial wie eine Lasur auf das Holz aufgestrichen. Die Forschenden verwenden hierzu Cyclodextrine (CD). Diese Moleküle sind in der Lage, Schadstoffe wie Lindan und PCP einzufangen und zu binden. Sie wurden bereits vor hundert Jahren entdeckt und kommen zum Beispiel bei der Sanierung von schwermetall- oder ölverunreinigten Böden zum Einsatz.

«Bei den Cyclodextrinen handelt es sich um ringförmige Dextrosemolekül-Ketten, die enzymatisch aus der Stärke gewonnen werden. Die Ringstrukturen aus Zuckerketten umschliessen das Lindan und PCP in einem Hohlraum und kapseln sie somit komplett ein», erklärt Dr. Andrea Burdack-Freitag, stellvertretende Abteilungsleiterin und Leiterin der Gruppe Analytik und Angewandte Sensorik.

Die Wissenschaftlerin und ihr Team haben eine neue gelförmige Rezeptur aus den Cyclodextrinen, die als weisses Pulver vorliegen, formuliert. Das Gel lässt sich zerstörungsfrei auf Holz auftragen. Die farblose Textur verändert die Holzstruktur nicht und ist auf der Holzoberfläche nicht wahrnehmbar. Sie löst keine Schimmelbildung aus, ist ungiftig, farblos, biologisch abbaubar und abwaschbar. «Die Rezeptur sickert in die Poren des Holzes ein, wo sie die Schadstoffe wie ein Schwamm aufsaugt.» Je nach Schadstoffkonzentration verbleiben diese in der CD-Schicht gebunden, erklärt die Forscherin.

Sind zu viele giftige Substanzen vorhanden, können sie nicht komplett von der Rezeptur adsorbiert werden. Die überschüssigen Schadstoffe werden dann in die Innenraumluft abgegeben. Hier kommt die Plasmatechnologie zum Einsatz. Ein Plasmagerät, das sich etwa an der Decke anbringen lässt, saugt die schädlichen Stoffe auf und macht sie unschädlich. «Elektroden im Gehäuse erzeugen ein Plasmagas, durch das der Luftstrom mit den Schadstoffen durchgezogen wird. Das Plasmagas baut das Lindan und PCP chemisch ab. Zusätzlich verhindern Aktivkohlefilter, dass gasförmige Abbauprodukte aus dem Gerät entweichen können», erläutert Burdack-Freitag das Prinzip.

Tests im Freilichtmuseum

Die ersten Laboruntersuchungen wurden erfolgreich abgeschlossen. Die Technologie wird nun im kontaminierten Dachgeschoss der historischen Thürlmühle auf dem Gelände des Projektpartners Freilichtmuseum Glentleiten in Oberbayern getestet.

In diesem Laborverfahren konnten die vorhandenen Schadstoffe komplett abgebaut werden, in Versuchen in der Thürlmühle des Freilichtmuseums Glentleiten liess sich die Schadstoffkonzentration bislang auf ein Drittel der Ausgangskonzentration senken. Allerdings wurde die Rezeptur in bisherigen Tests nur dünn auf die sichtbaren Holzoberflächen aufgebracht. Wird die Lasur dicker aufgetragen, lässt sich die Schadstoffkonzentration noch weiter senken.

Im Langzeitversuch prüfen die IBP-Forschenden nun, wie lange die CD-Schicht stabil bleibt und ob auch langfristig keine Schadstoffe entweichen.

Technologie für Sanierer und ­Bauträger

Je nach Schadstoffbelastung und Raumgrösse lassen sich die Adsorber- und die Plasmatechnologie kombinieren. «Die Sanierungsmassnahmen erfolgen quasi nach dem Baukastenprinzip. Wir haben unsere Rezeptur für den Sanierungs- und Baubereich zum Patent angemeldet. Denkbar ist auch die Restaurierung von Holzmöbeln und Holzobjekten», so die Wissenschaftlerin. Die Lösung eignet sich möglicherweise auch für andere Baumaterialien wie Beton und Estriche, sofern diese ebenfalls Lindan und PCP enthalten. Hier stehen Tests mit potenziellen Industriepartnern jedoch noch aus.

Dieser Artikel erschien im Fachmagazin save 1/2024. Bestellen Sie hier Ihr Probeexemplar. 

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