Lärm am Arbeitsplatz? Warum eine ruhige Akustik so wichtig ist

Bei den gesundheitsrelevanten Umgebungsfaktoren am Arbeitsplatz denken wir an Raumtemperatur, Beleuchtung oder schadstofffreie Atemluft. Akustische Aspekte eines Arbeitsraums werden oft erst dann ernst genommen, wenn hohe Schallpegel das Tragen von Gehörschutz notwendig machen.

Arbeitsplatz
Akustiklösungen im Callcenter mit Schallschutz. © Preform

Unsere Augen können wir schliessen, unsere Ohren dagegen sind ständig empfangsbereit. Ob Verkehrs- oder Maschinenlärm, Musik oder Geplauder, Kirchen- oder Kuhglocken, auch im Beruf sind wir einer Vielzahl von Geräuschen ausgesetzt. Das kann angenehm sein und ist oft zum Arbeiten notwendig oder hilfreich. Geräusche und Töne werden jedoch zu einer Belästigung und Belastung, wenn sie als störend empfunden werden.

Schall wirkt auf zweierlei Weise

  1. Um zu verstehen, warum auch Schallpegel weit unterhalb von Lärmgrenzwerten ein Thema für den Arbeits- und Gesundheitsschutz sind, muss man bei der Wirkung akustischer Wahrnehmungen auf den Menschen zwei Aspekte unterscheiden:Aurale Wirkungen betreffen direkt den Hörsinn (aural = das Ohr betreffend). Ab einem Schalldruckpegel von etwa 80 dB(A) schädigen sie die Sinneszellen des Innenohres und führen langfristig zu Lärmschwerhörigkeit. Gehörschutz-PSA und Lärmschutzmassnahmen sollen vor den auralen Wirkungen von Schall schützen.
  2. Extraaurale Schallwirkungen werden alle Wirkungen genannt, die nicht mit den Ohren wahrgenommen werden und somit nicht auf das Gehör bezogen sind. Sie wirken in anderen Körperregionen und lösen physische wie psychische Reaktionen aus.

Hohe Schallintensitäten haben stets sowohl aurale wie extraaurale Wirkungen. Lärm schädigt nicht nur das Gehör, sondern erzeugt auch physiologische Stressreaktionen. Diese Zusammenhänge von hohen Lärmpegeln und ihren Folgen für die Gesundheit sind recht gut erforscht. Weniger bekannt ist jedoch, dass auch akustische Empfindungen geringer Intensität, die man kaum als Lärm bezeichnen würde, sich deutlich auf unsere Gesundheit auswirken können. Dies wurde auch im Arbeitsschutz lange Zeit kaum beachtet, da – aus guten Gründen – der Schutz vor Lärm im Zentrum der Aufmerksamkeit stand.

Geräuschpegel zulasten der Gesundheit

Jeder kennt die in Filmen und Comics vielfach dargestellte Situation, in der das Gesumme einer einzelnen Fliege dem Protagonisten den letzten Nerv raubt. Dies ist ein Extrembeispiel, und an vielen Arbeitsplätzen wäre man um einen Geräuschpegel froh, bei dem ein Insektensurren hörbar wäre. Doch auch das Brummen einer Klimaanlage, das Rattern eines Kopierers oder das plärrende Radio eines Kollegen können zu Störfaktoren beim Arbeiten werden. Wie sehr und wie schnell unerwünschte Störgeräusche uns auf die Neven fallen, wird subjektiv empfunden und ist vom Kontext beeinflusst. Die von einem wertgeschätzten Kollegen ausgelösten Geräusche werden uns weniger stören als die Laute von jemandem, den wir kritisch sehen oder weniger mögen. Doch unabhängig von persönlichen und situationsbezogenen Schwankungen können akustische Belästigungen zulasten der Gesundheit gehen, indem sie

  • unsere Aufmerksamkeit stören und zu einer Fehler­rate führen
  • das Ausschütten von Stresshormonen triggern und Blutdruck wie auch den Puls ansteigen lassen
  • unsere Nervosität und Reizbarkeit fördern.

Wer sich durch den akustischen Hintergrund seines Arbeitsplatzes immer wieder gestört fühlt, bei dem lassen die kognitiven Leistungen nach und das Wohlbefinden leidet. Auf Dauer ist dies alles andere als ­gesundheitsförderlich, und schon vergleichsweise leiser Schall kann zu einem Stressfaktor werden.

Störquellen identifizieren und abstellen

Wo Mitarbeiter über akustische Belästigungen unterhalb von Lärmschwellen klagen oder wo die Umgebungsgeräusche an einem Arbeitsplatz als störend empfunden werden, ist zu prüfen, inwiefern die Geräuschquelle abgestellt werden kann. Hier gibt es keine Vorschriften oder Patentlösungen, da störende Geräusche ganz unterschiedliche Ursache haben können, z.B.:

  • Arbeitsmittel: surrende oder brummende Geräusche von Antrieben und Maschinen, klappernde Tastaturen, laute PC-Lüfter oder quietschende Bürostühle
  • Gebäudetechnik: sirrende Ventila­toren und Klimaanlagen, Zischen in Rohren, Gluckern in der Heizung
  • Personen: lautes Reden am Telefon, Radiohören, Geplapper

Bei technisch bedingten Geräuschquellen hilft manchmal eine Reinigung und Wartung, und das laute Kopiergerät stünde sowieso besser in einem Nebenraum. Bei Neuanschaffungen sollte auf das Kriterium «lärmarm» geachtet werden, ob Tastatur oder Maschine. Bei Einrichtungsgegenständen kann der Einsatz von Silikonspray oder Kriechöl – bekannter als Caramba oder WD-40 – Wunder wirken und Knarz- oder Quietschgeräusche beseitigen. Heizkörper lassen sich entlüften und der Druck der Heizungs­anlage regulieren.

Akustik am Arbeitsplatz
Inspirierende und atmosphärische Ruhe lässt sich beispielsweise auch durch frei gestaltbare Akustikpaneele erwirken. © Schallsauger

Mit Rücksicht und Augenmass ­Konflikten vorbeugen

Sind es die lieben Kollegen, die für «akustische Belästigung» sorgen, ist Augenmass und Fingerspitzengefühl gefragt. Gerade das Radiohören bei der Arbeit ist ein nicht seltener Konfliktfall, der von beiden Seiten Rücksicht erfordert. Weder muss – unabhängig von Sender- oder Musik­geschmack – eine Dauerberieselung hingenommen werden, noch sollte z.B. ein ganzer Bautrupp auf jedwede musikalische Unterhaltung verzichten müssen, nur weil ein Einzelner sich gestört fühlt.

Zudem kann eine Verärgerung über Geräusche der Kollegen tieferliegende Gründe haben, die mit dem Betriebsklima oder psychischen Fehlbelastungen zu tun haben. Dauergeplapper kann zweifellos stören, aber wir Menschen sind im Grunde soziale Wesen, ein verordnetes Schweigen am Arbeitsplatz kann nicht die Lösung sein. Oft sind Gespräche mit Kollegen oder Kunden, Telefonklingeln oder andere Signale notwendiger Bestandteil des Arbeitsalltags. Mit ein wenig Rücksicht aller Beteiligten sollten sich Kompromisse finden lassen. Typische Lösungsansätze sind:

  • Ruhezeiten für konzentrationsfordernde Aufgaben vereinbaren
  • Smartphones im Mehrpersonenbüros konsequent stummschalten
  • Gehörschutz oder Kopfhörer zur Verfügung stellen

Oftmals lässt sich Konflikten vorbeugen, indem jeder ein wenig mit- bzw. vo­rausdenkt. Wer z.B. schon vorher weiss, dass ein Telefonat mit einem schwierigen Kunden länger dauern könnte oder dass man dazu neigt, am Telefon überlaut zu sprechen, der kann zum Telefonieren in einen unbenutzten Raum ausweichen.

Akustische Gestaltungsmöglichkeiten zielgerichtet nutzen

Abgesehen von den direkt erkennbaren und gegebenenfalls störenden Geräuschquellen wird das akustische Empfinden eines Raums durch viele Faktoren bestimmt. Grossen Einfluss haben die Materialien von Decke, Wänden und Boden, dazu kommen Mobiliar, Einrichtung und Zimmerpflanzen. Eine Oberfläche kann den Schall stark reflektieren und wird dann als schallhart bezeichnet. Viele Bodenbeläge dagegen sind in der Lage, Schallanteile zu absorbieren.

Bei Neueinrichtungen, Umbauten oder Renovierungen sollte die Bau- und Raumakustik auf die spätere Raumnutzung abgestimmt werden. Ein geschickter Innenarchitekt kann anhand verschie­dener Kriterien wie Schalldruck, Beurteilungspegel, Schallabsorptionsgrad oder Nachhallzeit vorab z.B. festlegen, ob eine gesprochene Stimme dumpf oder klar klingen wird. Auch die Raumakustik entscheidet mit, ob wir ein Gespräch oder eine Schulung als anstrengend empfinden oder als angenehm. Dabei gibt es keine Rangliste akustischer Optimierung, sondern es sind individuelle Lösungen gefragt. Denn die baulichen Verhältnisse vor Ort, die verwendeten Werkstoffe, die Lage von Fenstern, die Position des Mobiliars usw. können ganz unterschiedlich sein.

Dazu kommt, dass auch die Anforderungen an eine optimale Akustik keineswegs überall gleich sind, sondern je nach Arbeitsplatz und Aufgabe variieren. So sollen z.B. am Arbeitsplatz in einem Callcenter die Stimmen aus der Umgebung möglichst gut gedämpft werden. In einem Seminarraum oder Besprechungszimmer ist dagegen das Gegenteil gewünscht und die Sprachverständlichkeit soll bis in die hinterste Raumecke gegeben sein. Die spezifische akustische Eignung eines Raums für bestimmte Nutzungsformen, von Fach­leuten als Hörsamkeit bezeichnet, kann späteren Konflikten und Stress vorbeugen. Die Optionen für eine gezielte akustische Raumgestaltung sind gross und reichen von schallabsorbierenden Wandverkleidungen und Akustikpaneelen über Decken­segel, Lamellenvorhänge und andere – teils recht dekorative – Akustikelemente bis zu den Bodenbelägen. Selbst Mobiliar, Lampen und Zimmerpflanzen können die Raumakustik nachhaltig beeinflussen.

Last, but not least darf beim Thema Akustik am Arbeitsplatz der Hinweis nicht fehlen, dass Schall auch dem Übertragen von Informationen dient. Nicht selten sind akustische Botschaften sicherheitsrelevant und weisen auf Fehler hin. Oder sie erleichtern die Bedienbarkeit, wie etwa das Tastatursignal beim Drücken der Umschalttaste. Auf keinen Fall darf ein akustisches Warnsignal abgestellt werden, nur weil sich jemand davon belästigt fühlt. Ebenso wenig dürfen Warnmeldungen im Klingeln, Piepen, Dudeln von ­Handy & Co. untergehen. Hier sind klare Regelungen und gege­benenfalls Verbote vorzusehen, um zu verhindern, dass ein Warnsignal aufgrund akustischer Überreizung seine Wirksamkeit verliert.

Dieser Fachartikel erschien in der gedruckten Ausgabe SAFETY-PLUS 1-2022.

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