Leitfaden für eine qualitätsbasierte Berufsausbildung

Die Schweizer Berufslehre ist einzigartig. Die «Charta Berufsbildung» hat die Anforderungen der Zeit erkannt und einen Leitfaden zur Qualitätsverbesserung der Berufslehre erarbeitet. Die Charta enthält auch die Themen Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz.

Adrian Krebs

Weshalb braucht es einen solchen Leitfaden?

Die Anziehungskraft der Berufslehre hat in den letzten Jahren gelitten. Jugendliche haben heutzutage diverse schulische Ausbildungsalternativen. Unternehmen fällt es zunehmend schwer, unter den steigenden Marktanforderungen ausreichend Zeit und Geld in die Ausbildung zu investieren, weshalb Ressourcen gestrichen werden. Doch das ist kurzfristig gedacht. Gut geschulte Mitarbeitende sind keine Selbstverständlichkeit und die Qualität der Ausbildung steht und fällt mit den Ausbildungsbetrieben. In Expertenkreisen ist bekannt, dass die Zeit zum Handeln gekommen ist. Auf Initiative der IGBB (Interessensgemeinschaft Berufsbildung Schweiz) hat deshalb die Schweizerische Normen-Vereinigung (SNV) das Projektkomitee «Charta Berufsbildung» ins Leben gerufen. Der Auftrag: Ein Leitfaden, der die Qualität der Berufsbildung sichert. Die Charta enthält auch die Themen Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, damit die Lernenden möglichst unfallfrei durch ihre Lehre kommen.

Wie kommt ein Leitfaden zustande?

Die Arbeitsgruppe «Charta Berufsbildung» setzt sich aus Expertinnen und Experten der unterschiedlichsten Bereiche zusammen, angefangen von Personen mit täglicher Verantwortung für die Ausbildung bis hin zu Vertretern von Verbänden. Gestartet ist man mit dem Leitfaden nicht auf der grünen Wiese. Dank des umfangreichen Erfahrungsschatzes der Gruppenmitglieder wurde der Leitfaden auf vielen Best-Practice-Beispielen aufgebaut. «Dies war dann auch einer der zentralen Diskussionspunkte – was heisst Best Practice? Für ein KMU mit fünf Mitarbeitenden sieht das anders aus als für ein global tätiges Unternehmen mit mehreren Tausend Angestellten», betont Adrian Krebs. «Unser Anspruch war jedoch, dass das Endresultat unabhängig der Firmengrösse als Inspirationsquelle und praxistaugliche Leitlinie fungiert. Zudem soll der Einsatz branchenübergreifend sein und auch die Entwicklung in der Wirtschaft reflektieren.» In den letzten Jahren haben vor allem Ausbildungen rund um die Energiewirtschaft wie auch in der «Information and Communication Technology ICT» an Attraktivität gewonnen. Darunter fallen unter anderem Berufe wie Mediamatiker/in EFZ, ICT-Fachfrau/ICT-Fachmann EFZ, Gebäudeinformatiker/in EFZ oder Entwickler/in digitales Business EFZ.

Wie sieht der Leitfaden heute aus?

Der Leitfaden wird aktuell unter dem Namen «Charta Berufsbildung – Erfolgsmodell für eine qualitätsbasierte Berufsausbildung» lanciert und umfasst etwas mehr als 20 Seiten. «Unser Ziel war es nicht, eine verbindliche und strikte Schritt-für-Schritt-Anleitung zu erstellen, sondern ein pragmatisches Arbeitswerkzeug zu bieten, das als flexibler Leitfaden verstanden und auch mit firmeneigenen Elementen angereichert werden darf», präzisiert Adrian Krebs. «Besondere Bedeutung lag darauf, den Ausbildungsprozess ganzheitlich abzubilden. Dieser beginnt bereits in der Phase der Berufsorientierung sowie der anschliessenden Rekrutierung. Zu diesem Zeitpunkt ist es entscheidend, eine gegenseitige Erwartungsgrundlage zu schaffen und keine unrealistischen Versprechungen zu machen.» Weitere behandelte Themen im Leitfaden umfassen unter anderem das Vorstellungsgespräch, den Vertrag, den ersten Arbeitstag, die Betreuung, Bildungsberichte, Lerndokumentationen, Qualifikationsgespräche, das Konflikt- und Datenmanagement sowie die Talentförderung. Im Anhang werden zudem informative Praxisbeispiele präsentiert, wie beispielsweise eine Lerndokumentation «Elektroinstallateur/-in EFZ im 1. Lehrjahr».

Wie geht es mit dem Leitfaden weiter?

Der Leitfaden steht. Nun verlagert sich die Arbeit auf ein anderes Terrain. Unter dem Motto «Jede Unterschrift zählt» konzentriert sich die Initiative nun darauf, Unternehmen zur Unterzeichnung der Charta zu ermutigen. Damit verpflichten sie sich, ihren Einsatz für eine nachhaltige und zukunftsorientierte Berufsbildung zu verstärken. Je mehr Lehrbetriebe partizipieren, desto wirkungsvoller wird sie und desto mehr wertvolles Feedback fliesst zurück. Lehrbetriebe, die bereits eine SN EN ISO 9001-Zertifizierung haben, verpflichten sich zur «Charta Berufsbildung» und zur Einhaltung des 5-Punkteplans.

Wer profitiert vom Leitfaden?

Auf der einen Seite die Ausbildungsbetriebe und -verantwortlichen. Sie erhalten ein relevantes Instrument an die Hand, mit dem sie ihre Rekrutierung optimieren und die Ausbildungsqualität sicherstellen. Das verbessert ihre Reputation in der Branche und vereinfacht es zukünftig, die besten Talente für sich zu gewinnen. Auf der anderen Seite profitieren die Jugendlichen. Sie und ihre Eltern können darauf vertrauen, dass sie sich für einen professionellen Lehrbetrieb und somit einen erfolgsversprechenden Start auf dem Karriereweg entschieden haben. Das fördert den Berufsstolz zusätzlich.

Was sind die Erwartungen an den Leitfaden?

Die Berufsbildung ist der wichtigste Zubringer für neue Talente auf dem Arbeitsmarkt und verdient deshalb eine angemessene gesellschaftliche Anerkennung. Die Charta soll einen Beitrag dazu leisten. Denn je besser die Qualität der Ausbildung ist, desto mehr Schulabgängerinnen und -gänger entscheiden sich für diesen Weg. Eine Schweizer Berufslehre ist ein optimales Sprungbrett in eine vielseitige Berufswelt mit zahlreichen Karrierechancen.

Zu Adrian Krebs: Er hat seine Karriere ebenfalls mit einer Lehre begonnen und sich von dort aus auf dem praktischen sowie schulischen Weg stetig weitergebildet. Seit mehr als 15 Jahren ist er Geschäftsführer von gateway.one und bringt Young Talents mit erfolgreichen Unternehmen zusammen. Die Ausbildungsqualität ist dabei ein Herzensthema. Dank seiner langjährigen Erfahrung über Branchengrenzen hinweg hat ihn die IGBB für die Mitarbeit in der «Charta Berufsbildung» nominiert.

Der 5-Punkteplan der Charta

Die Charta ist eine Selbstdeklaration für Lehrbetriebe, die sich für Qualität der beruflichen Grundbildung aussprechen und engagieren.

1. Sie handeln ethisch und moralisch im Sinne der beruflichen Grundbildung.

2. Sie schulen die Lernenden in den Themen Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz und stellen sicher, dass die Lernenden möglichst unfallfrei durch ihre Lehre kommen.

3. Sie bilden die Lernenden auch im hektischen Arbeitsalltag und ausserordentlichen Situationen gemäss den Grundsätzen des Leitfadens aus.

4. Sie überprüfen gemäss Lehrplan den Bildungsstand der Lernenden über alle Lernorte hinweg und engagieren sich, allfällige Bildungslücken der Lernenden mit geeigneten Mitteln innerhalb der nächsten Beurteilungsperiode zu schliessen.

5. Die Unternehmung stellt sicher, dass geeignete Berufsbildner über die notwendigen Ressourcen und die notwendigen Qualifikationen verfügen.

Die «Charta Berufsbildung» wird voraussichtlich im November 2023 veröffentlicht und über den Normenshop SNV-Connect erhältlich sein.

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