Mühleberg ist Geschichte

Seit dem 20. Dezember 2019 ist das Atomkraftwerk Mühleberg Geschichte: An diesem Datum haben die BKW das AKW nach 47 Jahren Betrieb vom Netz genommen. Jetzt beginnt ein langjähriger Rückbau.

AKW
Hat ausgedient – das AKW Mühleberg. © BKW

Unmittelbar nach der Stilllegung von Mühleberg wird der Rückbau in Angriff genommen. Gemäss dem Berner Energiekonzern dauert dies rund 15 Jahre. Das AKW bleibt noch lange eine Atomanlage, für die strenge Strahlen- und Brandschutzbestimmungen gelten. Gestützt auf den Plan will man bis 2024 die Brennelemente vom Lagerbecken ins Zwischenlager in Würenlingen transportiert haben. Ab 2025 werden sämtliche noch verbliebenen Anlageteile, die mit Radioaktivität in Kontakt gekommen sind, demontiert. Die stark radioaktiven Anlageteile werden laut BKW im Reaktorgebäude unter Wasser zerlegt und verpackt. Verläuft alles nach Plan, ist Mühleberg erst Ende 2030 frei von radioaktivem Material. Das mehrere Jahre dauernde Verfahren ist hier einsehbar. Das Ensi beaufsichtigt die nukleare Sicherheit und Sicherung während der Stilllegung des AKW Mühleberg (siehe hier).

Teure Stilllegung

Gemäss aktuellster Kostenstudie aus dem Jahr 2016 belaufen sich die Kosten für die Stilllegung und die Entsorgung gesamthaft auf 3 Milliarden Franken, davon seien 80% bereits gedeckt, so die BKW. Die verbleibenden 20 Prozent würden bis ins Jahr 2126 anfallen und seinen durch weitere Fondsbeiträge sowie Anlagenerträge gedeckt.

Der Rückbau aller fünf AKW in der Schweiz und die Zwischenlagerung des radioaktiven Materials im Zwilag in Würenlingen wird gemäss den letzten offiziellen Schätzungen über 24 Milliarden Franken verschlingen.

Stromzusammensetzung

Das AKW Mühleberg produzierte jährlich rund 5% des gesamten Strombedarfs der Schweiz. Seit der Inbetriebnahme am 6. November 1972 lieferte das Kraftwerk rund 130 Milliarden Kilowattstunden (kWh) Strom.

Gemäss Bundesamt für Energie (BFE) stammte der Strom aus Schweizer Steckdosen zu rund 68% (2016: 62%) aus erneuerbaren Energien (Statistik 2017, Daten zur Stromkennzeichnung): Zu 60% aus Grosswasserkraft und zu rund 7% aus Photovoltaik, Wind, Kleinwasserkraft und Biomasse. 15% stammten aus Kernenergie und etwa ein Prozent aus Abfällen und fossilen Energieträgern. Für 16% des gelieferten Stroms seien Herkunft und Zusammensetzung nicht überprüfbar, so das BFE.

Swissolar weist darauf hin, dass das AKW Mühleberg jährlich knapp 3 Milliarden Kilowattstunden (kWh) Strom produziert habe. Die heute in der Schweiz installierten Photovoltaikanlagen erreichten eine Jahresproduktion von 2,4 Milliarden kWh, also mindestens 80 Prozent der wegfallenden Produktion von Mühleberg.

Wer den Freunden der Solartechnik antwortet, ihre Produktion sei insbesondere in den sonnigen Monaten intensiv, in den kühlen Jahreszeiten jedoch gering, erhält von einer anderen Energiebranche eine Antwort: Mit der Windenergie habe die Schweiz eine verlässliche, sichere und einheimische erneuerbare Winterstromquelle. Zweidrittel dieser Stromproduktion falle in den Wintermonaten an, weil dann die Winde häufiger und stärker wehen, sagt Isabelle Chevalley, Präsidentin von Suisse Eole und Nationalrätin. Damit ergänze Windenergie die Solar- und Wasserkraft in idealer Weise, denn diese beiden Energiequellen produzierten in der Heizsaison weniger als sonst. Chevalley weist zudem darauf hin, dass Windstrom heute deutlich günstiger als Strom aus neuen Atomkraftwerken sei.

Augenmass bei Einsprachen

Suisse Eole betont ferner, dass die Windenergiebranche ihre Hausaufgaben gemacht habe: Die Windenergieziele 2020 der Energiestrategie könnten erreicht, diejenigen für 2035 sogar übertroffen werden. «Doch leider werden Windenergieprojekte durch Einsprachen von einzelnen Personen und einigen Umweltverbänden zum Teil massiv verzögert», bedauert Reto Rigassi, Geschäftsführer von Suisse Eole. «Das steht im klaren Widerspruch zu den Entscheiden der Gemeinden: Seit 2012 haben sich 19 von 22 Gemeinden für konkrete Windenergieprojekte in ihrem Gebiet ausgesprochen.» Man sei jedoch optimistisch, dass sich die juristischen Verfahren nach den anstehenden Gerichtsentscheiden u. a. durch das Bundesgericht beschleunigen würden. Suisse Eole fordert aber gleichzeitig die Umweltverbände auf, bei Einsprachen Augenmass zu halten und gemeinsam mit der Branche der Umsetzung der Energiewende in der Schweiz mehr Schub zu verleihen.

Blick ins nahe Ausland

Dass der Ausbau von Windenergie eine wichtige Stütze der Energiewende sei, zeigten neueste Zahlen aus Deutschland: Dort habe der Windstromanteil von praktisch 0% vor rund 20 Jahren auf über 26% im Jahr 2019 gesteigert werden können. Damit habe in Deutschland die Windenergie die Stromerzeugung aus Braunkohle auf den zweiten Platz der wichtigsten Stromquellen verwiesen. In Österreich sei der Anteil der Windenergie in den vergangenen 20 Jahren von praktisch 0% auf rund 11% gestiegen. (rs)

 

Tschernobil ist in der Schweiz noch heute messbar

Die Nationale Alarmzentrale (NAZ) betreibt ein eigenes Radioaktivitäts-Messnetz (NADAM). 76 im gesamten Land verteilte Sonden übermitteln alle zehn Minuten den aktuellen Messwert an die NAZ. Bei überschreiten einer bestimmten Schwelle (1000 nano-Sievert pro Stunde [nSv/h]) wird automatisch Alarm ausgelöst.

Die täglichen Durchschnittswerte (Tagesmittelwerte) variierten in der Schweiz je nach Standort zwischen 80 und 260 nano-Sievert pro Stunde, so die NAZ. Dies sei primär auf Unterschiede in der natürlichen Strahlung zurückzuführen. Dabei sei einerseits die geologische Bodenzusammensetzung massgebend, anderseits die Intensität der kosmischen Strahlung. Diese nimmt mit zunehmender Höhe über Meer zu. Der Anteil künstlicher Strahlung liege bei allen NADAM-Stationen bei wenigen Prozenten. Dieser künstliche Anteil stamme vor allem vom Reaktorunfall in Tschernobyl im Jahre 1986 sowie von Atomwaffenversuchen in den 60er Jahren, heisst es auf der NAZ-Website.

Messnetz um die Kernkraftwerke

Das Nuklearsicherheitsinspektorat betreibt das Messnetz für die automatische Dosisleistungsüberwachung in der Umgebung der Kernkraftwerke (MADUK). An insgesamt 57 Stellen im Umkreis von jeweils rund 5 km um die AKW werde die Ortsdosisleistung gemessen. Das MADUK-Netz diene also für die kleinräumigen Überwachung der externen Strahlung rund um die AKW. Selbstverständlich verfüge auch dieses Netz über eine Alarmeinrichtung. Die Daten und allfällige Alarmmeldungen fliessen direkt an die NAZ.

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