Lockdown verschärft Spielsucht
Das Risiko für ein problematisches Spielverhalten ist bei Online-Glücksspielen besonders hoch. Dabei dürfte die Zahl an Online-Spielenden in den vergangenen Monaten wegen Covid-19 nochmals gestiegen sein.
Als wegen Covid-19 temporär die Casinos geschlossen und auch sonstige Spielangebote eingeschränkt verfügbar waren, haben zeitgleich die Anbieter ihre Werbeoffensive für die neuen Online-Angebote spürbar erhöht. Wie internationale Studien vermuten lassen, dürften dabei auch viele neue Spielende ins Online-Glücksspiel eingestiegen sein.
Besonders jüngere Personen betroffen
Spielende von Online-Glücksspielen würden ein überdurchschnittlich hohes Risiko für ein problematisches Spielverhalten aufweisen, schreibt die Organisation Sucht Schweiz. Die Gründe lägen auf der Hand: Die Angebote seien permanent verfügbar, der Bezug zum realen Geld gehe verloren und eine soziale Kontrolle fehle. Eine neue Analyse vom GREA (Groupement romand des addictions) und Sucht Schweiz zeigt, dass überdurchschnittlich viele jüngere Personen, Menschen mit einem niedrigen Einkommen oder einem tieferen Bildungsabschluss ein problematisches Spielverhalten zeigen. Nadia Rimann, Programmleitung von Spielen ohne Sucht, erklärt: «Sie sind besonders empfänglich für den Lockruf vom schnellen und grossen Gewinn – und die Werbung spricht sie gezielt an. Wir wissen aber auch, dass Glücksspielsucht in allen gesellschaftlichen Gruppen vorkommt.»
Problematisch Spielende zahlen die Hälfte aller Einsätze
Zudem sind bestimmte Spielarten besonders riskant: Spielende von Online-Casinos, Sportwetten und Finanzmarktwetten zeigen ein überdurchschnittliches Risiko. Bei Lotterien und Rubbellosen sei der Anteil an problematisch Spielenden deutlich geringer. Da sie jedoch stark verbreitet seien, sei ihre Anzahl nicht zu unterschätzen. Bemerkenswert ist, so Sucht Schweiz, dass die rund zehn Prozent problematisch Spielenden für die Hälfte aller Spieleinsätze verantwortlich sind. In der Schweiz würden rund 192’000 Personen ein solch problematisches Spielverhalten zeigen. Ein kleiner Teil davon gelte als spielsüchtig – mit oft verheerenden Konsequenzen: Neben Spielschulden, körperlichen und psychischen Beschwerden hat eine Spielsucht häufig auch schwerwiegende Folgen für das Familien- oder Berufsleben, wie die Organisation betont.
Beispiel Gratisspiele: Gefördert durch Digitalisierung
Die finanzielle Problematik beschränkt sich nach Angaben von Sucht Schweiz nicht nur auf Online-Glücksspiele. So wachse parallel beispielsweise der Markt von «Free-to-Play»-Video-Games auf dem Smartphone rapide. In «Pay-to-Win»-Spielen, einer bestimmte Form von Free-to-Play-Spielen, könnten durch Einkäufe zum Beispiel spielerische Vorteile erworben werden. Nadia Rimann sieht in dieser Entwicklung viele Parallelen: «Unsere Untersuchungen zeigen, dass, egal welcher Markt, die Mechanismen der Spiele zu einem ähnlichen Verhalten führen. So überrascht es nicht, dass auch bei den Gratisspielen ein kleiner Teil Spielende den grossen Anteil am Kuchen berappt: Rund 10% der Spielenden sind gemäss der Studie für über 60% der Ausgaben verantwortlich.»
Quelle: Sucht Schweiz
Kantone reagieren mit Kampagne
Auch um auf die Entwicklungen rund um Covid-19 zu reagieren, lanciert das interkantonale Programm «Spielen ohne Sucht» im Auftrag von 16 Deutschschweizer Kantonen und das Fürstentum Liechtenstein heute eine Sensibilisierungskampagne mit Fokus auf das Online-Glücksspiel. Dazu Martina Gadient (Fachbereichsleiterin Sucht des Kanton St.Gallen): «Bei vielen Spielenden zeigt sich, dass sie bereits in jungen Jahren erstmals mit den Glücksspiel-Angeboten in Kontakt kamen. Für eine effektive Prävention wollen wir daher auch bewusst ein jüngeres Publikum ansprechen.»
Für Betroffene und Angehörige steht via www.sos-spielsucht.ch ein kostenloses und anonymes Beratungsangebot zur Verfügung.