Neue EU-Maschinenverordnung

Um dem Stand der Technik und allen Anspruchsgruppen gerecht zu werden, wird die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG durch die neue EU-Maschinenverordnung ersetzt. Deren Publikation im Europäischen Amtsblatt ist auf Anfang Juli 2023 vorgesehen. Was heisst das für die betroffenen Unternehmen?

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Seit 1989 fördert eine mehrfach überarbeitete Maschinenrichtlinie den freien Verkehr von Maschinen im Binnenmarkt und gewährleistet ein hohes Schutzniveau für Arbeitskräfte und Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union. Im Jahr 2018 wurden jedoch diverse Bereiche ermittelt, in denen Handlungsbedarf besteht und eine Überarbeitung erforderlich ist. So führt beispielsweise die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung zu neuen Sicherheitsrisiken, die von der bisherigen Maschinenrichtlinie nicht oder unzureichend berücksichtigt werden.

Wann tritt die EU-Maschinenverordnung in Kraft?

Mitte April 2023 hat das EU-Parlament die neue Maschinenverordnung mit einer grossen Mehrheit angenommen. Sie ersetzt die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG vom 17. Mai 2006. Das Inkrafttreten der Maschinenverordnung wird durch eine Veröffentlichung im Amtsblatt der EU festgelegt. Die Publikation findet voraussichtlich Anfang Juli 2023 statt. Rund zwanzig Tage später tritt die Verordnung in Kraft. Danach folgt eine Übergangsfrist von 42 Monaten, in welcher die Hersteller Zeit haben, die neuen Anforderungen umzusetzen.

Was ändert sich?

Mittels stringenterer Definitionen und Harmonisierungen der Anwendungsbereiche und Konformitätsbewertungsverfahren soll die Maschinenverordnung mehr Klarheit schaffen. Es wurde die Struktur der Liste der Maschinen und Produkte in Anhang I des Kommissionsvorschlags geändert. Die Liste der Hochrisiko-Maschinen wurde angepasst und neu soll eine Konformitätsbewertung durch unabhängige Drittstellen für diese Maschinen verpflichtend werden. Bei den meisten Produkten bleibt allerdings weiter die Möglichkeit einer Selbstbewertung der Konformität erhalten.

Die Europäische Kommission wird die Möglichkeit haben, die Liste der Produkte, welche als möglicherweise risikoreich gelten, durch delegierte Rechtsakte zu aktualisieren. Dies gewährleistet eine Balance zwischen der Garantie eines hohen Sicherheitsniveaus und der Intention, die Industrie nicht unverhältnismässig zu belasten. Darüber hinaus haben die Kommission und der Rat auch die Inhalte der technischen Unterlagen angepasst und die Liste der Sicherheitsbauteile ergänzt. Für die Unternehmen soll es möglich werden, papierlose Dokumente wie eine digitale Betriebsanleitung und digitale Konformitätserklärung herauszugeben, um monetäre und ökologische Kosten zu reduzieren.

Angeglichen an den Rechtsrahmen für die technische Gesetzgebung «New Legislative Framework» (NLF, Nr. 768/2008/EG) muss neben dem Hersteller auch der Einführer und der Händler gewissen Pflichten nachkommen, die der Kommission zufolge in einem angemessenen Verhältnis zu den Verantwortlichkeiten der Wirtschaftsakteure stehen. Bei der wesentlichen Modifizierung einer Maschine gemäss der Begriffsbestimmung wird ausserdem derjenige, der die Maschine modifiziert, zum Hersteller und muss die entsprechenden Verpflichtungen einhalten. Da die Komplexität der Maschinenlieferkette zunimmt, besteht eine allgemeine Verpflichtung zur Mitwirkung von Dritten, die an der Maschinenlieferkette beteiligt sind und bei denen es sich nicht um Wirtschaftsakteure handelt.

Welche Produktbereiche sind betroffen?

Die Maschinenverordnung umfasst die ganze Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie. Sie bezieht sich auf alle Maschinenprodukte, die beim Inverkehrbringen neu auf den Unionsmarkt gelangen und damit auch auf Maschinenprodukte aus Drittländern. Die Richtlinie unterscheidet zwischen Maschinen, verwandten Produkten (austauschbares Equipment, Sicherheitskomponenten, Ketten, Seile, Bänder, Hebezubehör, abnehmbare mechanische Übertragungsvorrichtungen etc.) und unvollständigen Maschinen. Alle werden aber von der neuen Verordnung erfasst.

Ausgenommen von der Richtlinie sind Waffen (geregelt in der EU-Richtlinie 2017/853), Haushaltsgeräte (geregelt in der EU-Richtlinie 2014/35/EU) und Geräte mit Telekommunikationsfunktion (geregelt in der EU-Richtlinie 2014/53/EU). Die neue Maschinenverordnung zielt auf Risiken ab, die sich aus der Maschinenfunktion und nicht aus der Beförderung von Gütern oder Personen ergeben. Damit erfasst sie eigentlich auch keine Fahrzeuge, deren einziger Zweck die Beförderung von Gütern oder Personen im Verkehr ist. Maschinen, die sich auf Fahrzeugen befinden wie zum Beispiel Gabelstapler sind jedoch in der Verordnung mit inbegriffen. Im Text des Rates sollen ausserdem kleine Privatfahrzeuge oder Leichtelektrofahrzeuge wie Elektroroller und Elektrofahrräder nicht ausgeschlossen werden, da sie weit verbreitet sind und für Nutzerinnen und Nutzer möglicherweise eine Gefahr darstellen könnten. Im Zweifel lohnt es sich genau zu prüfen, ob die eigenen Produkte von der neuen Verordnung betroffen sind.

Quelle: SNV-Meldung

 

Was heisst das für Schweizer Exporteure?

Für die meisten Produkte können Schweizer Hersteller auch künftig das von der EU vorgeschriebene Konformitätsbewertungsverfahren wie bisher selbst vornehmen, wie der Verband Swissmem schreibt. Bei Produkten, für die gemäss Maschinenverordnung eine Dritt-Zertifizierung erforderlich sei, müsse dies zwingend durch eine benannte und von der EU anerkannte Stelle mit Sitz in der EU erfolgen. Laut Swissmem handelt es sich vor allem um Geräte, die ein gewisses Gefahrenpotenzial aufweisen. Davon dürften weniger als zehn Prozent der Swissmem-Mitgliedfirmen betroffen sein, so der Verband.

Gemäss der neuen Maschinenverordnung und der Marktüberwachungsverordnung brauchen Hersteller aus der Schweiz ab dem Jahr 2027 einen sogenannten Wirtschaftsakteur, der in der EU niedergelassen ist, wie der Swissmem betont. Das könne entweder eine vom Hersteller beauftragte Person, der Importeur oder der Händler sein. Diese Person müsse auch auf dem Produkt angegeben werden, was bei Massenprodukten zu einem erheblichen Mehraufwand führe.
Laut Swissmem werden diese Bestimmungen den Marktzugang für Schweizer Hersteller erschweren. Der Export in die EU werde für die betroffenen Firmen deutlich aufwändiger und somit teurer. Nur eine Aktualisierung des Abkommens zwischen der Schweiz und der EU über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (MRA) könne dies verhindern und den Status quo sichern. Voraussetzung dafür dürfte jedoch eine Einigung zwischen der Schweiz und der EU zu den offenen institutionellen Fragen sein, schreibt der Verband weiter. Eine solche liege zurzeit jedoch nicht in Griffweite.

Swissmem führt am Mittwoch, 5. Juli (13.30 bis 15 Uhr) ein Webinar durch: Es ist als Einstieg in die neue EU-Maschinenverordnung gedacht und soll den Unternehmen ermöglichen, den eigenen Handlungsbedarf abzuschätzen.

 

 

 

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