Neuerungen im Lebensmittelrecht

Das Lebensmittelrecht enthält grundlegende ­Anforderungen an ein System zur Beherrschung von Gefahren für die Lebensmittelsicherheit ­(HACCP, Hazard Analysis and Critical Control Points). Die revidierte Fassung der Codex-Alimentarius-Verfahrensregel zu GHP (Gute Hygiene­praxis) und HACCP vom September 2020 enthält einige anpasste Definitionen.

HACCP
Bild: depositphotos

Der Codex Alimentarius ist eine Sammlung von Normen für die Lebensmittelsicherheit und -produktqualität der Vereinten Nationen, die von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erstmals 1963 herausgegeben wurde. Der Codex koordiniert den fairen Handel mit Lebensmitteln auf internationaler Ebene und stellt den Schutz der Gesundheit von Verbrauchern mithilfe von einheitlichen Normen sicher. Die Codex-Alimentarius-Verfahrensregel «General Principles of Food Hygiene» ist von einigen wichtigen Anpassungen betroffen, die auch Auswirkungen haben auf das EU- und das schweizweite Lebensmittelrecht, insbesondere betreffend die Themen «HACCP» und «Lebensmittelsicherheitskultur».

Dr. Evelyn Kirchsteiger-Meier, ZHAH-Dozentin, beleuchtete diese Änderungen an der Wädenswiler Lebensmittelrecht-Tagung. Die revidierte Fassung der weltweit anerkannten Verfahrensregel wurde seit September 2020 von der Codex-Alimentarius-Kommission angenommen.

Anpassungen der Arbeitsschritte

Die Ausarbeitung und Umsetzung von HACCP-Systemen gemäss Codex Alimentarius wird mittels zwölf Arbeitsschritten, respektive sieben HACCP-Grundsätzen, durchgeführt. Die Abfolge dieser Arbeitsschritte respektive Grundsätze wurde aufgrund der breiten internationalen Verbreitung der Verfahrensregel nicht geändert. Allerdings wurden die Bezeichnungen von einigen Arbeitsschritten angepasst; dies im Zusammenhang mit der Akzentuierung der Notwendigkeit, Validierungen von Elementen des HACCP-Systems vorzunehmen. Der Lebensmittelunternehmer soll daher gemäss den Vorgaben in der Verfahrensregel eine auf wissenschaftlichen Kriterien basierende «Beweisführung» erarbeiten betreffend:

  • Plausibilität der identifizierten potenziellen Gefahren
  • Nachvollziehbarkeit der Gefahrenanalyse und der Ermittlung der CCPs im betrachteten Prozess
  • Korrekte CCP-Grenzwerte
  • Wirksamkeit der festgelegten Überwachungs- und Korrekturmassnahmen
  • Angemessenheit der Verifizierungsmassnahmen
  • Zweckmässigkeit der Dokumentation

Die Notwendigkeit der Validierung der Elemente des HACCP-Systems wird in Arbeitsschritt 8 (Grundsatz 3) erwähnt sowie in Arbeitsschritt 11 (Grundsatz 6). In der 2003er-Version der Verfahrensregel war die Validierung nicht explizit in den Titeln der genannten Arbeitsschritte/Grundsätze erwähnt, sodass die damit verbundenen Anforderungen leicht übersehen werden konnten. Mit der 2020er-Version der Verfahrensregel wurden die Anforderungen an die Validierung nun ausdrücklicher festgeschrieben und akzentuiert.

Rechtliche Wirksamkeit

Was nun die rechtliche Verankerung der genannten Codex-Anpassungen anbelangt, ist festzustellen, dass die Änderungen betreffend HACCP noch nicht ins Lebensmittelrecht eingeflossen sind, weder auf Stufe EU-Recht noch im schweizerischen Lebensmittelrecht. Insbesondere die Akzentuierung der Validierung von Elementen des HACCP-Systems wären im Lebensmittelrecht festzuschreiben, denn die sieben HACCP-Grundsätze sind rechtlich verankert und die Anpassungen betreffend HACCP-Validierung sind bereits in der Beschreibung der entsprechenden HACCP-Grundsätze ersichtlich:

  • 3. Grundsatz: «Establish validated critical limits for each CCP» (Festlegen von validierten kritischen Grenzwerten für jeden CCP)
  • 6. Grundsatz: «Validation of the HACCP Plan and Verification Procedures» (Validierung des HACCP-Plans und Festlegen von Verifizierungsverfahren)

Aber auch ohne bisher erfolgte Änderung der Rechtsvorschriften ist empfohlen, die HACCP-Anpassungen in den ­betrieblichen HACCP-Systemen zu berücksichtigen, etwa betreffend Definitionen oder die Akzentuierung der HACCP-Validierung.

Was nun die Lebensmittelsicherheitskultur anbelangt, lässt sich feststellen, dass die Anforderungen noch auslegungsfähig sind; dennoch ist es ein bemerkenswerter Vorgang, dass nun sowohl auf Stufe Codex Alimentarius wie auch im EU-Lebensmittelrecht Elemente, die zur Etablierung eines Managementsystems und zur Organisationsentwicklung gehören, festgeschrieben sind (vgl. Box, Seite 44). Die Bedeutung der Führungskultur sowie des Verhaltens aller Mitarbeitenden auf die Lebensmittelsicherheit hat dadurch grosse Anerkennung erlangt, und das Thema wird sicherlich in den nächsten Jahren weiterhin an Bedeutung gewinnen.

Quelle:

Kirchsteiger-Meier, Evelyn (2022). Tagungsbericht zur 16. Wädenswiler Lebensmittelrecht-Tagung vom 5. Mai 2022: «Facetten und Entwicklungen zum Lebensmittel­hygiene- und Lebensmittelsicherheitsrecht».  

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