Polizeiangehörige im Fokus

Polizeiangehörige müssen heute ständig und überall damit rechnen, gefilmt zu werden. Zunehmend werden die Bild- und Filmaufnahmen von Einsätzen ins Internet gestellt und Sicherheitskräfte damit in den Medien an den Pranger gestellt. Wann muss der Arbeitgeber einschreiten?

Polizeiangehörige
Am Körper getragene Bodycams tragen ebenfalls dazu bei, dass Polizeiangehörige vermehrt überwacht werden. (Bild: Police de Lausanne)

Bild- und Videoaufnahmen von Polizeieinsätzen sind längst kein neues Phänomen mehr. Dürfen Polizeieinsätze ungefragt gefilmt werden? Und dürfen die Bilder anschliessend auch unverpixelt im Internet verbreitet werden? Polizisten erfüllen eine hoheitliche Tätigkeit und üben das staatliche Gewaltmonopol aus. Die Berichterstattung über Polizeiaktionen in der Öffentlichkeit ist daher durch das öffentliche Informa­tionsinteresse gedeckt (Art. 28 Abs. 2 ZGB). Das Filmen von Polizeieinsätzen ist damit grundsätzlich erlaubt.

Davon gibt es aber auch Ausnahmen, wie mehrere Gerichtsentscheide belegen. Im Jahr 2017 kam es anlässlich einer Demonstration in Bern zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen einer Ordnungsdienstgruppe und einem Demonstrationsteilnehmer. Eine Person filmte diesen Polizeieinsatz aus einer Entfernung von rund 5-10 Metern. Sie befand sich ebenfalls in einer polizeilichen Kon­trolle. Viele Polizeiangehörige wollen aus verständlichen Gründen nicht gefilmt werden, drehen sich weg oder schauen zu Boden. Der Einsatzleiter erkannte in diesem Verhalten seiner Mitarbeitenden ein Sicherheitsrisiko. Er forderte die filmende Person unter Androhung der Festnahme und Sicherstellung des Mobiltelefons auf, das Filmen zu unterlassen und die Aufnahmen zu löschen. Die Staatsanwaltschaft eröffnete daraufhin gegen den Einsatzleiter ein Strafverfahren wegen Amtsmissbrauch und Nötigung.

In rechtlicher Hinsicht darf die Polizei das Fotografieren oder Filmen eines Polizeieinsatzes nur untersagen, wenn die Person gleichzeitig einen Straftatbestand erfüllt, indem sie zum Beispiel eine Amtshandlung behindert. Und nur in diesem Fall darf für den Weigerungsfall auf die Möglichkeiten der Festnahme und Sicherstellung des Mobiltelefons hingewiesen werden. Ist kein Straftatbestand erfüllt, wäre dies eine Androhung rechtswidriger Konsequenzen und damit Amtsmissbrauch.

Im erwähnten Fall war es schliesslich legitim, dass der Einsatzleiter in den Filmaufnahmen ein Sicherheitsproblem ausmachte. Die vorgenommene Amtshandlung war erlaubt. Die Einstellung des Strafverfahrens gegen den Einsatzleiter wurde vom Obergericht bestätigt.² Bei Bild- und Filmaufnahmen ist folglich zu unterscheiden, ob eine Person den Polizeieinsatz tatsächlich behindert oder lediglich als aussenstehende, nicht involvierte Person Aufnahmen macht. Bei Aufzeichnungen durch Journalisten sind wegen der Medienfreiheit noch höhere Hürden gesetzt.

Persönlichkeitsverletzung von Polizeiangehörigen

Nun kommt es vor, dass nach einem Einsatz an einer Demonstration Porträtbilder von einer Einsatzgruppe zusammen mit Gewaltaufrufen im Internet und danach in Printmedien und im Fernsehen veröffentlicht werden.

Die aus dem öffentlichen Interesse erstellten Aufnahmen müssen sich auf das Festhalten von Ereignisabläufen beschränken. Polizeiangehörige dürfen erkennbar sein, solange sie nicht besonders hervorgehoben werden respektive lediglich als «Beiwerk» oder «Mitfang» erkennbar sind. Das Recht am eigenen Bild ist verletzt, wenn Polizeiangehörige offensichtlich als Einzelpersönlichkeiten aufgenommen werden. Dies ist insbesondere beim Porträtbild aus kurzer Distanz oder mit dem Teleobjektiv der Fall. Unzulässige Porträtaufnahmen liegen mit anderen Worten vor, wenn keine Handlung oder kein weiterer Zusammenhang zum Thema des Berichts besteht, wenn die Aufnahme also nur angefertigt wird, um die Polizeiangehörigen selbst darzustellen. Solche Persönlichkeitsverletzungen können mittels einer Klage vor dem Zivilgericht geltend gemacht werden. Diese Klage müssen Polizeischaffende aber als Privatperson anbringen. Die Verfahren sind meist so komplex, dass ein Anwalt oder eine Anwältin beigezogen werden muss. Weiter sind nebst den Anwaltskosten auch die Gerichtskosten vorzuschiessen. Ein Prozess dieser Art kann schnell mehrere Tausend Franken kosten. Ein Zivilverfahren kann zudem nur eingeleitet werden, wenn die beklagte Person bekannt ist. Dies kann bei Veröffentlichungen auf anonymen Internetseiten mit Servern im Ausland eine unüberwindbare Hürde darstellen. Auch die mentale und zeitliche Belastung eines solchen Zivilverfahrens ist nicht zu unterschätzen. Kommt das Gericht zum Schluss, dass eine widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung vorliegt, so kann es die Entfernung beziehungsweise die Vernichtung der fraglichen Bilder anordnen. Das Gericht kann den Beklagten zudem zur Bezahlung von Schadenersatz und Genugtuung verurteilen.

Unterstützung des Arbeitgebers?

Genau hier stellt sich die Frage, ob nicht der Arbeitgeber gegen solche Persönlichkeitsverletzungen vorgehen muss? Bei der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht handelt es sich um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, auf den sich alle Arbeitnehmenden berufen können. Der Arbeitgeber muss auf jeden Fall dafür sorgen, dass ungerechtfertigte Eingriffe in die Persönlichkeit der Arbeitnehmenden unterbleiben und er muss diese bei der Beseitigung bestehender Persönlichkeitsverletzungen unterstützen. Rechtsschutz ist dementsprechend nicht nur zu gewähren, wenn Polizeiangehörige strafrechtlich verfolgt werden, sondern auch, wenn sie ein Zivilverfahren wegen Persönlichkeitsverletzung einleiten müssen. Auch hier ist der Bezug zur polizeilichen Tätigkeit gegeben. Dieser Unterstützungsanspruch wird aber in den meisten Kantonen nicht gewährt, sodass Polizeiangehörige nach wie vor nicht auf die Hilfe des Arbeitgebers zählen können. Dieser Umstand ist bedauerlich und revisionsbedürftig. Zum Schutz der Persönlichkeit Polizeiangehöriger drängen sich auch weitere Massnahmen auf. Als Denkanstoss seien die konsequente Verwendung von Nummern- statt Namensschildern oder die generelle Unkenntlichmachung von Polizeiangehörigen auf Bild- und Filmaufnahmen erwähnt. Hilfreich wäre es zudem, wenn einschlägige Webseiten, wie in Deutschland, gezielt gesperrt würden. Denn Zivilverfahren können nicht gegen unbekannt geführt werden, sondern müssen sich gegen den Urheber oder den Betreiber der Webseite richten.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass ungerechtfertigte Bild- und Filmaufnahmen sowie deren Veröffentlichung im Internet eine Persönlichkeitsverletzung darstellen. Bestehende Rechtsverletzungen können gerichtlich beseitigt werden, die Verfahren sind aber mit einem Kosten- und Zeitaufwand verbunden. Die Unterstützungsleistungen des Arbeitgebers sind bis heute rückständig oder gar nicht vorhanden. Dem ist entgegenzuwirken, denn andauernde Persönlichkeitsverletzungen gehören nicht zum akzeptablen Berufsrisiko von Polizeiangehörigen.

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