Die Tatwaffe Internet schlägt immer häufiger zu

Auf den ersten Blick ist das eine erfreuliche Bilanz: In der Schweiz ist die Zahl der registrierten Straftaten 2018 zum sechsten Mal in Folge zurückgegangen. Ein Rekordtief beim Diebstahl, dafür mehr Cybercrime-Delikte. Die Polizei rüstet entsprechend auf.

Kriminalstatistik
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In der Kriminalstatistik 2015 hiess es erstmals, dass mit rund 487 000 erfassten Straftaten die 500 000-Grenze unterschritten worden sei. Die Delikte Einbruchdiebstahl und Raub nahmen damals um je 20 Prozent ab. Die aktuelle Kriminalstatistik 2018 präsentiert wie in den Vorjahren erneut tiefere Zahlen: gut 432 750 registrierte Straftaten werden vermeldet. Das Ergebnis sei zwar erfreulich, der Rückgang liege jedoch mit «nur» rund einem Prozent deutlich unter dem Vorjahreswert, betont die Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten (KKPKS). Ihr Präsident, Stefan Blättler, begründet dies damit, dass nach dem starken Rückgang der Vorjahre mit einer Stagnation gerechnet werden musste. Er verwies zudem auf die Deliktsverlagerung ins Internet. Das sei eine grosse Herausforderung für die Polizeikorps.

Trotzdem jede Stunde über drei Einbrüche

Nach wie vor machen die Vermögensdelikte mit zwei Dritteln den grössten Teil der Straftaten aus. Im Vergleich zum Jahr 2017 sanken diese um drei Prozent auf rund 288 650 Delikte. Dabei fielen laut KKPKS vor allem die tieferen Zahlen im Diebstahlbereich (ohne Fahrzeugdiebstahl) um sechs Prozent auf 128 621 Delikte ins Gewicht. Beim Einbruchdiebstahl resultiert ein Minus von sieben Prozent auf 30 383 Delikte. Blättler spricht von einem positiven Resultat. «Es bedeutet aber auch, dass immer noch jede Stunde über drei Einbrüche in der Schweiz verübt werden.» Straftaten, die nur dank akribischer Ermittlungsarbeiten, Spurenabgleichen und Präsenz mit genügend personellen Ressourcen aufgeklärt oder verhindert werden könnten, so der KKPKS-Präsident.

Ein Blick auf die Diebstahlstatistik zeigt, dass tiefere Zahlen besonders in folgenden Bereichen resultieren:

  1. Fahrzeugeinbruchdiebstahl (–29,5%)
  2. Einbruchdiebstahl (–6,6%)
  3. Taschendiebstahl (–12,9%)

Deutliche Zunahme beim Ladendiebstahl

Kriminalstatistik

Nichts an Attraktivität eingebüsst hat der Ladendiebstahl. Alle Diebstahlsformen sind 2018 im Vergleich zu 2017 rückläufig (siehe Abb. 1), mit einer Ausnahme: der Ladendiebstahl. Dieser hat gegenüber dem Vorjahr um zehn Prozent zugelegt. Anzumerken gilt, dass einzelne Kantone vereinfachte Verfahren kennen, mit denen in Einkaufsgeschäften festgestellte Ladendiebstähle direkt über die Justiz (z.B. Regierungsstatthalter) abgewickelt werden können. Die effektive Zahl der registrierten Ladendiebstähle läge somit höher als von der Polizei ausgewiesen werden könne, heisst es dazu in der Polizeilichen Kriminalstatstik.

 

Mehr Cyberkriminalität

Wie gesagt, die «klassische» Kriminalität wie Einbruch- und Einschleichdiebstahl ist seit dem Rekordjahr 2012 im Vergleich zu 2018 deutlich zurückgegangen (–47,3%). Doch es wäre ein Irrtum zu glauben, die Welt sei sicherer geworden. Die Gilde der Kriminellen hält mit der Wirtschaft Schritt. Gleich wie sie beschreiten auch die Langfinger den Weg der digitalen Transformation. Mit dem Tatwerkzeug Internet ausgeführte Delikte haben denn auch deutlich zugenommen. So genau beziffern lässt sich die nicht, denn gemäss den kantonalen Polizeikommandanten muss mit einer grossen Dunkelziffer gerechnet werden. Auf eine Zunahme der Internetkriminalität würden auch die Anstiege in den Bereichen Betrug (+3060 Straftaten, +23%), Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage (+627 Straftaten, +13%), Erpressung (+316 Delikte, +49%), unrechtmässige Aneignung (+241 Straftaten, +9%) und unbefugtes Eindringen in Datensysteme (+187 Straftaten, +46%) hindeuten, so die KKPKS.

In seiner kantonalen Statistik geht beispielsweise der Kanton Zürich detaillierter auf die Cyberkriminalität ein, denn immer mehr Straftaten hätten einen Bezug zur «Tatwaffe Internet»: 2018 wurden mehr als die Hälfte aller erfassten Betrugsdelikte über das Internet begangen. Die Betrugsdelikte (Art. 146 StGB) mit Bezug zur Computer- und Internetnutzung stiegen um 63% (+840), während die Delikte ohne Bezug zu Computer- und Internetnutzung um gut 15% (–309 Straftaten) abnahmen.

Statistik soll 2020 ergänzt werden

Um die Cyberkriminalität statistisch zu erfassen, habe man ein umfassendes Schema entwickelt, heisst es in der ak­tuellen Polizeilichen Kriminalstatistik des Bundes. Sofern es die Qualität der Daten erlaubt, wollen die Verantwortlichen des Bundesamtes für Statistik die ersten Zahlen im Jahr 2020 veröffentlichen.

Auch für das Delikt Cyberkriminalität gilt: Nur was der Polizei gemeldet wird, erscheint letztlich in der Statistik. In diesem Zusammenhang sei nochmals auf den Ratschlag der Melde- und Analysestelle Informationssicherung des Bundes (vgl. www.melani.admin.ch) hingewiesen: Wer von einem Cyberangriff betroffen ist und nicht mehr Zugriff auf seine Daten hat, soll bei Erpressungsversuchen keinesfalls Lösegeld bezahlen, sondern unverzüglich die Polizei einschalten.

Netzwerk gegen digitale Kriminalität aufgebaut

Im Auftrag der kantonalen Polizeikommandanten wurde inzwischen das Netzwerk Ermittlungsunterstützung digitale Kriminalitätsbekämpfung (Nedik) aufgebaut. Dieses Instrument soll die Zusammenarbeit zwischen den Kantonen fördern. Mit dem Netzwerk Nedik wird auch eine nationale Fallübersicht erstellt, was letztlich den Wissenstransfer unter den Poli­zeien gewährleistet. Die Uniformierten würden sich sowohl regelmässig als auch tagesaktuell zu neuen Phänomenen der Cyberkriminalität austauschen und die Kräfte im Bereich der Ermittlungen bündeln.

Ohne auf Cyber-Delikte spezialisierte Ermittler geht es kaum mehr. Die Kantonspolizei St.Gallen hat beispielsweise zusammen mit der Staatsanwaltschaft ein kantonales Kompetenzzentrum für die Bearbeitung von Cybercrime-Delikten geschaffen. Dieses hat im letzten Herbst den operativen Betrieb aufgenommen und wird sukzessive ausgebaut. Deren Kernaufgabe besteht gemäss Stefan Kühne, Leiter Kriminalpolizei, darin, Täterschaften im Internet auch über die Landesgrenzen hinaus aufzuspüren und trotz komplexer technischer und juristischer Fragestellungen zu überführen.

Sexualstraftaten: Verschiebung in den virtuellen Raum

Nicht nur bei den Vermögensdelikten, sondern auch bei den Sexualstraftaten sei eine Verschiebung vom reellen in den virtuellen Raum zu vermuten, schreiben die kantonalen Polizeikommandanten. Diese Delikte seien insgesamt um acht Prozent auf fast 7500 Fälle angestiegen. Auffallend sei insbesondere der Anstieg in den Bereichen Pornografie (+21% auf 1817 Straftaten) und sexuelle Handlungen mit Kindern (+24% auf 1303 Straftaten). «Wir müssen alles daransetzen, die schutzbedürftigsten Mitglieder unserer Gesellschaft noch besser zu schützen», sagt Stefan Blättler.

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