Psychische Erkrankungen bei Mitarbeitenden

In der Schweiz sind psychische Erkrankungen weit verbreitet. Schätzungsweise jede zweite Person ist irgendwann einmal in ihrem Leben davon betroffen. Mit dem vermehrten Arbeiten von zu Hause aus ergeben sich für die Arbeitgeber zusätzliche Herausforderungen für den Umgang mit psychischen Erkrankungen oder psychischen Problemen.

psychische Erkrankungen

Psychische Erkrankungen zeigen sich häufig das erste Mal im ­Jugendalter. Aus diesem Grund gilt es, besonders bei Lernenden aufmerksam zu sein. Gerade bei ihnen ist es jedoch besonders schwierig, zu erkennen, ob sich ein bestimmtes Verhalten aufgrund der Pubertät zeigt oder ob eine psychische Erkrankung dahintersteckt. Starke Stresssituationen wie zum Beispiel Lebenskrisen – Tod naher Angehöriger, Trennung, Verlust der Arbeit, schwere Unfälle, Erkrankungen – können zu einem ersten Auftreten führen, bestehende Erkrankungen verschlimmern, oder zu Rückfällen führen.

Eine Akzentuierung von psychischen Erkrankungen kann auch durch starken Stress in Zusammenhang mit der Arbeit oder, wie im vergangenen Jahr, mit der Ausnahmesituation rund um die Covid-19-Pandemie erfolgen. So haben sich im Vergleich zu früheren Jahren 2020 wesentlich mehr Jugendliche und Erwach­sene telefonische Beratung zum Thema Suizidalität bei Pro Juventute und der Dargebotenen Hand geholt und psychia­trische Ambulatorien waren stärker ausgelastet. Zur gleichen Zeit berichtet ein grosser Teil der Bevölkerung jedoch, dass es ihnen sogar besser gehe als vor der Pandemie.

Wie zeigen sich psychische Er­krankungen bei Mitarbeitenden?

Die Auswirkungen psychischer Erkrankungen können so individuell sein wie der Mensch selbst. Viele Personen mit psychischen Erkrankungen arbeiten ohne Ausfälle und es zeigen sich vielleicht nur einzelne Auffälligkeiten bei Verhalten oder Leistung.

Andere fallen Tage bis Wochen aus oder benötigen eine stationäre Behandlung. In einzelnen Fällen kommt es gar zum (versuchten) Suizid. Seit dem Verlauf der Covid-19-­Pandemie zeigt sich verstärkt: Arbeiten von zu Hause aus wird häufiger werden als davor. In der Schweiz sind ca. 30 Prozent oder mehr der Tätigkeiten aus dem Homeoffice durchführbar. Für Personen mit psychischen Problemen bedeutet dies in einigen Fällen eine Reduktion der wichtigen sozialen Unterstützung. Kolleginnen und Kollegen sowie Vorgesetzte erfüllen diese Funktion am Arbeitsort. Gerade bei alleinstehenden Personen kann das ins Gewicht fallen. Zudem ist die Möglichkeit von Vorgesetzten und Mitarbeitenden, gesundheitliche Verschlechterungen festzustellen und frühzeitig zu handeln, bei der Arbeit im Homeoffice eingeschränkt gegenüber dem persönlichen Kontakt am Arbeitsort.

Aufgaben des Betriebs

Unternehmen können zum besseren psychischen Befinden der Mitarbeitenden ihren Teil beitragen, indem sie bereits vor dem Auftreten von starkem Stress sowie Erkrankungen die Belastungen durch die Arbeit analysieren und beheben oder reduzieren. Zum Beispiel mit einer betrieblichen Gefährdungsermittlung oder Mitarbeiterbefragungen und anschliessenden Massnahmen zur Arbeitsgestaltung. Da Unterstützung durch Vorgesetzte und das Team starken Stress erheblich reduziert, ist es zudem wichtig, das Arbeitsklima zu fördern. Eine gute Kommunikation innerhalb der Teams sowie aus der Geschäftsleitung trägt wesentlich dazu bei. Ebenfalls hilfreich ist die Förderung gemeinsamer Aktivitäten durch die Geschäftsleitung sowie durch die Vorgesetzten. Besonders kritisch zu sehen ist in diesem Zusammenhang das Verbot von persönlichen ausserbetrieblichen Treffen zwischen Mitarbeitenden, wie es während der Covid-19-Pandemie einige Betriebe von ihren Mitarbeitenden gefordert hatten.

Bei Homeoffice oder Aussendienst gewährleisten regelmässige Videokonferenzen innerhalb von Teams und zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden die Kommunikation. Hier kann der Betrieb mit Best-Practice-Beispielen oder Vorgaben zu Umfang und Form einen Beitrag leisten. Wichtig ist zum Beispiel, dass auch über das persönliche Befinden gesprochen wird, nicht nur über die Arbeit. Zudem sollte gewährleistet sein, dass Mitarbeitende regelmässig im Betrieb anwesend sein können – falls nicht an einem eigenen Arbeitsplatz, so doch zu Besprechungen.

Eine angemessene Führungsspanne sowie Arbeitsbelastung für Vorgesetzte stellt sicher, dass diese ihre Unterstützungsfunktion wahrnehmen können. Zusätzlich sollten Vorgesetzte auch zum Thema psychische Erkrankungen, Früherkennung und Unterstützung der Mitarbeitenden geschult werden. Idealerweise werden auch alle Mitarbeitenden im Betrieb zum Thema psychische Erkrankungen informiert (z.B. über die Kampagne «Wie geht’s Dir?» der Pro Mente Sana). So wird betroffenen Personen signalisiert, dass psychische Probleme auch im Arbeitskontext kein Tabu sind. Das macht es den Betroffenen leichter, sich zu äus­sern und Hilfe anzufordern.

Aufgaben der Vorgesetzten

Vorgesetzte tragen Verantwortung für die Mitarbeitergesundheit. Zudem haben Leistungsreduktion oder Ausfälle von gesundheitlich beeinträchtigten Mitarbeitenden Auswirkungen auf die Produktivität und das Team.

Zu den Aufgaben in Zusammenhang mit psychischen Problemen gehören das Achten auf Anzeichen für reduzierte ­Gesundheit sowie das Einleiten und Überprüfen von Unterstützungsmassnahmen. Ein regelmässiger persönlicher Kontakt mit allen Mitarbeitenden des Teams dient dazu, Veränderungen festzustellen. Wenn die Mitarbeitenden ­dauerhaft nicht im Betrieb arbeiten, sollte der Kontakt wöchentlich stattfinden. Rückzug ist ein häufiges Anzeichen von psychischen Problemen.
Der nächste Schritt ist das Ansprechen der wahrgenommenen Veränderung bei einem Mitarbeitenden: Formulierungen wie «Wie geht es dir?», «Ich mache mir Sorgen um dich», «Wie kann ich dich unterstützen?» fördern das Gespräch. Hilfreich ist es, wenn beobachtete Veränderungen möglichst konkret notiert werden und im Gespräch auf ­diese Beobachtungen Bezug genommen wird. Nach einem solchen Gespräch sollte die Kontakthäufigkeit erhöht werden, um bei Bedarf Unterstützung anbieten zu können.

Die Unterstützung bei psychischen Problemen besteht in erster Linie aus Zuhören und dem Vermitteln sozialer Unterstützung – «Ich/wir sind da für dich». Eine offene Kommunikation im Team unter Absprache mit der betroffenen Person ist hilfreich für das Teamklima. In zweiter Linie können Hilfestellungen bei der Durchführung der Arbeit an sich erfolgen. Aber Achtung: Vorgesetzte haben keine therapeutische Aufgabe, zudem auch fachliche, emotionale und zeitliche Grenzen. Deshalb ist es wichtig, die betroffene Person an Fachstellen zu verweisen.

Hilfreiche Informationen für Vorgesetzte, Kolleginnen und Kollegen finden sich in der Kampagne der Pro Mente Sana sowie im Leitfaden für Führungskräfte der Psychiatrie Baselland. Einen spielerischen Zugang zur Thematik liefert das Tool «Leaders Care» der Helsana.

Ergänzende interne und externe Unterstützung

Wichtig ist, dass betroffene Personen frühzeitig Unterstützung erhalten von Fachpersonen – aus Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie. Dies hilft dabei, akute Episoden der Erkrankung zu verkürzen und eine Chronifizierung zu verhindern. Bei psychischen Erkrankungen sind zudem Vorgesetzte oder Mitarbeitende oft überfordert, zeitlich wie auch inhaltlich. Deshalb lohnt es sich, betriebliche oder ausserbetriebliche Anlaufstellen einzurichten, die mit ausgebildeten Fachpersonen besetzt sind. Diese stehen sowohl den betroffenen Mitarbeitenden zur Seite als auch unterstützend den Vorgesetzten und Kolleginnen und Kollegen.Psychische Erkrankungen können jeden von uns treffen – nutzen Sie die betrieblichen Möglichkeiten für die Prävention und Unterstützung!

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