Radiocarbon-Datierung zum Nachweis von Fälschungen

Die Fälschung von Gemälden berühmter Meister lässt sich anhand einer Datierung mit der Kohlenstoff-14-Methode in gewissen Fällen eindeutig nachweisen. So kann die Leinwand nicht weniger alt sein als das Bild selbst. Auf dieser Basis wurden kürzlich mehrere bisher als echt geltende Kunstwerke als Fälschungen entlarvt.

Radiocarbon-Datierung zum Nachweis von Fälschungen
Bedienung eines C14-Beschleuniger-Massenspektrometers über den Steuerungsrechner. ©Alfred-Wegener-Institut

Das zur Datierung eingesetzte radioaktive Isotop Kohlenstoff-14 (C-14) mit einer Halbwertszeit von 5715 ±30 Jahre entsteht bei der Bombardierung von atmosphärischem Stickstoff-14 mit kosmischen Neutronen. Die Atmosphäre enthält darum in dynamischem Gleichgewicht die winzige Konzentration von 1,25 × 10-10 Prozent C-14. Dieses wird von fotosynthetisierenden Pflanzen wie gewöhnlicher Kohlenstoff assimiliert und von Pflanzenfressern sowie indirekt auch von Fleischfressern aufgenommen. Doch nach ihrem Tod zerfällt das gespeicherte C-14 und es wird mangels Stoffwechsel keines mehr aufgenommen. Die nun ständig schwächer werdende Radioaktivität der Probe ist ein Mass für die Zeit, die seit dem Tod des untersuchten Organismus verflossen ist.

Dank der Beschleuniger-Massenspektrometrie (Accelerator Mass Spectrometry, AMS), bei der das Verhältnis von C-14 zum stabilen Kohlenstoffisotop C-12 gemessen wird, konnte die für eine zuverlässige Datierung erforderliche Probemenge auf wenige Milligramm reduziert werden. Im Fall einer Gemäldeleinwand genügt ein kurzes Fadenschnipsel. Auch winzige Proben der Farben können datiert werden, falls sie kohlenstoffhal­tige Verbindungen enthalten, das heisst meistens polymerisiertes Öl.

Um mit einer gewöhnlichen Radio­aktivitätsmessung die Empfindlichkeit des AMS zu erreichen, müsste man in der Lage sein, einen einzigen zerfallenden Atomkern alle zwei Monate nachweisen zu können, was völlig undenkbar ist. Die empfindliche AMS-Variante der C-14-­Datierung ist allerdings viel aufwendiger und darum auch kostspieliger als das konventionelle Zählen von zerfallenden Atomkernen. Doch kann man auf diese Weise Proben zuverlässig datieren, die bis zu 60 000 Jahre alt sind. Dies entspricht mehr als zehn Halbwertszeiten von C-14.

In jüngster Zeit wird die Radiocarbon-Datierung auch zum Nachweis von Gemäldefälschungen eingesetzt. Kürzlich erfolgten forensische Analysen von Kunstwerken an der Universität Paris-Saclay im Fall je eines suspekten Gemäldes der impressionistischen beziehungsweise pointillistischen Stilrichtung. Sie mussten demzufolge aus den Anfangs­jahren des 20. Jahrhunderts stammen und über 100 Jahre alt sein. Die Radiocarbon-Datierung der Leinwände ergab jedoch ein Alter von höchstens 70 Jahren, als die nachgeahmten Künstler längst verstorben waren.

Zu frische Farben

Auf diese Weise wurden die beiden Bilder eindeutig als Fälschungen identifiziert. Sie stammten aus der Werkstatt eines Pariser Restaurators, wo zahlreiche weitere Gemälde bekannter Künstler eingelagert waren. Sie waren aufgrund stilistischer Kriterien zwischen der Mitte des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden. Experten fanden aber die Farben zu frisch für ihr Alter, darum wurden die Radiokohlenstoffdatierungen anhand von Fäden der Leinwand und einem Pinselhaar durchgeführt, das aus einem der Bilder herausoperiert worden war.

Paradoxerweise werden solche Untersuchungen durch die starke, temporäre Erhöhung der C-14-Konzentration in allen fossilen pflanzlichen und tierischen Geweben aufgrund der atmosphärischen Kernwaffentests zwischen den 1940er- und den 1960er-Jahren erleichtert. Findet man eine solche gegenüber früher erhöhte Konzentration des radioaktiven Isotops, kann die Probe nicht älter sein als die Bombentests, sie ist möglicherweise sogar jünger. Jedenfalls konnten die oben erwähnten Fälschungen ganz ohne die bisher üblichen chemischen Mikroana­lysen der Farben auf der Leinwand rein physikalisch erkannt werden.

Ganz neu ist der Einsatz der Radiocarbon-Datierung zum Erkennen von Gemäldefälschungen nicht. Sie wurde vermutlich erstmals 2014 anhand eines suspekten Gemäldes in der Sammlung Peggy Guggenheim in Venedig eingesetzt. Auf diese Weise wurde das Bild als Fälschung erkannt. Fünf Jahre später massen Wissenschafter der Universität Fribourg das Radiocarbon-Alter eines bereits als Fälschung bekannten Gemäldes.

Quelle: Carolyn Wilke, Nature 603, 374 (2022)

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