Rauch- und Wärmeabzug: Wann eignet sich im Brandfall welches System?
Das Thema Rauch- und Wärmeabzug als ein wirksames Instrument im Rahmen von Brandbekämpfungsmassnahmen führt in der Planung, gerade bei komplexen Funktionsanforderungen, immer wieder zu Problemstellungen. Doch bei Wissen um die Wirkungsweise der einzelnen RWA-, NRA-, MRA-, WA-, RDA- und DDA-Anlagen und deren sinnvollen Einsatz ergeben sich durchaus zielführende Lösungen.
Erstes Schutzziel bei einem Brandereignis ist es, den Gebäudenutzern für deren Selbstrettung sowie für die Personenrettung und den Löschangriff durch die Feuerwehr möglichst lange die notwendigen Flucht- und Rettungswege raucharm zu halten. Zusätzlich hilft die gezielte Wärmeabführung, die Gebäudekonstruktion thermisch zu entlasten. Dadurch wird das Kollabieren des Gebäudes durch eine versagende Statik stark verzögert und diese gewonnene Zeit steht für die Menschenrettung und die Brandbekämpfung zusätzlich zur Verfügung.
Baurechtlich wird es dann von Bedeutung, wenn ein Rauch- und Wärmeabzug in der Bauordnung gefordert wird. Bezugnehmend auf die aktuelle Musterbauordnung der Bauministerkonferenz in Deutschland steht zum Beispiel in § 35 «Notwendige Treppenräume» unter Kapitel 8: «Notwendige Treppenräume müssen belüftet und zur Unterstützung wirksamer Löscharbeiten entraucht werden können. Sie müssen in jedem oberirdischen Geschoss unmittelbar ins Freie führende Fenster mit einem freien Querschnitt von mindestens 0,50 m² haben, die geöffnet werden können, oder an der obersten Stelle eine Öffnung zur Rauchableitung haben.»
Zudem heisst es in § 39 «Aufzüge» in Kapitel 3: «Fahrschächte müssen zu lüften sein und eine Öffnung zur Rauchableitung mit einem freien Querschnitt von mindestens 2,5 v. H. der Fahrschachtgrundfläche, mindestens jedoch 0,10 m², haben. Diese Öffnung darf einen Abschluss haben, der im Brandfall selbsttätig öffnet und von mindestens einer geeigneten Stelle aus bedient werden kann.»
Dies bedeutet, dass gerade bei Vorhaben, die der Gebäudeklasse 4 bzw. 5 zuzuordnen sind, aber auch bei Sonderbauten wie Garagen, Versammlungsstätten oder Flächen, die nach Industriebaurichtlinien herzustellen sind, um einige Beispiele aufzuzeigen, die Anforderungen an die Entrauchung und den Einsatz entsprechender Anlagen zur Ableitung von Rauch und Wärme im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens entsprechend definiert werden.
Komplette Anlage
Zusätzlich kann es weitere Schutzziele für eine Entrauchung geben, zum Beispiel, wenn der Sachwertschutz eine Rolle spielt. Aber auch bei Abweichungen von den Anforderungen des Baurechts kann es im Rahmen von Kompensationsmassnahmen zu Forderungen nach solchen Anlagen kommen. Wir empfehlen, diese Abweichungen einschliesslich Kompensationen sowie die Bemessungsparameter schutzzielabhängig auf den jeweiligen Einzelfall mit den zuständigen Behörden abzustimmen.
Wenn man dann von RWA spricht, meint man als Oberbegriff eine komplette Rauch- und Wärmeabzugsanlage, die sich aus einzelnen Rauch- und Wärmeabzugsgeräten (RWG), den Auslöse- und Bedienelementen, der Energieversorgung, den Leitungen, der Zuluftversorgung und bei grösseren Räumen möglicherweise auch zusätzlichen Rauchschürzen zusammensetzt. Folgende RWA-Anlagen werden unterschieden:
- Natürliche Rauchabzugsanlage (NRA)
- Maschinelle Rauchabzugsanlage (MRA)
- Rauch-Differenzdruckanlagen (DDA) bzw. Rauchschutz-Druckanlagen (RDA)
- Garagenentrauchungen
- Aufzugsschachtentrauchungen
- Treppenhausentrauchungen
- Wärmeabzüge (WA)
Wenn man das physikalische Prinzip, dass warme Luft nach oben steigt (thermischer Auftrieb), nutzt, sind dies natürliche Rauch- und Wärmeabzugsanlagen (NRA). Sie funktionieren jedoch nur bei heissem Rauch, sind dann aber kostengünstiger als maschinelle Anlagen. Die NRA fungieren naturgemäss gleichzeitig als Wärmeabzug (WA). Hinweis: Wärmeabzüge funktionieren umgekehrt nicht zwangsläufig als NRA, da sie erst bei fortgeschrittenen Brandverläufen mit hohen Temperaturen ihre Öffnungsflächen freigeben. Ein Nachteil der NRA-Anlagen ist, dass diese Anlagen in der Regel nur bei niedrigen, meist eingeschossigen Gebäuden einsetzbar sind, da bei grösseren Höhen eine negative Wirkung zwischen Zu- und Abluft aufgrund der Windverhältnisse oder Wetterinversionslage zu erwarten ist.
Sowohl Dachöffnungen als auch Öffnungen in Fassaden (Fenster) als Teil der natürlichen Rauch- und Wärmeabzugsanlage haben den Vorteil, dass hier auch Anforderungen des physischen Einbruchschutzes umsetzbar sind. Geprüfte Systeme mit einer Klassifizierung nach RC2 beziehungsweise RC3 nach DIN EN 1627 sind im Markt vorhanden.
Mögliche Entrauchungsventilatoren
Wenn man maschinelle Rauchabzugsanlagen (MRA) einsetzt, erfolgt ihre Funktion mit motorischem Antrieb. Die volle Luftleistung steht sofort bei Auslösung zur Verfügung. Auch ist von Vorteil, dass der Volumenstrom während der Branddauer annähernd konstant bleibt. Und das Schutzziel der grösstmöglichen Rauchfreihaltung bei Flucht- und Rettungswegen wird auch sofort nach Auslösung annähernd erreicht. Als Entrauchungsventilatoren können eingesetzt werden: Dach-, Wand-, Kanal-, Axial- oder Radialventilatoren.
Die Entrauchung kann dabei direkt ohne oder mit Entrauchungsleitungen erfolgen. Die Prüfung der Temperaturfestigkeit der Ventilatoren erfolgt nach DIN EN 12101-3 Rauch- und Wärmefreihaltung – Teil 3: Bestimmungen für maschinelle Rauch- und Wärmeabzugsgeräte. Entsprechend Prüftemperatur und Prüfzeit gibt es eine Einteilung in verschiedene Temperaturklassen:
- Temperaturklasse F 200 (Prüftemperatur 200 °C, bei einer Prüfzeit von 120 Minuten)
- F 300 (Prüftemperatur 300 °C, bei einer Prüfzeit von 60 Minuten)
- F 400 (90) (Prüftemperatur 400 °C, bei einer Prüfzeit von 90 Minuten)
- F 400 (120) (Prüftemperatur 400 °C, bei einer Prüfzeit von 120 Minuten)
- F 600 (60) (Prüftemperatur 600 °C, bei einer Prüfzeit von 60 Minuten)
Mindestens Temperaturklasse F 600
Damit die beim Brand anwachsenden Rauchgastemperaturen nicht zu Funktionsstörungen des Ventilators führen, sollten im Regelfall immer Ventilatoren mit mindestens der Temperaturklasse F 600 eingesetzt werden. Es gilt zu beachten, dass Entrauchungsventilatoren Bestandteil der Bauregelliste B Teil 1 des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) sind und dem Geltungsbereich harmonisierter Normen nach der Bauproduktenverordnung unterliegen. Sie dürfen nur in den Geschäftsverkehr gebracht werden, wenn sie von einer notifizierten Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstelle zertifiziert sind und der Hersteller durch ein CE-Zeichen die Konformität mit DIN EN 12101-3 erklärt hat. Das Thema Einbruchschutz ist bei solchen Anlagen grundsätzlich integrierbar, jedoch meist als separate Sicherungsebene und unabhängig von der technischen Anlage. Dabei darf aber der freie Querschnitt der Entrauchungsöffnung nicht nachteilig verringert werden.
Bei Rauch-Differenzdruckanlagen (DDA) beziehungsweise Rauchschutz-Druckanlagen (RDA) ist das Abführen von Rauch nur sekundär. Sie verhindern hauptsächlich das Eindringen von Rauch in Fluchtwege wie notwendige Flure und Sicherheitstreppenräume. Sie sorgen durch Ventilatoren, Klappenöffnungen, Drucksensoren, automatische Türschliesser usw. für einen ständigen leichten Überdruck im zu schützenden Raum, sodass Rauch zum Beispiel aus einem vorgelagerten Bereich nicht in den notwendigen Flur beziehungsweise das Treppenhaus gelangen kann. Insbesondere auch dann, wenn die Türen dazwischen von flüchtenden Personen benutzt werden. Wichtig dabei: Es darf auf keinen Fall so viel Druck entstehen, dass sich die Türen ins Treppenhaus nicht mehr öffnen lassen.
Entrauchungssysteme für Garagen
Eine Garagenentrauchung als eine individuell geplante Rauchverdrängungs- und Entrauchungsanlage hat das Schutzziel der Unterstützung einer Selbst- und Fremdrettung, auch eines Löschangriffs, und dient dem Sachwertschutz. Die Auswahl eines Entrauchungssystems für Garagen hängt dabei von der Fläche und der Höhe des Garagenraums ab. Bei Tiefgaragen ist in der Regel die abgestufte Schichtung des Rauchs aufgrund der geringen Raumhöhe nur bedingt oder nicht möglich. Hier hat man die Möglichkeit, mittels Schubventilatoren den Rauch in vorbestimmte Bereiche zu drücken, aus denen er abgesaugt wird.
Im Gegensatz dazu erfüllt die Aufzugsschachtentrauchung zwei gesetzliche Bestimmungen: eine Entrauchung im Brandfall und eine Lüftung im Bedarfsfall. Im Aufzugsschacht sind Rauchmelder angeordnet und am oberen Ende Brandschutzklappen angebracht. Diese lösen im Brandfall aus und führen den Rauch nach oben aus dem Schachtkopf. Ziel ist es, den Rauchübertritt von einem Geschoss in ein anderes über den Fahrschacht zu vermeiden.
In Treppenhäusern durchströmt der nach oben steigende Rauch das ganze Treppenhaus von der Rauchquelle bis zur Ableitungsöffnung. Deshalb werden bei einer Treppenhausentrauchung bei relevanten Gebäuden brandlastfreie Treppenräume und selbstschliessende, rauchdichte Türen zu den Fluren verlangt. Bei Gebäuden ab 13 Metern Höhe beziehungsweise ab fünf Geschossen sowie bei innen liegenden Treppenräumen ist je nach Landesbauordnung eine Treppenhausentrauchung vorgeschrieben. Angeordnet werden öffenbare Lichtkuppeln oder ein Fenster im Flachdach sowie mindestens zwei Auslöse-RWA-Taster. Zur Spülung kann dann die Feuerwehr zum Beispiel mobile Ventilatoren an den Eingangstüren einsetzen.
Der Wärmeabzug (WA) ist hingegen eine Wand- oder Dachfläche, die bei einer bestimmten Temperatur selbstständig eine Öffnung freigibt (z.B. durch Abschmelzen von thermoplastischen Dachlichtelementen). Daraus können dann die gefährliche Brandhitze und der giftige Brandrauch entweichen.
Zusammenfassung
Wie in diesem Beitrag gezeigt, existieren vielfältige Möglichkeiten der Rauch- und Wärmeableitung. Es ist spätestens im Rahmen der Genehmigungsplanung zu prüfen, welches System aufgrund ihrer funktionellen Abhängigkeiten das geeignete System ist. Und es erfordert bei der Umsetzung den entsprechenden Sachverstand, um die entsprechenden Randbedingungen mit den Anforderungen und den Vorstellungen des Nutzers unter einen Hut zu bringen.
Autor: Rochus Zalud, Sicherheitsberater, VZM GmbH
Internationaler Brandschutz-Tag
Der internationaler Brandschutz-Tag findet jeweils am 9. Oktober statt. Jedes Jahr sterben in der Schweiz bei Gebäudebränden zwischen 13 und 36 Personen, wie die Beratungsstelle für Brandverhütung (BFB) schreibt. 2022 wurden hierzulande 21 Todesfälle verzeichnet.
Der internationale Brandschutztag findet im Gedenken an den Grossen Brand von Chicago statt. Das Feuer wütete vom 8. bis 10. Oktober 1871 und legte grosse Teile der Innenstadt in Schutt und Asche. Der Brand war von einer Scheune ausgegangen und vernichtete rund 17’000 Gebäude. Ein Drittel der 300’000 Einwohner wurden obdachlos, bis zu 300 Menschen starben.
40 Jahre nach dem Ereignis hat die Marshall’s Association of North America (FMANA) den ersten Brandschutztag initiiert. (Red.)