Revision der ZPO – Chance auf verbesserten Rechtsschutz

Die meisten Menschen und ein grosser Teil der KMU sind heute in der Schweiz faktisch von der Justiz ausgeschlossen. Das aktuelle Zivilprozessrecht setzt die Hürden für einen Prozess derart hoch an, dass meist nur Grossunternehmen und Begüterte die Kosten eines Verfahrens auf sich nehmen. Mit der Vernehmlassung für die neue Zivilprozessordnung (ZPO) beginnt heute die Auseinandersetzung mit Regeln, die für alle, Bürger wie Unternehmen, enorm wichtig sind.

Verbesserter Rechtsschutz ist eine Chance für alle. Allein durch den Abgasskandal verloren besonders umweltfreundlich angepriesene Autos auf dem Occasionsmarkt schlagartig an Wert (24% gemäss Comparis, 15% gemäss Stiftung für Konsumentenschutz). © Stiftung für Konsumentenschutz

2011 reichte Konsumentenschutz-Präsidentin Prisca Birrer-Heimo eine Motion ein, um den kollektiven Rechtsschutz in der Schweiz zu verankern. Den Auftrag, die ZPO zu revidieren, fasste der Bundesrat 2014. Ganze vier Jahre benötigte dieser, um heute endlich seine Gesetzesvorlage zu präsentieren.

Fortschritt für die Konsumenten und Unternehmen

Der Konsumentenschutz begrüsst die Stossrichtung der Vorlage im Wesentlichen. Sara Stalder, Geschäftsleiterin des Konsumentenschutzes: «Die Vorlage hat das Zeug, den Schutz der Rechte insbesondere von Konsumenten und Kleingewerbe zu verbessern».  Der Konsumentenschutz begrüsst die vorgesehene Reduktion der Gerichtskosten und die Fortentwicklung des kollektiven Rechtsschutzes. Allerdings ist mit Widerstand vieler Grosskonzerne zu rechnen: Dass sich die Kundschaft nicht wehren kann, ist für sie vorteilhafter. Bei näherer Betrachtung ist der Vorschlag jedoch auch für Grossunternehmen interessant. Prisca Birrer-Heimo: „Redlich handelnde Unternehmen sind im Wettbewerb benachteiligt gegenüber gewissenlosen Konkurrenten. Diese profitieren von rechtswidrig erlangten Gewinnen, weil die Kunden sie nicht gerichtlich zurückfordern können.“

Reduktion des Prozessrisikos

Besonders bei geringem Streitwert ist das Prozessrisiko enorm hoch, denn die Gerichtskosten übersteigen diesen in der Regel. Eine Halbierung der Gerichtskostenvorschüsse ist deshalb ein pragmatischer Schritt in die richtige Richtung. Ebenfalls begrüsst der Konsumentenschutz, dass der Kläger nicht mehr das Insolvenzrisiko des Beklagten tragen muss. Der Beklagte ist verpflichtet, dem siegreichen Kläger den von diesem geleisteten Kostenvorschuss zurückzuerstatten. Ist der Beklagte aber zwischenzeitlich insolvent, bleibt der Kläger gemäss der heutigen Regelung auf Gerichtskosten sitzen. Neu soll wieder der Staat den einbezahlten Kostenvorschuss an den Kläger zurückerstatten.

Kollektiver Rechtsschutz

Durch sein Engagement im Dieselgate-Klageprojekt gegen VW und Amag (Anm. der Redaktion: siehe Editorial SAFETY-PLUS 1/2018) kennt der Konsumentenschutz die Mängel der ZPO bezüglich kollektivem Rechtsschutz genau: Die Rechtslage ist prekär. Ein Konzern wie beispielsweise Volkswagen kann sich darauf verlassen, dass er für unlautere Machenschaften dank hohen Hürden des Zivilprozessrechts nicht zur Rechenschaft gezogen wird. Die Konsumenten sind ohnmächtig.

Unter anderem soll das bestehende Verbandsklagerecht mit einer Klage auf Schadenersatz ergänzt werden. Und die Konsumenten und KMU erhalten bei Massenschäden die Möglichkeit, mit einem mutmasslichen Schädiger einen kollektiven Vergleich auszuhandeln. „Dass der Bundesrat keine Sammelklage nach amerikanischem Vorbild vorschlägt, ist gut“, betont Sara Stalder. „Es handelt sich um eine kleine, aber überfällige Verbesserung der schweizerischen Rechtslage“.

Text: Stiftung für Konsumentenschutz

 

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