Schweizer halten Gesundheitspolitiker für unfähig

92 Prozent der Schweizer sind davon überzeugt, dass auch 2018 die Krankenkassenprämien wieder deutlich steigen werden. Gleichzeitig halten 62 Prozent aller Schweizer ihre Gesundheitspolitiker für unfähig, das Gesundheitssystem effizienter zu machen und die Kosten zu senken.

62% der Schweizer halten Gesundheitspolitiker für unfähig. «Der Wunsch der Versicherten nach tieferen Prämien prallt auf die Forderungen der Pharmaindustrie nach kaufkraftbereinigten Medikamentenpreisen aufeinander», stellt Felix Schneuwly von Comparis fest.
© Depositphotos/SIphotography

Zudem sind die Befragten überzeugt, dass die Pharmaindustrie und eingebildete Kranke die grössten Kostentreiber sind. Das zeigt eine repräsentative Umfrage des Internetvergleichsdienstes Comparis. Herr und Frau Schweizer rechnen auch für nächstes Jahr wieder mit einer Prämienerhöhung. 47 Prozent gar mit einem deutlichen Schub von 4 bis 6 Prozent. Nur jeder zwanzigste Schweizer (5,3 Prozent) geht davon aus, dass die Krankenkassenprämien nächstes Jahr für einmal nicht steigen werden. Die sich stetig weiterdrehende Prämienschraube überfordert dabei viele Familien: 28 Prozent geben an, ihren finanziellen Spielraum dafür aufgebraucht zu haben. Für viele ist das inzwischen harte Realität.

Unfähige Politiker

Die Befragten glauben nicht, dass die Politik den ungebremsten Kostenanstieg und die unaufhörlich steigenden Krankenkassenprämien bald in den Griff bekommen wird: 62 Prozent trauen den Politikern nicht zu, das Gesundheitssystem zu reformieren und den Kostenanstieg zu bremsen. Diese Einschätzung erstaunt Felix Schneuwly, Krankenkassenexperte beim Internet-Vergleichsdienst comparis.ch, nicht: «Seit Einführung des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) im Jahr 1996 versucht die Politik, regulierend auf die steigenden Kosten einzuwirken – bisher erfolglos. Besserung verspreche ich mir erst, wenn endlich der Behandlungserfolg vergütet wird und nicht mehr nur die Menge der medizinischen Leistung.»

Romands am wenigsten pessimistisch, Tessiner desillusioniert

Geht es um die Politik, sind die Romands am wenigsten pessimistisch. Von ihnen glauben «nur» 52 Prozent, dass die Politiker ausser Stande sind, eine Verbesserung herbei zu führen. Bei den Deutschschweizern sind es 65 Prozent und richtiggehend ernüchtert sind die Tessiner: Von ihnen haben knapp 70 Prozent den Glauben an die Gesundheitspolitiker verloren. Für Felix Schneuwly kommt dieses Resultat nicht überraschend, denn: «Die Romands verlassen sich generell eher auf den Staat als die Deutschschweizer und Tessiner.»

Die grössten Kostentreiber: Pharmaindustrie und eingebildete Kranke

Die Verantwortung für den ungebremsten Kostenanstieg im Gesundheitswesen lasten die Befragten mehreren Akteuren an. So nennen sie als die Hauptschuldigen Patienten, die bei jeder Kleinigkeit Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen (60 Prozent), die Pharmaindustrie (58 Prozent), die Krankenkassen (42 Prozent), Ärzte und Spitäler (37 Prozent) und Menschen, die nicht auf ihre Gesundheit achten (24 Prozent). Einen weiteren Grund sehen 17 Prozent bei dem immer dichter werdenden Gesundheitsversorgungsnetz, das selbst bei Bagatellfällen zu Arztbesuchen verleitet.

Für Krankenkassenexperte Felix Schneuwly ist klar, dass Versicherte mit tieferen Prämien belohnt werden müssen, wenn sie nicht gleich wegen jeder Bagatelle den Spitalnotfall oder den Spezialarzt bemühen. Und er stellt eine Forderung auf: «Das Bundesamt für Gesundheit muss den Versicherern mehr Spielraum geben, die Rabatte auf alternativen Versicherungsmodellen wie Telmed, Hausarzt und HMO zu erhöhen».

Zwei Drittel aller Schweizer gegen Verbot von Parallelimporten

Geht es um Ideen, wie der Anstieg der Gesundheitskosten gebremst werden könnte, hat die Schweizer Bevölkerung klare Vorstellungen. 64 Prozent der Befragten plädieren dafür, Parallelimporte von Medikamenten zuzulassen, um so von den günstigeren Preisen im Ausland zu profitieren. «Hier prallt der Wunsch der Versicherten nach tiefen Prämien auf die Forderungen der Pharmaindustrie nach kaufkraftbereinigten Medikamentenpreisen aufeinander», stellt Felix Schneuwly fest.

54 Prozent zweifeln an der Integrität der Ärzte und fordern eine strikte Kontrolle ihrer Abrechnungen und 27 Prozent möchten Behandlungen und Kuraufenthalte im Ausland ermöglichen. Andere Forderungen sind die Erhöhung der Mindestfranchise von 300 Franken (17 Prozent), eine Einschränkung des Leistungskataloges (13 Prozent) oder die Einführung eines höherer Selbstbehaltes (12 Prozent).

80 Prozent wollen keine teuren Originalpräparate und sind mit Generika zufrieden

Damit die Gesundheitskosten gebremst werden können, sind 80 Prozent aller Schweizer bereit, auf teure Originalpräparate zu verzichten und stattdessen günstigere Generika-Medikamente zu verwenden – wenn sie denn in Form von Prämienrabatten dafür belohnt würden. Die Hälfte der Befragten würden dafür einen Rabatt von bis zu 15 Prozent als angemessen betrachten, 40 Prozent würden eine Prämienlinderung von 15 bis 30 Prozent verlangen. Für Felix Schneuwly ist klar, dass die Bevölkerung bei Umfragen kritisch und vernünftig antwortet, im Krankheitsfall aber zu leichtgläubig ist. «Schon heute haben Patienten die Möglichkeit, bei der Wahl zwischen Generika und Originalpräparat mitzureden. Im Alltag wird aber zu wenig hinterfragt, was der Arzt verschreibt und der Apotheker abgibt.» Auch zeigt sich jeder Zweite offen für Telmed-Lösungen, die noch vor dem Gang zum Arzt oder in die Apotheke eine telefonische Konsultation vorschreiben – um als Gegenleistung von einer tieferen Prämie zu profitieren.

Schweizer Versicherte fühlen sich gut informiert

Die Frage, ob sie sich gut über das Krankenkassensystem und die bestehenden Wahl-möglichkeiten bei Franchisen und Versicherungsmodellen informiert fühlten, bejahen 70 Prozent der Schweizer. Nur 30 Prozent verneinen dies. In der Gesamtbeurteilung schliesst das Gesundheitssystem bei der Schweizer Bevölkerung überwiegend positiv ab: Zwei Drittel sind mit dem Gesundheitswesen zufrieden (14 Prozent sehr zufrieden, 53 Prozent eher zufrieden) und ein Drittel ist damit unzufrieden (10 Prozent sehr unzufrieden, 22 Prozent eher unzufrieden).

Tiefere Verwaltungskosten als die Leute glauben

Zu guter Letzt zeigt sich in der aktuellen Umfrage, dass die Befragten mit ihren Einschätzungen auch falsch liegen können. So schätzen sie die Verwaltungskosten der Krankenkassen oft zu hoch ein. 68 Prozent sind davon überzeugt, dass mehr als 11 Prozent ihrer Prämienzahlungen ins Marketing, in die Werbung und in die Verwaltung der Krankenkassen fliessen. Ein Fünftel meint sogar, es seien mehr als 20 Prozent. Tatsächlich lag der Verwaltungskostenanteil 2016 durchschnittlich bei 5,5 Prozent – und damit um 0,2 Prozentpunkte tiefer als noch im Vorjahr. Felix Schneuwly von comparis.ch erklärt die zu hoch geschätzten Verwaltungskosten mit der starken Werbepräsenz der Krankenkassen.

 

Methodik: Die repräsentative Umfrage wurde von Innofact AG im Auftrag von comparis.ch im September 2017 bei 1030 in der Schweiz wohnhaften Personen im Alter von 18 bis 74 Jahren in allen Landesteilen durchgeführt.

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