Sechs Mythen gefährden die Applikationssicherheit
Nichts ist wichtiger als die Sicherheit Business-kritischer Applikationen. Wer sechs Mythen kennt und beachtet, kann die IT-Sicherheit massiv erhöhen.
Die Gefährdungslage der IT verschärft sich zunehmend und ist zudem vielschichtiger geworden. Erfolgt ein Angriff, verhindern Unternehmen mit bestehenden Schutzmassnahmen zwar meist einen grösseren Schaden. Wie sie die Sicherheit ihrer Applikationen aber weiter signifikant erhöhen können, erklärt Sicherheitsexperte René Bader von NTT Security in den folgenden sechs Mythen.
Mythos 1: Cyberkriminelle attackieren die Infrastruktur, Applikationen stehen kaum im Fokus
Dieser Mythos ist leider ein weit verbreiteter Irrglaube. Untersuchungen haben ergeben, dass mehr als die Hälfte aller Angriffe über das Applikations-Layer erfolgen. Das siebte OSI-Layer, die Anwendungsschicht, wird durch klassische Firewalls aber gar nicht geschützt. Empfehlenswert ist, kritische Geschäftsanwendungen durch eine Application Firewall zu schützen, die Input, Output und Zugriffe auf externe Dienste kontrolliert und gegebenenfalls blockiert, wenn sie nicht der in der Application Firewall konfigurierten Policy entsprechen.
Applikationssicherheit setzt aber bereits bei der Entwicklung der Software an. Anwendungsprogrammierer sollten Best Practices folgen und erwiesenermassen unsicheren Code und gefährdungsanfällige Programmierkonstrukte nicht mehr verwenden, damit Schwachstellen gar nicht erst entstehen können. Im gesamten Application Lifecycle spielt ausserdem ein zeitnah durchgeführtes Patch-Management eine sehr wichtige Rolle (siehe Mythos 5).
Mythos 2: Penetrationstests reichen aus, die Anwendung ist sicher
Die meisten IT-Spezialisten glauben, dass ein erfolgreich absolvierter Penetrationstest die Sicherheit einer Anwendung nahezu garantiert. Das gilt für einfache Apps, aber nicht für komplexe Anwendungen, die viel Business- und Prozess-Logik enthalten. Komplexe Applikationen mit vielen Stakeholdern sind durch Penetrationstests gar nicht vollständig austestbar. Entwicklungs-, Beschaffungs- oder Freigabeprozesse, an denen mehrere Geschäftseinheiten beteiligt sind, sollten deshalb unbedingt zusätzliche Security-Massnahmen durchlaufen. NTT Security empfiehlt, sich an Software-Reifegradmodellen wie OpenSAMM zu orientieren, die Unternehmen helfen, eine auf ihr Geschäftsmodell abgestimmte Sicherheitsstrategie für Business-kritische Applikationen aufzusetzen.
Besondere Aufmerksamkeit benötigen selbst entwickelte Applikationen. Ein Beispiel: Über 70 Prozent der SAP-Funktionalitäten werden von den Kunden selbst programmiert. Der Hersteller übernimmt für Eigenentwicklungen aber keine Sicherheitsgarantie. Die mithilfe von Reifegradmodellen wie OpenSAMM aufgestellten Sicherheitsmassnahmen sind deshalb bei eigener Software, für die der Kunde selbst die Verantwortung trägt, besonders wichtig.
Mythos 3: Sicherheitstools erledigen den Job, dann haben Cyberangreifer keine Chance
Viele Unternehmen verlassen sich zu sehr auf ihre Sicherheitstools, zum Beispiel auf das Patching oder das Konfigurationsmanagement. Tools sind wichtig, aber nur die halbe Miete. In der IT ist heute alles mit allem vernetzt. Die einzelnen Geschäftseinheiten aber sprechen zu wenig miteinander. Sicherheitsexperten, die auf eine ganzheitliche Sicherheitsstrategie achten, sollten bei jeder Neueinführung und bei jeder wichtigen Entscheidung mit am Tisch sitzen. Sonst benutzt jede Abteilung unkoordiniert ihre eigenen Tools und am Ende gibt es bei einem Sicherheitsvorfall viele enttäuschte Gesichter.
Mythos 4: Jeder Mitarbeiter ist für die Sicherheit selbst verantwortlich
Die gefährlichste Schwachstelle in Unternehmen sind die eigenen Mitarbeiter, betonen Sicherheitsexperten. Wichtig ist deshalb, durch regelmässige Schulungen bei den Mitarbeitern ein Risikobewusstsein zu schaffen und über die aktuellen Angriffsvektoren zu informieren. Schulungen schliessen nicht aus, dass sich Cyberkriminelle durch Social-Engineering-Techniken wie personalisierte Phishing-Mails Zugang zu sensiblen Daten verschaffen, aber sie erhöhen die Awareness und verringern das Risiko. Es gilt, sich jeden Klick auf ein Mail-Attachement zweimal zu überlegen und den gesunden Menschenverstand einzusetzen.
Mythos 5: Sicherheitspatches aufzuspielen dauert Stunden und Systeme sind nicht nutzbar
Im Durchschnitt stehen gefährdete, ungepatchte Applikationen mehrere hundert Tage im Netz, obwohl Schwachstellen bekannt sind und Cyberkriminelle jederzeit einen Angriff starten könnten. Das grösste Sicherheitsleck für Applikationen sind ungepatchte Bibliotheken; siehe unter Application Security Statistics Report 2018 (Vol. 13). Grund für dieses fahrlässige Verhalten ist der in vielen Firmen verbreitete Irrglaube, dass IT-Systeme beim Aufspielen von Sicherheitspatches ausfallen und nicht nutzbar sind: Kunden können möglicherweise Bestellsysteme nicht aufrufen, Mitarbeiter drehen Däumchen und dem Unternehmen entgehen dadurch Einnahmen.
Diese Annahme ist falsch. Sicherheitspatches können heute entweder im laufenden Betrieb aufgespielt werden oder bedingen nur eine kurzzeitige Abschaltung einzelner Komponenten. Eine weitere Alternative besteht darin, das nächtliche Wartungsfenster für die Patches zu nutzen.
Mythos 6: Wenn man gehackt wurde, ist nichts mehr zu machen
Einfacher gesagt als getan: Im Angriffsfall sollten Unternehmen auf jeden Fall Ruhe bewahren und durch unüberlegte Kurzschlussreaktionen nicht noch mehr Schaden anrichten. Es gibt Unternehmen, die nach einem Angriff den Netzstecker gezogen und dadurch die Festplatten-Controller zerstört haben. Für die Forensiker war es nicht mehr möglich, den Angriff zu rekonstruieren und im Nachhinein die Angriffsvektoren zu identifizieren. Ziel sollte sein, so viele Beweise und Daten wie möglich zu sammeln und schnellstmöglich die Hilfe professioneller Sicherheitsexperten einzuholen.
Quelle: NTT Security