Sensibilität und Verantwortung verhindern Unfälle

Stahlbau und Sicherheit gehen Hand in Hand. Hochhäuser in Erdbebengebieten werden in der Regel als Stahlbau realisiert. Die geringen Margen in einzelnen Branchen stellen jedoch Sicherheitsbeauftragte von Betrieben vor zusätzliche Herausforderungen. Es drängt sich die Frage auf: Braucht es mehr Mitverantwortung in den Betrieben?

Stahlbau
Garantierte Materialqualität, ein hoher Standardisierungsgrad, strenge Bauvorschriften und eine Fehlertoleranz, die aufgrund der physikalischen Bedingungen kleiner als bei anderen Baumaterialien ist, sprechen für die Sicherheit des Baustoffs und der Bauart. ©depositphotos

Die Gefahren im Stahl- und Metallbau können vielfältig sein: Die Arbeit mit schweren Materialien und Maschinen und ein hoher Industrialisierungsgrad bergen genauso Risiken wie die ­Arbeit mit dem Material in Bezug auf Funkenflug oder Staub. Die meisten Verletzungen passieren an den Händen oder Augen. Entsprechend aufmerksam werden diese Gefahren in Betrieben kontrolliert und durch die Unternehmen minimiert. Die Bestimmungen der Suva, die auch im Maschinenbau gelten, helfen dabei, Gefahrenstellen zu identifizieren und mittels geeigneter Massnahmen zu minimieren. Dazu gehören Sicherheitsvorrichtungen an Maschinen, vorgegebene Fahrwege, die richtige Arbeitskleidung oder auch die Ordnung am Arbeitsplatz und in den Werkshallen.

«Die regelmässige Überprüfung der Sicherheitseinrichtungen an Maschinen wie auch die richtige Lagerung des Materials sind in Stahlbaubetrieben nicht mehr wegzudenken», so Markus Hasler, Sicher­heitsbeauftragter der Wetter-Gruppe. «Arbeits- und Gesundheitsschutz sind unsere täglichen Begleiter. Die laufende Sensibilisierung und Schulung – ob für die Werkstatt oder die Montage – hat bei uns einen sehr hohen Stellenwert.» Auch Schulungen durch Dritte, z.B. für die Nutzung von Staplern oder Hebebühnen, liegen an der Tagesordnung.

Für Andreas Steffes, Geschäftsführer von Metal Suisse, dem Verband der Metall- und Stahlbranche, steht fest: «Für Mitarbeitende von klassischen Stahl-, Metall- oder Fassadenbauern lauern vor allem auf den Baustellen besondere Gefahren. Wer in schwindelerregender Höhe arbeitet, muss gegen einen Absturz gesichert sein.» Die Absturzsicherung sei daher in jedem Fall eine Pflicht: Darin sind sich Unternehmen, Verbände und Gesetzgeber einig. Viele bauspezifische Gefahren werden von der neuen Bauarbeitenverordnung, die seit 1.1.2022 in Kraft ist, adressiert. Bei der Stahlskelettbauweise von hohen, mehrgeschossigen Gebäuden seien eine gute Koordination und die Absturzsicherung von besonderer Bedeutung. Auch das Handling der Materialien sei aufgrund der Abmessungen und des Gewichts wichtig, so Steffes. «Diese Bauteile sind mit Anschlagpunkten versehen und werden nur durch ausgebildete Fachpersonen angeschlagen. Eine kollektive Absturzsicherung – zum Beispiel durch Sicherungsnetze – wird bereits von Anfang an im System eingeplant. »

Sicherheit kostet Geld und Zeit

Wichtigster Partner für alle sicherheitstechnischen Fragen ist die Suva. Eine interne Kontaktperson für Arbeitssicherheit kennen alle grossen Schweizer Stahlbaubetriebe. Die Suva-Checklisten, allen vo­ran die «Neun lebenswichtigen Regeln für die Stahlbau-Montage», würden laut Metal Suisse in der Branche gut genutzt und gäben die Arbeitsrealität hervorragend wieder. Aktuell überarbeitet die Suva die verschiedenen Merkblätter und Checklisten und passt diese an die revidierte Bauarbeitenverordnung an. Es gibt aber auch eine Entwicklung, die immer komplexer wird. Die zunehmenden Richtlinien vereinfachen die Situation nicht.

Diana Gutjahr, Nationalrätin und Miteigentümerin des Stahlbauunternehmens Ernst Fischer AG, empfindet das eher als hinderlich: «Wir sind der Suva pflichtunterstellt. Das hemmt das Sicherheitsbewusstsein und die vorausschauende und nachhaltige Gefahrenbewertung. Ich würde mir wünschen, dass die Suva wieder vermehrt eine partnerschaftliche Rolle einnimmt und zusammen mit den Branchen daran arbeitet, die Sicherheit zu erhöhen», so Gutjahr.

«Wir bewegen uns vielmehr in Richtung der USA, wo mit unzähligen Hinweisen versucht wird, die Sicherheit zu erhöhen. Zu viel Regulierungen führen dazu, dass weniger über Folgen nachgedacht wird.»

«Der partnerschaftliche Austausch mit den versicherten Betrieben ist der Suva sehr wichtig», sagt Adrian Vonlanthen, Mediensprecher bei der Suva. Denn es brauche einen Konsens aller Beteiligten, damit die Regeln Sinn ergeben. Deshalb sei auch die neue Bauarbeitenverordnung zusammen mit den Sozialpartnern, Vertretern von Bund und Kantonen und der Suva revidiert worden. Die Sozialpartner hätten sich bereits bei der Erarbeitung des Revisionsentwurfs einbringen können. Damit, so die Suva, sei es überhaupt erst möglich gewesen, eine breit abgestützte Vorlage in die Vernehmlassung zu schicken, in welcher die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände nochmals die Chance hatten, sich aktiv einzubringen.

Mehr Mitverantwortung in Betrieben oder neue Konzepte?

Immerhin gibt es auf Grossbaustellen schon heute externe Sicherheitsbüros, die alle Arbeitsgänge kontrollieren. Die einzelnen Unternehmen erstellen anschlies-send eigene Sicherheitskonzepte und legen diese vor. Vorher kann keine Arbeit begonnen werden. Dieser immense Arbeitsaufwand schmälere die geringen Margen im Stahlbau zusätzlich, so Gutjahr. Eine Koordination der verschiedenen Gewerke erfolge nur im Ansatz. Gerade bei den grossen ausscherenden Lasten im Stahlbau sei dies schwierig, denn beim Abladen des Materials müsse eine Absperrung des Gefahrenbereichs erfolgen. Hier habe man laut Gutjahr verpasst, die Weichen in der Bauarbeitenverordnung richtig zu stellen.

Sinnvoll, so Gutjahr, wäre es, wenn der Bauherr die Mitverantwortung für ein übergreifendes Sicherheitskonzept übernehmen müsste. Die Bauherrschaft sollte demnach für die Umsetzung, Kontrolle und Wartung mitverantwortlich sein, beispielsweise auch bei offensichtlichem Fehlverhalten auf den Baustellen.

«Hier braucht es dringend neue ­Konzepte, die die Mitarbeitenden in die Mitverantwortung nehmen», ist Gutjahr überzeugt. Die direkte Kommunikation müsse direkt auf der Baustelle erfolgen. «Das wäre viel nachhaltiger», so Gutjahr.

Sensibilität und Verantwortung verhindern Unfälle
Fordert mehr übergreifende Sicherheitskonzepte und den Einbezug der Bauherrschaft in die Mitverantwortung: SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr.

«Ein Einbezug von Bauherren oder Planern ist aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen nicht möglich», heisst es bei der Suva. Bereits heute werde jedoch bei vielen grösseren Baustellen auf freiwilliger Basis ein ganzheitliches Sicherheitskonzept erstellt, bei dem sich die involvierten Unternehmen gegenseitig absprechen und koordinieren würden, so der Suva-Sprecher. Geprüft würden derzeit verschiedene Möglichkeiten, wie Bauherren und Planer noch besser dabei unterstützt werden können, ein gesamtheitliches Sicherheitskonzept zu erarbeiten.

Wichtig für dieses gesamtheitliche Sicherheitskonzept bleibe aus Sicht der Branchenvertreter von Metal Suisse die Verteilung der Verantwortung auf diejenigen Parteien, die tatsächlich in der Lage seien, verantwortliches Handeln zu erbringen und zu kontrollieren. Wie einige der Vertreter auf Anfrage sagen, müssten Bauherren- wie auch Mitarbeiter­vertreter in diesen Prozess einbezogen werden, um ein griffiges Konzept zu er­arbeiten, was letztlich zu einer spürbaren Verbesserung der Sicherheit auf Baustellen führen soll.

Dieser Fachartikel erschien ursprünglich in der gedruckten Ausgabe SAFETY-PLUS 4-2021.

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