Sicherheitsassistenz erkennt schmutzige Bomben

Die Terrorgefahr nimmt zu, das Material für schmutzige Bomben ist leicht zu beschaffen. Ein neues System soll künftig potenzielle Träger von radioaktiven Stoffen identifizieren.

Im Labor wird geprüft, wie robust das Sicherheitsassistenzsystem ist: Es muss den Träger einer schmutzigen Bombe eindeutig identifizieren können. © Fraunhofer FKIE

 

Experten warnen seit langem vor Anschlägen mit schmutzigen Bomben. Sie befürchten, dass Terroristen konventionellem Sprengstoff radioaktives Material beimischen könnten, das durch die Explosionswirkung verteilt wird. Die Gefahr ist real, die Organisation Islamischer Staat (IS) gibt beispielsweise an, über radioaktive Stoffe zu verfügen.

Einfach zu beschaffen

Die für den Bau von schmutzigen Bomben erforderlichen Radioisotope wie Cäsium 137, Cobalt 60, Americium 241 oder Iridium 192 sind leichter zu beschaffen als spaltbares Material für Kernwaffen. Schmutzige Bomben sind keine Kernwaffen, bei deren Zündung ein nuklearer Kettenprozess abläuft: Radioisotope werden in vielen nuklearmedizinischen Abteilungen von Krankenhäusern oder in Forschungszentren genutzt. Sie kommen aber auch für die Werkstoffprüfung in Industrieanlagen zum Einsatz. “Fünf Gramm Cäsium – verteilt mit einigen Kilogramm Sprengstoff – reichen aus, um einen Schaden in Milliardenhöhe zu verursachen, ganz zu schweigen von den psychosozialen und gesundheitlichen Folgeschäden. Zwar riskieren potenzielle Bombenbauer den Strahlentod. Das dürfte Terroristen jedoch nicht abschrecken“, sagt Wolfgang Koch, Leiter der Abteilung Sensordaten und Informationsfusion am Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie (FKIE). Ein Assistenzsystem, das radiologische Gefährder in einem Personenstrom erkennt und das Sicherheitspersonal alarmiert, ist der Beitrag des Wachtberger Instituts zum deutsch-französischen Projekt Rehstrain, das die Verwundbarkeit der Hochgeschwindigkeitszüge ICE und TGV erforscht.

Datenschutz wird grossgeschrieben

Das Assistenzsystem setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen: einem Sensornetzwerk, handelsüblichen Kinect-Kameras sowie einer Software zur Datenfusion. Das Sensornetzwerk besteht aus Gammaspektrometern, die Gammastrahlen detektieren und klassifizieren. „Die meisten für radiologische Bomben in Frage kommenden Stoffe senden Gammastrahlen aus, die sich nicht abschirmen lassen. Daher bedienen wir uns dieser Art von Sensoren“, erläutert Koch. In der nächsten Ausbaustufe erkennt das System, um welche Substanz es sich handelt, und unterscheidet zudem, ob sie am Körper mitgeführt wird oder ob sie sich im Körper befindet – etwa weil eine Person aus gesundheitlichen Gründen Medikamente wie radioaktives Jod einnehmen muss. Doch obwohl einzelne Sensoren Daten über die Art und Intensität des radioaktiven Stoffs liefern, sind sie nicht in der Lage, ihn zu lokalisieren. Hierfür ist ein Netz aus verteilten Gammasensoren erforderlich, die mit Kinect-Kameras aus der Spieleindustrie verknüpft sind. Deren Vorteil: Die Kameras liefern neben Bildern auch Entfernungsinformationen. An der Decke montiert, nehmen sie Menschenmengen wie ein Hügelgebirge wahr, auf diese Weise können selbst dichte Personenströme präzise getrackt werden. „Wir wissen zu jedem Zeitpunkt, wo sich eine bestimmt Person befindet. Die Identität kennen wir natürlich nicht – ein wichtiger Aspekt, was den Datenschutz anbelangt“, so der Mathematiker und Physiker. Die biometrische Erfassung potenzieller Gefährder solle nur nach hinreichendem Verdacht erfolgen.

System identifiziert Gefahrstoffträger eindeutig

Die derart vernetzten Geräte erfassen Menschen also zeitlich und räumlich, die Daten werden fusioniert. Dank ausgeklügelter mathematischer Auswertealgorithmen werden die gewünschten Informationen aus den riesigen Datensätzen herausgefiltert. „Wir bedienen uns hier künstlicher Intelligenz. Mithilfe der Algorithmen errechnen wir den Bewegungsverlauf einer Person, die allein sich den Messdaten der Gammasensoren zuordnen lässt. Damit ist der potenzielle Attentäter identifiziert“, erläutert der Forscher.

An neuralgischen Punkten angebracht, also in Eingangsbereichen, Auf- und Abgängen von Bahnhöfen, Flughäfen oder anderen öffentlichen Gebäuden, könnten solche Assistenzsysteme künftig Informationen über radiologische Gefährder an die Überwachungssysteme, zum Beispiel an Verkehrsbetriebe, übertragen. Die Frage des Zugriffs obliegt dem Sicherheitspersonal und der Polizei.

Im Labor wurde das System der Wachtberger Forscher bereits unter Aufsicht eines Strahlenschutzbeauftragten erfolgreich getestet.

Text: Britta Widmann, Redakteurin für technische Dokumentation, Fraunhofer-Kommunikationsabteilung, München

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