Social Media und Kriminalität
Welche Auswirkungen haben Social Media für die innere Sicherheit der Schweiz? Was macht die Polizei, um kriminelle Vorhaben zu unterbinden? Diese und weitere Fragen wurden heute am 14. Forum «Innere Sicherheit» des Verbands Schweizerischer Polizei-Beamter VSPB, in Bern, behandelt. Dabei diskutierten rund 180 Polizeileute, Politiker und weitere Interessierte über soziale Netzwerke und die Kriminalität.
Die einhellige Erkenntnis des Kongresses war, dass die darin lauernden Risiken auf allen Ebenen unterschätzt werden. Darum forderte VSPB-Präsident Jean-Marc Widmer: „Auch die Politik muss sich dessen bewusst werden und den Garanten der inneren Sicherheit die geeigneten Instrumente zur Verfügung stellen.“
Soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter, YouTube und wie sie alle heissen, bereichern den Alltag. Für viele ist ein Tag ohne sie gar nicht mehr vorstellbar. Dabei sollte man aber unbedingt gut überlegen was und wie kommuniziert wird, denn Social Media ist der virtuelle Dorfplatz von heute. „Veröffentlichen Sie doch nichts auf Ihren Kanälen, was Sie nicht auch ausdrucken und neben dem Dorfbrunnen aufhängen würden“, empfiehl Jean-Marc Widmer, Präsident des Verbands Schweizerischer Polizei-Beamter VSPB, in seiner Eröffnungsrede und betonte: „Das Internet vergisst nichts und wie aus der Cyberkriminalität bekannt, finden Leute mit kriminellen Absichten immer einen Weg, um sich den gewünschten Zugang zu verschaffen.“
„Einmal im Netz, immer im Netz!“
In seinem Einstiegsreferat mit dem Fokus auf Betrug, Mobbing und Verletzung der Privatsphäre zeigte der Experte für digitale Medien, Prof. Dr. Werner Hartmann, auf, wie einfach Kriminelle zum Ziel kommen. Dies demonstrierte er beispielsweise anhand eines gefälschten Facebook-Auftritts für den Leiter Kommunikation des VSPB mit den Worten: „Spätestens morgen früh wird er beim Verlassen des Hauses gewisse Probleme haben. Denn, einmal im Netz, immer im Netz. Da nützt auch ein Recht auf Löschen oder Vergessen nichts!“ Weiter zeigte er mit mehreren Beispielen auf, wie effektiv Social Engineering funktioniert und wie einfach damit geheime Informationen erlangt werden können. Darum solle man aufhören nur technologische Lösungen zu suchen und den Faktor Mensch vernachlässigen: „Wir müssen uns vom Glauben lösen, in einer globalisierten Welt könne man mit Methoden von gestern für Sicherheit, Vertrauen und Offenheit sorgen. Wir brauchen zuerst ein Verständnis für die digitale Welt.“ Darum gelte es die Gesetzgebung und Rechtsprechung schnellstmöglich an das digitale Zeitalter anzupassen.
Territoriale Grenzen vs. grenzenloses Netz
Gemäss dem Bundesanwalt, Michael Lauber, würde die teilweise Verlagerung krimineller Handlungen in virtuelle Räume die Strafverfolgungsbehörden nicht von einer realen, gerichtsverwertbaren Beweisführung entbinden. Um entsprechende Beweise nach strafprozessualen Massstäben ermitteln zu können, müssten darum auch im Bereich der modernen Kommunikationstechnologien „gleich lange Spiesse“ zwischen Strafverfolgung und Täterschaft geschaffen werden. „Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein“, sagte der Bundesanwalt und betonte, dass neben der Repression auch die Prävention und Aufklärung sehr wichtig sind.
Polizei kann von Social Media profitieren
Der Kommandant der Berner Kantonspolizei und Präsident der Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten KKPKS, Dr. Stefan Blättler, zeigte die Herausforderung und Chancen der sozialen Netzwerke für tägliche Arbeit der Polizei auf. „Das Internet hat gewisse Eigenschaften inne, welche die Polizei vor eine neue Herausforderung stellen. Dazu gehören Schnelligkeit, hohe Reichweite, Unkontrollierbarkeit und die Anonymität“, sagte der Präsident der KKPKS und betonte: „Zudem sind für die Strafverfolgung technische Kenntnisse unabdingbar, denn die Materie ist sehr komplex.“ Es sei für die Polizei eine Herausforderung, die Kommunikationsflüsse aktiv zu steuern. Denn nur so könne die Kontrolle über die Deutungshoheit der digitalen Öffentlichkeit beibehalten werden. Dabei sei es unabdingbar, dass die betroffenen Korps die Lage stets sachlich und Faktenbezogen darstellen, obwohl Social Media mit vielen Emotionen arbeitet und gerne dramatisiert. Andererseits könne, wer aktiv soziale Medien verwende, diese auch zu eigenen Zwecken nutzen. „Mit der Bündelung der Kräfte und dem gezielten Einsatz bin ich überzeugt, dass wir mit den neuen Entwicklungen mithalten können, diese sogar für uns nutzen können, ja, vielleicht sogar Freunde werden“, betonte Dr. Stefan Blättler und nannte als Beispiel die deeskalierende Wirkung beim Vorliegen falscher Gerüchte, indem man diese auf sozialen Medien stichhaltig wiederlege. Auch bei der Rekrutierung neuer Mitarbeitenden oder der Lenkung von Menschenansammlungen, auch Crowdmanagement genannt. Bei grossen Events würden diese neuen Kommunikationsinstrumente bei der täglichen Arbeit helfen.