Transport leerer, ­ungereinigter Gefahrgutverpackungen

In fast allen Industrie- und Gewerbezweigen werden Produkte oder ­Rohstoffe eingesetzt, die als Gefahrgut klassifiziert sind. Nach der ­Verwendung der Gefahrgüter will der Betrieb die geleerten Gebinde auch wieder loswerden. Dabei ist zu beachten, dass der Transport der leeren, ungereinigten Gebinde zu einem Entsorger oder zurück zum Lieferanten unter die Gefahrgutregelungen fällt.

Gefahrgutverpackungen
Leere Gebinde werden für den Abtransport bereitgestellt. Depositphotos, M150photo

Die geleerten, ungereinigten Gefahrgutgebinde sind nicht einfach als gefahrlos anzusehen. In der Regel ist in den geleerten Gebinden eine kleine Menge des gefährlichen Stoffs immer noch vorhanden, sodass die Gebinde weiterhin eine potenzielle Gefahr darstellen. War in einem Gebinde z.B. eine entzündliche Flüssigkeit, befindet sich im Inneren des Gebindes weiterhin eine explosionsfähige Atmosphäre, die durch eine Zündquelle zur Zündung gebracht werden kann. Bei einem Gebinde, das einen ätzenden Stoff enthalten hat, besteht die Gefahr, dass sich der Verlader oder Entlader bei der Handhabung dieses Leergebindes verletzt, wenn aussen noch Spritzer des Stoffs anhaften oder das Gebinde ist nicht richtig verschlossen ist.

In den Gefahrgutvorschriften ist darum definiert, unter welchen Bedingungen geleerte, ­ungereinigte Gefahrgutgebinde transportiert werden dürfen. Grundsätzlich wird im ADR ­(Agreement concerning the International Carriage of Dangerous Goods by Road) gemäss 4.1.1.11 festgestellt, dass ungereinigte leere Verpackungen von Gefahrgut denselben Vorschriften unterliegen «wie gefüllte Verpackungen, es sei denn es wurden entsprechende Massnahmen getroffen, um jede Gefahr auszuschliessen».

Für den Transport von leeren Gefahrgutverpackungen lässt das ADR eine Reihe verschiedener Varianten zu, die im Folgenden näher erläutert werden. Zusätzlich darf man beim Transport geleerter Gefahrgutverpackungen nicht ausser Acht lassen, dass sie bei der Entsorgung unters Abfallrecht fallen und zusätzlich zu den Transportvorschiften abfallrechtliche Vorgaben an die Dokumentation und Kennzeichnung existieren können.

Variante 1: Versand als Gefahrgut ohne Anwendung von Freistellungen

Die Standardvariante ist, dass man leere, ungereinigte Verpackungen so transportiert, als wären es gefüllte Gebinde. Das heisst, das Fahrzeug hat die orangen Tafeln aufgeklappt, der Fahrer hat eine ADR-Schulungsbescheinigung und die gesamte erforderliche Ausrüstung und ein Beförderungspapier dabei. Die leeren, ungereinigten Gebinde müssen dann dieselben Bedingungen erfüllen wie gefüllte Gebinde:

  • Sie müssen dicht und verschlossen sein.
  • Sie müssen die Gefahrzettel und die UN-Nummer des letzten Füllgutes aufweisen.
  • Es dürfen keine gefährlichen Gefahrgutrückstände an der Aussenseite anhaften.

Die beschriebene Variante 1 wird häufig verwendet beim Transport von Gefahrgutabfällen, bei dem der Fahrer nicht nur mit gefährlichem Abfall gefüllte Gebinde mitnimmt, sondern auch leere, ungereinigte Verpackungen.

Die geforderten Einträge im Beförderungspapier sind bei leeren, ungereinigten Verpackungen jedoch vereinfacht. Es ist nicht nötig, die Anzahl an leeren Verpackungen anzugeben und das Gefahrgut genau zu benennen. Gemäss ADR 5.4.1.1.6.2.1 können die detaillierten Angaben nach ADR 5.4.1.1. entfallen und ersetzt werden durch die summarische Angabe «Leere Verpackungen mit Rückständen von …», gefolgt von einer Auflistung der Gefahrzettel (Klasse und Nebengefahr) der beförderten Leergebinde. Beispiel: Leere Verpackungen mit Rückständen von 3, 6.1, 8. Diese Regelung gilt für die meisten Gefahrgüter, ausgenommen Explosivstoffe (Klasse 1), ansteckungsgefährliche Stoffe (6.2) sowie radioaktive Stoffe (Klasse 7).

Bei leeren Gefahrgutgebinden mit Rück­ständen von Gütern der Klasse 1 und 6.2 sind dagegen alle Angaben nach ADR 5.4.1.1.1. gefordert, ausgenommen der Gesamtmenge des Gefahrguts nach Buchstabe f). Gemäss ADR 5.4.1.1.6.1 muss die Beschreibung im Beförderungspapier ausserdem ergänzt werden mit dem Ausdruck «Leer, Ungereinigt» oder «Rückstände des zuletzt enthaltenen Stoffes». Diese aufwendigere Art der Dokumentation ist übrigens auch gestattet für alle leeren, ungereinigten Gefahrgutverpackungen, ausgenommen Klasse 7.

Eine spezielle Erleichterung gibt es für den Rücktransport von Leergebinden zum Lieferanten des Gefahrguts. In dem Fall kann der Absender das Beförderungspapier der zugehörigen Lieferung verwenden, die Mengenangaben streichen und sie ersetzen durch den Ausdruck «Leere, ungereinigte Rücksendung» (siehe ADR 5.4.1.1.6.2.3).

Variante 2: Erleichterte Beförderung unter Anwendung der Freistellung

ADR 1.1.3.6 beschreibt Freistellungen in Zusammenhang mit den Mengen, die pro Fahrzeug (Beförderungseinheit) ­befördert werden. Umgangssprachlich ist diese Freistellung bekannt als 1000-Punkte-Regel (jedes Gefahrgutgebinde zählt Massenpunkte, total dürfen auf dem Fahrzeug nicht mehr als 1000 Punkte sein).

Solange Verpackungen kein Gefahrgut der Beförderungskategorie 0 enthalten haben (was bei den meisten gewerblichen Produkten der Fall ist), fallen leere, ungereinigte Verpackungen in die Beförderungskategorie 4. Bei Gütern der Beförderungskategorie 4 darf die Freistellung nach ADR 1.1.3.6 unbegrenzt angewendet werden. Leere, ungereinigte Verpackungen tragen also nicht zu den Massenpunkten auf dem Fahrzeug bei, was bedeutet, dass ein Fahrzeug beliebig viele leere, ungereinigten Verpackungen mitnehmen und gleichzeitig die Freistellung nach ADR 1.1.3.6 anwenden darf. Bei Anwendung dieser Freistellung ist der Transport von vielen Anforderungen eines «normalen» Gefahrguttransports befreit. So erlaubt sie z.B., dass das Transportfahrzeug ohne orange Tafel und ohne die umfangreiche Gefahrgutausrüstung (Ausnahme: ein 2-kg-Feuerlöscher) unterwegs sein darf und der Fahrer keine ADR-Schulungsbescheinigung nach ADR 8.2.1 benötigt.

Normalerweise fordert ADR 1.1.3.6, dass bei Anwendung dieser Freistellung ein Beförderungspapier mitgeführt wird. In der Schweiz gibt es aber noch eine weitere, nur national gültige Erleichterung: SDR (SR 741.621), Anhang 1, Unterabschnitt 8.1.2.1, Bst a): «Ohne Beförderungspapier transportiert werden dürfen ungereinigte leere Verpackungen der Beförderungskategorie 4, mit Ausnahme der UN-Nummer 3509.»

Variante 3: Ausschluss jeder Gefahr

ADR 1.1.3.5 stellt fest, dass leere, ungereinigte Verpackungen nicht den ADR-Vorschriften unterliegen, «wenn geeignete Massnahmen ergriffen wurden, um mögliche Gefahren auszuschliessen. Gefahren sind ausgeschlossen, wenn Massnahmen zur Beseitigung der Gefahren der Klassen 1 bis 9 ergriffen ­wurden.» Diese Regelung wird im ADR beschränkt auf Verpackungen, die Gefahrgut der Klasse 2, 3, 4.1, 5.1, 6.1, 8 und 9 enthalten haben. Leider wird im ADR nicht präzisiert, welche Massnahmen denn nun ausreichend sind, um Gefahren auszuschliessen.

In Deutschland wurde dies in den Durchführungsrichtlinien Gefahrgut (RSEB) darum amtlich definiert. Eine Gefahr kann gemäss den Richtlinien ausgeschlossen werden, wenn

  • die Verpackungen keine gefährlichen Dämpfe oder Reste enthalten, die freigesetzt werden können,
  • die Verpackungen vollständig entleert sind oder die Restinhalte neutralisiert, gebunden, ausgehärtet, polymerisiert oder chemisch umgesetzt sind, und
  • wenn an der Aussenseite der Verpackung keine gefährlichen Rückstände anhaften.

Diese Anforderungen bedeuten, dass sich die Freistellung nach ADR 1.1.3.5 in der betrieblichen Praxis nur schwierig umsetzen lässt, weil die leeren Gebinde dafür einen Reinigungs- oder Inaktivierungsprozess durchlaufen müssten. Dieser Aufwand ist jedoch in der Regel nicht wirtschaftlich, nur um gebrauchte Leergebinde vom Hof zu bekommen.

Variante 4: Transport leerer, ungereinigter Verpackungen als Gefahrgut

Eingeführt wurde die UN-Nummer 3509 «Altverpackungen, leer, ungereinigt» im Jahr 2015, insbesondere um den Transport beschädigter Verpackungen und solcher mit fehlendem Verschluss abzudecken. Solche beschädigten oder alten Verpackungen erfüllen nicht mehr die Anforderungen an eine funktionstüchtige Verpackung gemäss ADR 4.1.1.1.

Diese nicht mehr funktionstüchtigen Verpackungen dürfen zum Transport nicht einfach auf die Ladefläche gestellt oder mit Schrumpffolie auf einer Palette fixiert werden, sondern sie müssen zum Transport regulär verpackt werden. Dazu zugelassen sind:

  • Verpackungen nach Verpackungsanweisung P003 unter Anwendung von Sondervorschrift RR9,
  • IBC nach Verpackungsanweisung IBC08 unter Anwendung von Sondervorschrift BB3,
  • Grossverpackungen nach Verpackungsanweisung LP02 unter Anwendung von Sondervorschrift LL1.

Diese Verpackungen müssen nicht bauartgeprüft sein gemäss ADR 4.1.1.3., sie müssen jedoch die anwendbaren Bauvorschriften für Verpackungen erfüllen. Insbesondere müssen sie flüssigkeitsdicht, durchstossfest und dicht verschlossen sein. Vor der Befüllung und der Übergabe zur Beförderung muss jede Verpackung überprüft werden, um sicherzustellen, dass sie frei von Korrosion, Verunreinigung oder anderen Schäden ist. Verpackungen mit Anzeichen verminderter Widerstandsfähigkeit dürfen nicht mehr verwendet werden.

Altverpackungen, die flüssige Gefahrgüter enthalten haben, müssen in starren Verpackungen verpackt werden, die mit Rückhaltemittel (z.B. saugfähigem Material) ausgerüstet sind. Altverpackungen, die feste Gefahrstoffe enthalten haben, die sich bei Transporttemperatur nicht verflüssigen können, dürfen in flexiblen Verpackungen (z.B. Big Bags) verpackt werden.

Zu beachten bei der Verwendung von UN 3509 ist insbesondere die Sondervorschrift 663. Diese Vorschrift macht eine Reihe zusätzlicher Einschränkungen hinsichtlich der Anwendung von UN 3509:

  • Gebinde, die rekonditioniert, repariert, gewartet oder wiederverwendet werden sollen, dürfen nicht als UN 3509 transportiert werden. Die unter UN 3509 transportierten Gebinde gehen in die Entsorgung oder in einen Materialrecyclingprozess.
  • Die Gebinde müssen weitgehend leer sein. Anbruchgebinde oder abgelaufene Ware dürfen unter UN 3509 nicht transportiert werden.
  • Erlaubt ist die Verwendung von UN 3509 nur für Altverpackungen, die vorher Gefahrgut der Klasse 3, 4.1, 5.1, 6.1, 8 oder 9 enthalten haben.
  • Verpackungen mit Rückständen von Stoffen der Verpackungsgruppe I sind ausgeschlossen
  • Diverse weitere besonders gefährliche Stoffgruppen sind ausgeschlossen
  • Da die Dichtheit der Altverpackungen nicht mehr gewährleistet ist, dürfen Gebinde mit Gefahrzettel 5.1 (brandfördernde Stoffe) nicht zusammen mit anderen Altverpackungen zusammengepackt werden (andernfalls besteht akute Brandgefahr).
  • Am Verladeort muss ein dokumentiertes Sortierverfahren etabliert sein, um die Einhaltung der Vorschriften sicherzustellen.

Fazit

Unterschiedliche Situationen beim Absender von leeren, ungereinigten Verpackungen mit Gefahrgutresten machen unterschiedliche Massnahmen bei der Organisation des Transports notwendig. Analysieren Sie, welche Gefahrgutreste vor Ort vorkommen können und in welchem Zustand die Gebinde sind. Studieren Sie die im Artikel genannten Vorschriften, die für Sie relevant sind, genau. Im Zweifelsfall sollte man sich von einem professionellen Entsorger oder einem Gefahrgutspezialisten beraten lassen.

Autor: Dr. Stephan Steines, Berater Chemikaliensicherheit, Swiss Safety Center

 

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