Über dem Tempolimit – das kostet 20 Todesopfer
Wie schnell fahren Autos und Motorräder in der Schweiz? Oft schneller als erlaubt – das zeigt eine neue, umfassende BFU-Erhebung. Innerorts und auf Autobahnen ist jedes dritte Fahrzeug zu schnell unterwegs. Motorräder fahren im Durchschnitt etwas schneller als Autos. Würden alle Lenkerinnen und Lenker die Tempolimits einhalten, gäbe es in der Schweiz pro Jahr rund 20 Todesopfer und 300 Schwerverletzte weniger, so die BFU.
Wie schnell Autos und Motorräder unterwegs sind, ist ein wichtiger Faktor dafür, wie sicher der Strassenverkehr ist. Doch ausgerechnet dazu fehlten in der Schweiz bisher verlässliche Daten, wie die Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) betont. Die Organisation hat deshalb in einer umfassenden Pilotstudie erhoben, wie schnell hierzulande tatsächlich gefahren wird. Ausgewertet wurden Daten von über 16 Millionen Fahrzeugen an 211 Strassenabschnitten. Die Resultate zeigen: Ausserorts hält eine klare Mehrheit die Geschwindigkeitslimits ein. Mehr Tempoverstösse gibt es auf Autobahnen und innerorts.
Innerorts jeder Dritte, ausserorts jeder Sechste
Die Messungen zeigen, dass innerorts bei Tempo 50 sowie auf Autobahnen bei Tempo 120 jedes dritte Fahrzeug zu schnell unterwegs ist. Bei Tempo 80 ist es jedes sechste Fahrzeug – das Ausserorts-Geschwindigkeitsregime wird insgesamt am besten respektiert.
Gemäss Studie fahren bei Tempo 30 54% aller ausgewerteten Motorfahrzeuge schneller als erlaubt. Nur eine Minderheit halte sich demnach in verkehrsberuhigten Dörfern und Quartieren an das Tempolimit. Autos seien auf Tempo-30-Strecken in den verschiedenen Landesteilen ähnlich schnell unterwegs. Regionale Unterschiede gebe es hingegen bei Motorradfahrern und -fahrerinnen: Während auf Tempo-30-Strecken in der Westschweiz und im Tessin 55% der Motorräder zu schnell fahren würden, seien es in der Deutschschweiz besorgniserregende 72% gewesen.
Auch insgesamt, über alle Geschwindigkeitsregimes gesehen, seien Motorräder durchschnittlich etwas schneller unterwegs als Autos.
20 tödliche Unfälle pro Jahr vermeidbar
Würden alle Lenkenden von Autos, Lieferwagen und Motorrädern die Geschwindigkeitslimits strikt einhalten, könnten jedes Jahr mehr als 20 tödliche und über 300 schwere Verletzungen verhindert werden. Zu diesem Schluss kommt die BFU auf Basis der verfügbaren Daten.
Das grösste Präventionspotenzial bei tödlichen Unfällen bestehe in Tempo-80-Regimes: Zehn vermeidbare Todesfälle gebe es dort jedes Jahr. Dahinter würden Tempo-50-Regimes mit jährlich acht vermeidbaren Todesfällen folgen. Am meisten Unfälle mit Schwerverletzten würden sich in Tempo-50-Regimes verhindern liessen – mit bis zu 182 Schwerverletzten weniger pro Jahr.
Der Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit und Verletzungsrisiko ist gemäss BFU belegt. Denn erstens: Je höher die Durchschnittsgeschwindigkeit von Motorfahrzeugen, desto höher das Risiko für einen Unfall. Und zweitens: Wenn ein Unfall geschieht, sind die Folgen bei höherem Tempo in der Regel gravierender, wie die BFU betont.
Lenkende, Polizei, Behörden und Autohersteller gefordert
Lenkerinnen und Lenker sollten sich bewusst sein: Geschwindigkeitslimits seien sinnvoll und gut durchdacht, selbst wenn ihr Zweck nicht auf jedem Strassenabschnitt sofort ersichtlich sei.
Sicherheitspotenzial haben laut BFU auch präventionsorientierte Polizeikontrollen. Diese können Motorfahrzeuglenkende dazu bringen, Höchstgeschwindigkeiten nicht zu überschreiten und den Verhältnissen angepasst zu fahren. Idealerweise werde die Wirkung von Geschwindigkeitskontrollen durch begleitende Präventionskampagnen verstärkt.
Quelle: BFU
Verkehrssicherheit erhöhen
Die BFU sieht nebst den obgenannten noch weitere Tätigkeitsfelder, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen. So gilt es, auch Strassen und Fahrzeuge sicherer zu konstruieren:
Selbsterklärende und fehlerverzeihende Strassen: Strassen sollen so gebaut werden, dass Verkehrsteilnehmende schon am Erscheinungsbild erkennen, welche Höchstgeschwindigkeit gilt. Zudem sollte – vor allem ausserorts – ein gleichmässiges Tempo möglich sein (homogener Geschwindigkeitsverlauf). Feste Objekte am Strassenrand gilt es zu entfernen. Die BFU berät Gemeinde-, Kantons- und Bundesbehörden, Ingenieure und andere Beteiligte in solchen Sicherheitsfragen.
Infrastruktur-Sicherheitsinstrumente (ISSI): Um Strassen sicherer zu machen, hat der Bund zusammen mit der BFU sechs Infrastruktur-Sicherheitsinstrumente Wer sie anwendet, kann die Sicherheit bestehender Strassen analysieren – und neue Strassen von Beginn weg sicher planen.
Fahrerassistenzsysteme: Möglichst viele Fahrzeuge sollten mit Geschwindigkeitsassistenten ausgerüstet werden. Wer demnächst ein Auto kaufen will oder das bestehende nachrüsten möchte, kann sich auf dem BFU-Portal smartrider.ch über solche Systeme informieren.