Videoüberwachung: Privatsphäre und Datenschutz gewährleistet
Videokameras haben uns vielerorts im Blick. Können dabei die Privatsphäre der Bürger und der Datenschutz gewährleistet werden? Ja – durch intelligente Videoüberwachung, wie eine neue Entwicklung des Fraunhofer-Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung zeigt.
Das neue baden-württembergische Polizeigesetz erlaubt Videoüberwachung im präventiv-polizeilichen Bereich in drei Fällen: an Kriminalitätsschwerpunkten, bei «gefährdeten Objekten» und bei öffentlichen Veranstaltungen, falls dort terroristische Anschläge drohen. Dabei wird erstmalig auch der Einsatz intelligenter Systeme ermöglicht, die dem Menschen hinter dem Bildschirm die Arbeit stark erleichtern können. «Ich bin überzeugt, dass die intelligente Videoüberwachung sowohl präventiv wie repressiv ein wichtiges Sicherheitsinstrument ist und unter den Gesichtspunkten Daten- und Privatsphärenschutz sehr gut ist», sagte Strobl als er unlängst das Fraunhofer-Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB) in Karlsruhe besuchte.
In einer realen Anwendung soll parallel zur konventionellen Videoüberwachung die intelligente Technik getestet und weiterentwickelt werden – das Modellprojekt wird in Mannheim umgesetzt. «Die Privatsphäre ist uns ein wichtiges Anliegen. Unser Ansatz besteht darin, den gebotenen Datenschutz und Schutz der Persönlichkeitsrechte technisch zu erzwingen. Dadurch werden diese Systeme unserer Überzeugung nach Akzeptanz finden», erklärte Jürgen Geisler, stellvertretender Institutsleiter des Fraunhofer IOSB.
Personen und Szenen werden verpixelt
Wie die intelligente Videoüberwachung funktioniert, erklärte Markus Müller, Sprecher des Geschäftsfeldes Zivile Sicherheit am Fraunhofer IOSB. «Bei konventioneller Überwachungstechnik wird jede Person im Alltagsgeschäft in höchster Auflösung erfasst und gespeichert. Unsere intelligente Videoüberwachung bietet die Möglichkeit der ‹kaskadierten Anonymisierung›. Dabei werden irrelevante Bereiche, Szenen und Personen von der Technik beispielsweise ganz ausgeblendet oder verpixelt», sagte Müller.
Entdeckt ein Algorithmus etwas Verdächtiges, dann wird das Bild vom System scharf gestellt und ein Alarm wird an einen menschlichen Operator ausgesendet. «Dafür entwickeln wir Verfahren, die zum Beispiel tätliche Übergriffe oder abgestellte und verwaiste Gegenstände erkennen sollen», so Müller. Die Software kann Handlungsmuster identifizieren.
Videodaten werden nach bestimmter Zeit gelöscht
«Wenn alles verpixelt ist und die Kameratechnik erst dann für den Polizisten scharfstellt, wenn etwas passiert – zum Beispiel ein Faustschlag –, dann ist das Schutz der Privatsphäre. Weil die verpixelten Daten nach einem gewissen Zeitpunkt endgültig verschwinden sollen», erklärte der baden-württembergische Innenminister Strobl.
Intelligente Videoauswerteverfahren können bei einer Ermittlung auch nachträglich unterstützen, sofern in der Strafprozessordnung die rechtliche Ermächtigungsgrundlage besteht. Zum Beispiel sind von einem Täter manchmal sogenannte soft biometrische Merkmale wie Körpergrösse, Accessoires oder Haarfarbe bekannt. «Diese Merkmale können meistens verändert werden und durch ihre geringe Unterscheidungsfähigkeit sind sie nicht zur Identifikation geeignet», erklärte Müller. Allerdings kann die automatisierte Suche nach soft biometrischen Merkmalen in Videodaten den Ermittlern nach einer Straftat helfen: «In vielen Fällen sitzen Polizeibeamte oft endlose Stunden vor dem Bildschirm und sichten unzählige Videos. Unsere Systeme erleichtern und verkürzen diese mühsame Arbeit der Polizeibeamten», so Müller.
ivisX (Integrated Video Investigation Suite for Forensic Applications) bietet eine Lösung zur kriminologischen Videoauswertung, welche die Verarbeitung von Videomassendaten im Fall von grossen Menschenansammlungen unterstützt und dabei eine Rekonstruktion von Straftaten ermöglicht.
Text: Angelika Linos, Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB), Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Zum Thema Videoüberwachung erscheint Anfang Juni 2018 eine Spezial-Ausgabe des SicherheitsForums